Langsam reicht es auch Berlin mit mir. Nach dem dritten Tag erfolglosen Aufbrechens in Richtung Süden wegen fortgesetzten Verschlafens heißt es nun Abschied nehmen. Wenn Sie diesen Text lesen, ist die Chance hoch, dass ich gerade im Zug irgendwo zwischen dem schönsten Bahnhof der Welt, Kassel-Wilhelmshöhe, und Nürnberg bin. Aber Wetten würde ich darauf nicht abschließen. Denn es ist nur auf den ersten Blick eine gute Idee, einfach gar nicht zu gehen, wenn man Probleme mit dem Abschiednehmen hat. Nur so als Tipp für die Zukunft an die Leserschaft.
Berlin ist ähnlich wie ich und deshalb verstehen wir uns auch so gut: Eine liebevolle Zumutung, eine wortstarke Vollkatastrophe. Eine Studie in Orientierungslosigkeit, ein humorvoller Tritt ins Skrotum. Immer leicht einen sitzen, manchmal auch schwer. Berlin gibt sich keine Mühe, aber gar keine. In gar nichts. Aber der Späti kennt nun meinen Vornamen. Service ist hier nur manchmal zu erwarten, dafür der in Stein gemeißelte Preis von 1,50 Euro für ein Berliner Pilsener beim Kiosk.
Kinderfeindliche Ideologie
Berlin schreibt keine Geschichten. Berlin lässt Geschichtsbücher schreiben. Im Schlechten wie im sehr Schlechten. Die Hauptstadt ist das viel zitierte Brennglas, das Gegenwart produziert, die woanders noch Zukunft ist. Wenn ein Mädchen von zehn Jahren ihr Kopftuch nur deswegen trägt, weil ein Mann in der gleichen Wohnung ist, wo sonst nur Frauen sind, dann reden wir von dem Patriarchat, was linksgrün ansonsten zu jeder Gelegenheit als Endgegner erkoren hat. Nur nicht, wenn es um den Islam geht.
Was ist das für ein grauenhaftes Menschenbild, wenn jeder Mann ein potenzieller Pädophiler ist, der beim Anblick eines Kindes seine Contenance verliert? Hinter dieser kinderfeindlichen Maßnahme steckt eine Familie, die dem Kind eintrichtert, es sei ein sexuelles Objekt. Dabei ist es völlig egal, dass der Mann, der da arglos im anderen Raum schläft, weil randvoll, schwul ist. Mann bleibt Mann. Und so muss die Frau sich vor der erfundenen Gefahr verhüllen.
Das nächste Mal gehe ich pünktlich. Vielleicht.
Und so ist mein „Fuck Hamas“-Aufkleber auf meinem iPad hier in Berlin ein echter Hingucker. Aber nicht so einer wie eine Frau, die ihr wohlgepflegtes Dekolleté zur Schau stellt. Eher wie ein Mann, der sich als Frau verkleidet und sich dabei gar keine Mühe gibt. Diese Stadt ist nichts für mich und ich bin auch nichts für diese Stadt. Kommen werde ich wieder, natürlich erscheine ich dann auch. Hier pulsiert der Puls in Richtung Kammerflimmern. Noch kann ich den Takt halten wie ein Dirigent. Noch.
„Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen“ sang einst die Knef. