Montag, 29. April 2024
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Badener Lokalzeitung feiert sich für erfolgreiche Denunziation von kritischem Kabarettisten

Badener Lokalzeitung feiert sich für erfolgreiche Denunziation von kritischem Kabarettisten

Politisch nicht linientreu genug – deshalb persona non grata im Ettlinger Kulturbetrieb: Uli Masuth (Foto:Imago)

Wer dachte, die freiheitsfeindliche, obrigkeitshörige Untertanenmentalität sei mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 endgültig überwunden gewesen, sieht sich spätestens seit Corona eines Schlechteren belehrt – und muss ihr Erstarken als gesamtdeutsches Phänomen zur Kenntnis nehmen: Mit atemberaubender Geschwindigkeit wird die Freiheit auf freie Rede und Regierungskritik beseitigt und weicht einer Atmosphäre von Denunziation, Hetze, Angst und Unterdrückung. Es hagelt inzwischen Absagen von Auftritten und Ausladungen angeblich „umstrittener“ Persönlichkeiten – sei es an Universitäten oder bei allen Arten von Kulturveranstaltungen.

Eines der jüngsten Opfer ist der mehrfach ausgezeichnete Weimarer Kabarettist Uli Masuth, der eigentlich am 24. Februar kommenden Jahres in Ettlingen sein aktuelles Programm „Lügen und andere Wahrheiten präsentieren sollte. Bereits Ende Juli wurde Masuth jedoch wieder ausgeladen. Der Grund dafür ist seine Beteiligung an Protesten gegen die Corona-Politik. Masuth hatte in Weimar an Montagsspaziergängen teilgenommen, dabei auch Reden gehalten und war zudem auch noch von der Partei “Die Basis” 2021 als Bundestagskandidat aufgestellt worden. Für das Ettlinger Kulturamt war dieses anscheinend toxische, suspekte und verdächtig oppositionelle Umfeld Grund genug für die Auflösung des Vertrages. Dessen Leiter Christoph Bader erklärte: „In Absprache mit dem Oberbürgermeister haben wir entschieden, den Termin mit Masuth zu canceln“. Er gebrauchte tatsächlich das Verb “canceln“, womit er die “Cancel-Culture” schamlos auf ihre ganz wörtliche Bedeutung herunterbrachte.

Ettlinger Gesinnungshygieniker

Schlimmer noch: Für “Kabarett dieser Art” sei Ettlingen keine Adresse, setzte er fort; deshalb suche man nun einen Ersatz. Masuth habe in der Vergangenheit in Ettlingen erfolgreich auf der Bühne gestanden. Eine Notwendigkeit, sich aktuell erneut mit dem Künstler und seinen Aussagen zu befassen, habe man „daher nicht gesehen“, so der Amtmann schofel-zynisch. Die Reichskulturkammer zu Goebbels Zeiten hätte sicher ihre helle Freude an solchen beflissen-wackeren Behördenvertretern gehabt. Warum man Masuth dann überhaupt eingeladen hat, erläuterte Bader nicht, und ebenso wenig, inwiefern sich Masuths Corona-Proteste auf sein kabarettistisches Programm auswirken und warum es die Aufgabe der Stadt und damit der Politik sein sollte, sich damit auseinanderzusetzen.

