35 Jahre Mauerfall – an diesem geschichtsträchtigen Novembertag

35 Jahre Mauerfall – an diesem geschichtsträchtigen Novembertag

9. November 1989 in Berlin: Freudiges Ende einer Schreckens- und Leidenszeit (Foto:Bundesarchiv)
Der für die Deutschen schicksalhafte 9. November wurde zum Glück (knapp) vom Ampeldesaster verschont. Zwar ist das Ende dieser Koalition eine gute Nachricht, doch dieses Missgebilde der bundesdeutschen Regierungsgeschichte wäre es nicht einmal in ihrem Scheitern, mit diesem denkwürdige Datum assoziiert zu weden. Gut daher, dass es um zwei Tage verpasst wurde. Es passierte in der deutschen Vergangenheit schon genug am 9. November – Schlimmstes und Schönstes zugleich. Nur nochmals zur Erinnerung:
  • 9. November 1848: Hinrichtung von Robert Blum (liberal-katholischer Revolutionär);
  • 9. November 1918: Ausrufung der Republik und (zu diesem Zeitpunkt wahrheitswidrige) Verkündigung der Abdankung des Kaisers;
  • 9. November 1923: Putschversuch der NSDAP in München (Hitler-Ludendorff-Putsch) in München scheitert;
  • 9. November 1938: „Reichskristallnacht“ (Zerstörung fast aller Synagogen in Deutschland, Ermordungen und Plünderungen);
  • 9. November 1989: Mauerfall, Wende in der DDR, Ende der SED-Diktatur und faktisches (vorläufiges) Ende der bipolaren Weltordnung.

Nachdenkliche Zeilen der Wehmut

Vor allem das letzte Ereignis in dieser Chronologie, der Fall der Berliner Mauer, ist für uns Deutsche von heute von entscheidender und prägender Bedeutung. Als die Mauer gebaut wurde, befand sich die Dichterin Gertrud von le Fort in ihrem 85. Lebensjahr. Die Teilung des Vaterlandes muss für sie fürchterlich gewesen sein. Im hohen Alter von fast 90 Jahren verfasste sie 1966 das nachfolgende Gedicht, fünf Jahre vor ihrem Tod. Wie viele ihrer Generation konnte sie dem 9. November 1989 nicht mehr erleben.

Mit diesen nachdenklichen Zeilen über die Berliner Mauer wünsche ich allen Lesern einen schönen 35. Jahrestag des Mauerfalls!

 

„Die Mauer“  von Gertrud Freiin von le Fort

 

Da steht noch das alte ruhmreiche Tor.

Doch davor bäumt sich die Mauer empor

aus wüstem Beton und aus Stacheldraht

Da winkt keine Pforte, da leitet kein Pfad.

 

Doch Mauern aus Draht und Beton erdacht

die sind für mein Herz nur Spuk in der Nacht:

Es braucht nur ein Hammerschlag

– Mein Herz bricht hindurch, so oft es mag!

 

Da geh‘ ich wie einst die Linden hinab –

das Kaiserschloss sank lange ins Grab,

Doch die Stadt wahrt ihr eigenes lebendiges Sein –

ich gehe tief in ihr Schicksal hinein,

ich zieh es ans Herz wie mein eigenes Geschick,

denn ein Volk ist ein strenges unteilbares Glück.

 

Und jedes Auge, in das ich seh‘,

bleibt Bruderauge wie eh und je!

Erst wenn ich zurück bin, da fällt es mich an,

dass ich weine und nicht mehr aufhören kann.

 

5 Antworten

  1. Meine gutmenschlichen, woken Nachbarn haben sich leider für die Reichskristallnacht entschieden. Zwar tischen die Palästinenser derzeit mächtig auf, doch ist es wie immer eine Terminsache in Deutschland: So, wie sich an Weihnachten alle lieb haben oder zu Karneval alle lustig sind, so haben auch die Linken wenigstens einen Tag im Jahr, an dem sie gegen den Antisemitismus sind und den moralischen Oberlehrer raushängen lassen.

