Assanges Befreiung war nur der erste Schritt (II)

Assanges Befreiung war nur der erste Schritt (II)

Hat sich große Verdienste im Kampf um Assanges Befreiung erworben: Ex-UN-Sonderberichterstatter und Völkerrechtsaktivist Nils Melzer (Foto:Imago)

Im ersten Teil dieses Beitrags wurde auf die gefährliche Machtverschiebung westlicher Demokratien zugunsten militärisch-geheimdienstlicher Strukturen eingegangen. Julian Assange ist gewissermaßen Opfer und Kronzeuge dieser Entwicklung. Er hat 14 Jahre der Verfolgung für die Verteidigung der Freiheit geopfert. Seine Gegner waren jedoch keine fremden Autokratien, sondern einflussreiche Kreise innerhalb des westlichen Militärs und der Geheimdienste. Es ist ein alarmierender Widerspruch, dass Assange die Verletzung demokratischer Prinzipien durch diese Sicherheitskräfte aufdeckte, während deren Aufgabe darin bestand, eben diese Prinzipien zu verteidigen.

Der Widerspruch lässt sich leicht auflösen, wenn man das Jefferson-Zitat in Teil I dieses Artikels (“Ich hoffe, unsere Weisheit wird mit unserer Macht wachsen und uns lehren, dass unsere Macht umso größer sein wird, je weniger wir sie nutzen”) vollständig verinnerlicht hat. Während ihrer Gründungsjahrzehnte waren die Vereinigten Staaten die historisch vorherbestimmte führende Nation innerhalb eines Kreises befreundeter anderer Nationen, die mit ihnen die Ideale der freien Demokratie teilen. Dieser Kreis erweiterte sich zuerst in Europa, woher die amerikanische Bevölkerung hauptsächlich stammt. Im Allgemeinen erfolgte die Ausbreitung der freien Demokratie ohne Gewalt, einfach indem man dem erfolgreichen Vorbild der USA folgte, welche durch ihre effektive freie Marktwirtschaft und die problemlose Integration der Einwanderer zum führenden Land der Welt wurden.

Blick hinter den Vorhang

Diese friedliche Ausbreitung der freiheitlichen Demokratie hätte die Erde in die harmonische Gemeinschaft freier Nationen verwandeln können, für die die UNO fälschlicherweise gehalten wird; stattdessen gelang es undemokratischen und antiliberalen Kreisen mit britischen Wurzeln, in den USA Fuß zu fassen und die Republik und ihre faire Marktwirtschaft in ein Imperium des großen Geldes zu verwandeln, das von Oligopolen und der Herrschaft des Stärkeren dominiert wird. Schlimmer noch: Die friedliche, auf Idealismus basierende Ausbreitung wurde durch einen primitiven Militarismus ersetzt, der erstmals während der Präsidentschaft von William McKinley (1898-1901) in vollem Umfang praktiziert wurde. Dieser Militarist war auch der erste Kandidat, der durch einen großzügig finanzierten, professionell geführten Wahlkampf Präsident wurde. So wurde klar, wessen Interessen die amerikanische Politik von da an tatsächlich diente.

Julian Assange wurde zum Freiheitshelden, indem er erfolgreich kontraproduktive Aktionen des US-Sicherheitsapparats bei Militäreinsätzen aufdeckte. Ein Blick hinter den Vorhang der (verfassungswidrigen) Geheimhaltung zeigt, dass der WikiLeaks-Gründer nicht einfach für die Wahrheit kämpfte, sondern tatsächlich für die Pressefreiheit und gegen die Herrschaft der Gewalt. Doch Assange unterschätzte das Ausmaß der Bedrohung, die seine Arbeit für diese undemokratischen Kreise darstellte – und deren Bereitschaft, ungesetzliche Tricks anzuwenden, um ihn aus dem Weg zu räumen.

Nils Melzers Verdienste

Doch dank der idealistischen Arbeit des UN-Sonderberichterstatters über Folter, Nils Melzer, kamen diese Manipulationen ans Tageslicht, während die freie Presse die Augen vor der Realität verschloss und der kritischen Hinterfragung der rechtsstaatswidrigen Aktionen auswich. Melzer hat die entscheidende Grundlagenarbeit geleistet, um den Militaristen eine weitere Verfolgung Assanges zu verleiden, so dass dieser jetzt – nach 1.901 Tagen Haft – gegen ein Schuldeingeständnis freigekommen ist. Der Idealist hat für die mutige Verteidigung Assanges und der Verfassungsprinzipien das Ende seiner UNO-Karriere in Kauf genommen. Seit Juli 2022 ist er Direktor für Völkerrecht, Politik und humanitäre Diplomatie beim Roten Kreuz.

Unter anderem enthüllte Melzer, dass

  • die zwei Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange falsch waren, da in beiden Fällen einvernehmlicher Sex ohne Gewalt stattgefunden hatte;
  • in einem der beiden Polizeiberichte das Protokoll mit erfundenen Anschuldigungen umgeschrieben wurde, während die Frau ihn in Wirklichkeit nur nach dem Treffen zu einem AIDS-Test zwingen wollte;
  • im zweiten Polizeibericht die Anschuldigung in der Behauptung bestand, der Angeklagte habe ohne Einverständnis der Frau kein Kondom benutzt.

Wahrheitsverzerrende Berichterstattung

Die Medien verbreiteten dementgegen nicht nur die falschen Anschuldigungen, sondern servierten auch ein zweites unwahres Narrativ, nämlich, dass Assange sich der Zusammenarbeit mit dem schwedischen Justizsystem entzogen habe – während er tatsächlich wiederholt, wenn auch vergeblich, um die Möglichkeit bat, sich gegen die falschen Anschuldigungen verteidigen zu können.

Die gleiche wahrheitsverzerrende Berichterstattung betraf Assanges Entscheidung, Schweden in Richtung Großbritannien zu verlassen. Tatsächlich geschah dies überhaupt nicht, um der schwedischen Justiz zu entgehen, sondern um unter allen Umständen einer Auslieferung an die USA zu entgehen. Denn dort drohte ihm ein nichtöffentlicher Prozess auf Grundlage des verfassungswidrigen Spionagegesetzes von 1917, weil er geheime Dokumente (hauptsächlich über Kriegsverbrechen der amerikanischen Sicherheitskräfte und ihrer Verbündeten) eingesehen und veröffentlicht hatte. Dieser Prozess vor einem Sondergericht hätte mit der Todesstrafe enden können, oder, wie es später kommentiert wurde, mit bis zu 175 Jahren Gefängnis.

Hauptaufgabe noch nicht erfüllt

Mit zunehmendem Einblick in den Fall wurde Nils Melzer dann selbst zum Whistleblower und sah sich dementsprechendem Mobbing und Widerstand auf verschiedenen Ebenen ausgesetzt. Hinter all diesen Ereignissen erkannte Melzer ein tiefgreifendes Problem des westlichen Systems, bei dessen Lösung der Fall Assange eine Schlüsselrolle spielt. „Ich bin ein Aktivist, aber nicht für Assange, sondern für die Rechtsstaatlichkeit”, sagte er, und ergänzte mit Blick auf seine neue Aufgabe als Direktor für Völkerrecht, Politik und humanitäre Diplomatie beim Roten Kreuz: ”Hier habe ich die Chance, etwas zu erreichen, das über den Fall hinausreicht… (für) den Schutz der Pressefreiheit und des Rechtsstaates.

Melzer hat bei der Rettung von Julian Assanges Leben eine entscheidende Rolle gespielt. Aber seine Hauptaufgabe ist noch nicht erfüllt. Es geht um die längst überfällige Eindämmung eines verfassungswidrigen Einflusses: Des Einflusses der anglo-amerikanischen MIC-Militaristen einschließlich der Sicherheitsbehörden. Der Ausgang ist noch offen. Nach rund fünf Jahren intensiver Warnungen des idealistischen UNO-Sonderberichterstatters über Folter vor der Bedrohung des Westens durch seinen eigenen Sicherheitsapparat wird die Außenpolitik noch immer – und sogar noch stärker – von Militaristen dominiert. Ihr Kurs führt die freiheitliche Zivilisation in Kriege mit Russland und China und gefährdet die Existenz Israels, riskiert einen Bürgerkrieg in den USA und verspricht vielfältiges Chaos in Europa.

Um unsere Zivilisation von der undemokratischen und höchst gefährlichen Dominanz rückständiger Militaristen zu befreien, ist nun dieselbe Zivilcourage erforderlich, wie sie Nils Melzer und andere Freiheitsaktivisten für die Befreiung Julian Assanges aufgebracht haben.

9 Antworten

    1. Die Aufdeckung krimineller Machenschaften und Verbrechen ist kein Landesverrat

    2. Wie kommt man zu einer solchen freiheitsfeindlichen Haltung? – Assange hat für uns alle den Kopf hingehalten, und zwar um uns denjenigen auf die Finger schauen zu lassen, die sehr offensichtlich ihren Auftrag, für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie einzutreten , entsetzlich konterkariert haben. Konkret haben diese MIC-Militaristen den Ruf der freiheitlichen Demokratie – namentlich in islamischen Ländern – geschändet. Schlimmer noch, sind diese polarisierenden Kräfte jetzt dabei, unsere Zivilisation in einen künstlich inszenierten 3. Weltkrieg zu schicken.

      Es ist schon mit den und trotz der aufklärerischen Arbeit Julian Assanges absolut ungewiss, ob wir diesen Irrsinn noch werden abwenden können – ohne seine wertvolle Vorarbeit wären diese unsere Anstrengungen so gut wie aussichtslos. Der Dank, den wir Menschen wie Melzer, Assange und Snowden schulden, kann gar nicht HOCH genug eingeschätzt werden!