Die Erklärung dafür dürfte darin liegen, dass die Gesinnungshygieniker im Ettlinger Rathaus von selbst offenbar gar nicht auf Masuths Corona-Meinungsverbrechen aufmerksam wurden. Mit der gerümpften Nase darauf stieß sie stattdessen ein besonders beflissener Provinzschreiberling der „Badischen Neusten Nachrichten“, der die Ettlinger Rathausbüttel auf Masuths angebliche “Verfehlungen” hinwies und so die Absage an Masuth aktiv forcierte. Befriedigt feierten sich die Kritikaster der Zeitung auch noch für ihre erfolgreiche Verpetzung: “Unsere Redaktion hatte Kulturamtsleiter Christoph Bader wenige Tage nach Erscheinen der ‘Kultur live’-Termine darauf aufmerksam gemacht“, schrieben sie mit merklichem Stolz. Dieser widerliche, rückgrat- und charakterlose Vorgang zeigt einmal mehr, wie weit es mit Streit- und Debattenkultur und vor allem Kunst- und Meinungsfreiheit in diesem Land gekommen ist. Wenn sich Medien als Denunzianten beim Staat andienen, um gegen unbequeme Künstler vorzugehen, und dies auch noch voller Stolz verkünden, ist das Ende der Demokratie zum Greifen nahe. Es manifestiert sich nicht im Erstarken der AfD, sondern im enthemmten Treiben der intoleranten PC-Jakobiner.


HINWEIS DER REDAKTION: Unter der künstlerischen Leitung Uli Masuths findet in Weimar vom 1. bis zum 3. September 2023 erstmals die Veranstaltung “Das Festival – Musik & Wort in Weimar” statt (nähere Infos siehe hier). Wer Uli Masuth und eine Vielzahl musikalischer Interpreten erleben möchte, kommt hier garantiert auf seine Kosten; die musikalischen Beiträge reichen von Klassik über Jazz zu Neuer Musik. Zentrales Anliegen von “Das Festival” ist es laut Masuth, zu einem friedlichen, freundschaftlichen und couragierten Miteinander in Freiheit zurückzufinden. Den Besuchern sollen “Ohren und Augen, Herz und Verstand” geöffnet werden.

15 Antworten

  1. Wenn der Autor schreibt: “… die freiheitsfeindliche, obrigkeitshörige Untertanenmentalität sei mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 endgültig überwunden gewesen …” und damit die DDR meint, so irrt er sich gewaltig.

    Ja, wir im Osten konnten unsere Meinung nicht sagen. Denn die Stasi hatte überall ihre Ohren. Aber wenn jemand meint, dass wir Ossis eine Untertanenmentalität hätten, so irrt sich der ganz gewaltig.

    Oder meint der Autor, dass die Untertanenmentalität für die über 30 % Zustimmung für die AfD hier im Osten verantwortlich ist?

    Im Gegenteil, als ich nach der Wende im Wechselverhältnis Ost-West gearbeitet habe, ist mir in  erschreckender Weise deutlich geworden, wie bräsig und servil zum großen Teil die Wessis sind, nicht alle. Diese Vorstellung vom Wessi hatte ich nicht. Aber das hat sich über die Jahre, auch im privaten Bereich, nur bestätigt.

    Und heute abend gehe ich, wie jeden Montag, zur Demo – nein, aber auch so eine Untertanenmentalität, kein ÖRR-Gossenfunk glotzen und statt dessen zu Demo gehen.

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  2. Es wird Erstaz für Masuth gesucht? Das sollte doch kein Problem sein, bei dem reichhaltigen Repertoire an eilfertigen, regimekonformen Systemfotzen… .

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  3. Die freiheitlichen Werte der alten Bundesrepublik entstanden durch die Anwesenheit der DDR als Negativ Beispiel. Nennt sich Triangulierung.

    Der Untergang der DDR förderte in der alten Bundesrepublik wieder das, wohin Gesellschaften tendieren – den Kollektivismus.

    Der Gesinnungshygieniker ist daher nur eine Folge, wie sie seit Jahrtausenden entsteht.
    Die Inquisition existierte beispielsweise auf dieser Basis mehrere Jahrhunderte.

    Menschen entwickeln sich in Phasen. Nach der Pubertät folgt die Konformität. In ihr bestimmt das Gefühl Zugehörigkeit den Selbstwert. Dazu wird kontinuierlich die in- und out-group als ‘wir’ und ‘die anderen’ definiert – gecancelt.

    Deshalb existieren die Taliban, Nordkorea, DDR 2.0 oder jede x-beliebige Sekte, die sich alle durch definieren der in- und out-group ihren Selbstwert bestimmen.

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  4. “Schlimmer noch: Für “Kabarett dieser Art” sei Ettlingen keine Adresse, setzte er fort; deshalb suche man nun einen Ersatz.”

    Wie wär’s mit der “Distel” aus Ostberlin? Die war und ist zahm (und linientreu).

  5. @BADENER LOKALZEITUNG FEIERT SICH
    na ja – irgendwas muß man ja feiern, und wenn es sonst nichts mehr zu feiern gibt, dann kann man sich wenigstens noch auf die Schulter klopfen, daß man einen fertig gemacht hat, der es besser kann als man selbst !
    @ mehrfach ausgezeichnete
    das kann ich mir vorstellen, das man für solche Leute keinen Platz hat – die geben ein ganz schlechtes Beispiel !
    Dann eher einen, der nichts kann und “kackscheiße” – den linken Schlachtruf – schreit ! Da ist man dann auf ‘Augenhöhe – selbst wenn es nur die Hühneraugen sind !

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  6. Eigentlich müsste man ja froh sein, solch aufmerksame Tugernwachter in den Mauern unserer Stadt zuz haben. Leider überwiegt bei mir aber die Scham ob solch billiges und undemokratisches Verhalten. Das einzig Positive: Sie entlarven sich selbst.

  7. “Wer dachte, die freiheitsfeindliche, obrigkeitshörige Untertanenmentalität sei mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 endgültig überwunden gewesen”

    Er glaubt vor alle auch, die sog. Wiedervereinigung sei durch “Wir, das Volk” erreicht worden. Hahaha, nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Ich empfehle die Bücher von Torsten Mann.

    Apropos Wiedervereinigung: Wiedervereinigung von was? Von zwei Wirtschaftsgebieten, die vorher irgendwann mal eins waren? Aha, welches denn?

    In diesem Land ist wirklich fast alles gelogen, und die sog. Wiedervereinigung ist nur eine Lüge unter Millionen anderen.

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  8. die schlechte Nachrichtist, daß der Kulminationspunkt dieser Hetze,Hass und Vernichtungsstrategie noch nicht erreicht ist.Auch wenn es kurz davor steht. Immerhin wurde ja vereinzelt schon nach Lagern für anders denkende u handelnde gerufen.
    die gute Nachricht ist, solche Regime haben nie relativ lange überlebt.

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  9. Die unerträglichen, verfassungswidrigen Bevormundeungen nehmen immer mehr zu!

    Die Zeiten von Toleranz und Gelassenheit passen einfach nicht mehr in die heutige staatliche, staatsnahe und mediale Übergriffigkeit.
    Heute muss jeder mündige Bürger aus eigener Kraft und stetig gegen den Mainstream schwimmen.

    Wann feiern wir endlich den “Tag der deutschen Verfassungslosigkeit”? – Weit hin kann es ja nicht mehr sein! – Genug Festredner gäbe es allemal!

  10. Traurig ist nicht, daß die Journaille den Künstler in ein schlechtes Licht setzt, denn von der ist man nichts anderes gewöhnt. Bedauerlich daran ist, daß die Stadt davor in die Knie geht.
    Wer Uli Masuth und weitere nicht speichelleckende und schleimende Künstler erleben möchte, komme zwischen dem 1. und 3. September nach Weimar.
    https://dasfestival.eu

  11. Aber wie heißt es doch: ” Der größte Lump im ganzen Land, ist der Denunziant” Die Wühlmäuse, waren in der DDR trotzdem oder gerade wegen der Obrigkeit zu sehen zu hören. Von der Obrigkeit nicht gern, aber es war nicht verboten, wenn auch manches zwischen den Zeilen, aber die Mehrheit der DDR Bürger verstanden!

  12. Die Provinz (Karlsruhe und Umgebung) ist leider auch nicht besser. Engstirnigkeit und mangelndes Denkvermögen sind überall.