  2. Die Mauer ist weg. Das ist gut. In Folge kamen für die Ostdeutschen Reisefreiheit und volle Schaufenster. Aber wirkliche Demokratie, womöglich sogar echte Rechtsstaatlichkeit? Erkenne ich persönlich nicht. Für echte Demokratie fehlt es an freien und pluralistischen Massenmedien für die Willensbildung, für Rechtsstaatlichkeit hapert es an der Unabhängigkeit der Justiz …

    https://www.gewaltenteilung.de/zu-der-schieflage-der-gewaltenteilung-in-deutschland-im-einzelnen-2/

  3. DE. hat im Jahr 1989 mit dem Fall der Mauer eine riesige Leistung erbracht. Schade nur, dass mit der heutigen, geistigen Brandmauer in der Politik ein um viele Faktoren stärkeres Hindernis errichtet worden ist, das viel schwieriger ist, beseitigt zu werden. Die politische Brandmauer ist eine Schande für einen Staat, der von sich behauptet demokratisch zu sein. Wie kann man Bürger und Parteien brandmarken, obwohl sie sich gemäss Rechtsstaat nichts haben zu Schulden kommen lassen.

    War es nicht so, dass viele SPD-ler den ostdeutschen Sozialismus gut fanden, und wussten, dass dieser bei einer Vereinigung unterging? Nach einer kleinen Karenzzeit – für die Wahrung des Scheins-, nahm die SPD viele SED-ler auf; bei der Merkel– CDU ging das viel einfacher, weil es schon eine Ost-CDU gab, die der Mauermörder– SED in nichts nachstand, oft sogar noch überholte. Natürlich haben die Alt-Ostkader Einfluss auf ihre „neuen“ Parteien ausgeübt – das waren politisch gut geschulte Sozen….Und so haben wir und mit Merkel die DDR 2.0 eingehandelt!!!

  4. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern als ich im Original gesehen hatte wie Schabowski den Zettel verlesen hatte. Danach dann im Westfernsehen die Menschen vor dem Zaun am Kontrollpunkt Bornholmer Str.. Mir hatte mal ein ehemaliger Klassenkamerad gesagt, der an der Berliner Grenze diente, das so eine Situation für ihm der wahre Alptraum gewesen wäre. Ein anderer ehemaliger Klassenkamerad der beim Abi durchgefallen war und zur Stasi gelockt wurde, hatte genau zu dem Zeitpunkt, PKE, Bornholmer Str. Dienst. Der sagte mir direkt, beim Klassentreffen, das die alles alleine entscheiden mussten. Keiner von oben hatte die Verantwortung übernehmen wollen. Ich saß vor dem Fernseher und hatte Angst das da kein schießwütiger Grenzer, die gab es die schossen auf alles was sich bewegte, wie mir ein anderer ehemaliger Klassenkamerad der an der Innerdeutschen Grenze diente, das Feuer eröffnete. Am nächsten möglichen Tag schwang ich mich mit der ganzen Familie aufs Fahrrad und wir fuhren über den Ku-Damm.

  5. Der Euphorie dieser damaligen Tage ist heute einer Ernüchterung gewichen. Der wesentliche Fehler lag eben darin, dass der Westen mit seinen politischen Führungen gar nicht daran dachte, den Verfassungsauftrag zu einer Wiedervereinigung zu erfüllen, sondern sich als wirtschaftlich Überlegene zu einer Übernahme unter dem beschönigenden Namen „Beitritt“ entschloss.
    Und genauso wurden die „Ossis“ behandelt. So konnte erst gar keine Volksgemeinschaft entstehen bzw. wurde erst einmal unterbunden. Eine Verfassung wurde demzufolge auch gar nicht zur Abstimmung gestellt. Nichts an den vorhandenen Zuständen oder Zielen wurde diskutiert oder relativiert, nichts gedacht, nur nach eigenem Gusto seitens des Westens gemacht. Als „Wessi“ habe ich mich beim „Aufbau Ost“ mehr als einmal geschämt, wie arrogant „meine Landsleute“ aufgetreten sind. Dank wirtschaftlicher Macht zur moralisch überlegenen Macht – welcher Hochmut!

    Und wer das „Mitläufertum“ in der DDR kritisierte, sollte sich einmal die heutigen Verhältnisse und die Darbietung der „demokratischen und moralischen Werte“ ansehen.
    Wer eben nichts von Ethik, Geschichte, Politik oder Menschen versteht, verstand und versteht eben nichts.