  1. Wo ich das gerade mit den Vergewaltigungen lese:
    Bei einer oder doch eher keiner – ein Skandal, der die Weltgemeinschaft herausfordert und strengste Konsequenzen und lebenslange Inhaftierung einfordert!
    Bei hunderten gemäß Statistik und tagtäglichen gar Gruppenvergewaltigungen dagegen, mit geradezu „Alltags-Qualtiät“ z.B. in Deutschland: Wen interessiert denn das???

  2. die kai kann mich jeder zeit…töten…ich bin so froh….das ich keinen mehr habe den ich bescützen muss..nur noch mich selbst..ich weiss nciht viel…nur das alles was sie sich vornehmen auch gelingen wird….kämpft nicht dagegen an…es ist sinnlos…erschafft was eigenes…..

    Sicher versendet mit Proton Mail.

    1. Hmm… liest man doch eher selten, so eine unmissverständliche Einschätzung der Sachlage als „ausweglos“.
      Die meisten sind doch eher der Meinung, wir müssten nur feste genug strampeln, um unser aller Glückseligkeit herzustellen.

      Tatsächlich ist die in dem Artikel skizzierte Situation, wenn ich das mal so salopp sagen darf, doch nur ein „Krümel“ auf einem sehr großen „Streuselkuchen“, der uns, wie ich jetzt gelernt habe, erstmals aufgetischt von William McKinley (1898-1901), seit 120 Jahren serviert wird.

      Steuselkuchen = Süße Backware, gerne gereicht anlässlich des üblichen Kaffeetrinkens im Anschluß an eine Beisetzung.

      Wenn ich mir die kollektierten Schilderungen über all die geradezu fantastisch anmutenden, technischen Durchbrüche der jüngsten Zeit so auf der Zunge zergehen lasse, und mir ausmale, was das für die Zukunft der menschlichen Population in Aussicht stellt, dann kommt mir all dieses militärische Rumgemache doch vor, wie das lautstarke und alle Aufmerksamkeit auf sich lenkende HumbaHumbaTäTerää, damit bloß nicht zu viele zu früh mitbekommen, was neben der großen Bühne zusammengeschraubt wird. Was da den zahllosen Berichten folgend in Vorbereitung ist, scheint mir geeignet, die Welt in einer Weise zu „transformieren“, dass es in Bälde keiner Panzer und Raketen mehr bedarf, um das Kapitel „Homo Sapiens Sapiens“ abzuschließen.

      Was ich nur noch nicht mit soliden Inhalten befüllen kann, das ist die Empfehlung, „sich etwas eigenes zu schaffen“. Was genau ist damit gemeint??

  3. Hmm…
    liest man doch eher selten, so eine unmissverständliche Einschätzung der auch nach meinem Dafürhalten eindeutigen Sachlage.
    Tatsächlich ist ja die in dem Artikel skizzierte Situation, wenn ich das mal so salopp sagen darf, doch nur ein Krümel auf einem sehr großen Streuselkuchen, der uns, hoch offiziell scheints erstmals aufgetisch von William McKinley (1898-1901), seit 120 Jahren serviert wird.

    Steuselkuchen
    = Süße Backware, in unseren Breiten gerne gereicht anlässlich des üblichen Kaffeetrinkens im Anschluß an eine Beisetzung.

    Wenn ich mir die kollektierten Schilderungen über all die geradezu fantastisch anmutenden, technischen Durchbrüche der jüngsten Zeit so auf der Zunge zergehen lasse, und mir ausmale, was das für die Zukunft der menschlichen Population in Aussicht stellt, dann kommt mir all dieses militärische Rumgemache vor, wie das laute HumbaHumbaTäTerää auf der Bühne, welches nicht nur, aber auch dazu dient, alle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken , damit bloß nicht zu viele zu früh mitbekommen, was neben der großen Bühne zusammengeschraubt wird, denn das, was da in Vorbereitung ist, scheint das Potential zu besitzen, die Welt in einer Weise zu „transformieren“, dass es keiner Panzer und Raketen mehr bedarf, um das Kapitel „Homo Sapiens Sapiens“ abzuschließen.

    Was ich nur noch nicht mit soliden Inhalten befüllen kann, das ist die Empfehlung, sich“etwas eigenes zu schaffen“. Was genau ist damit gemeint??

  4. Was noch einmal betont werden soll:
    Wir werden den 3. Weltkrieg nur dann verhindern können, wenn wir die MIC-Militaristen und ihre ultrareichen Hintermänner moralisch auf die Plätze verweisen. WIR freiheitlich eingestellten Menschen verkörpern den Anspruch, in der Tradition der amerikanischen Gründerväter die Demokratie auf korrekte Weise zu verteidigen.
    Die „Verteidigung“ der Demokratie durch völkerrechtswidrige Angriffskriege wie 2003 bis 2011 gegen den Irak ist gründlich nach hinten losgegangen. Die vernünftigen Bürger können nicht auf irgend eine entsprechende Einsicht der verursachenden Militaristen hoffen. Denn für die Rüstungsindustrie und viele Politiker (die ihre Posten sichern konnten, indem sie den Irrsinn mitgespielt haben) ist doch alles bestens gelaufen.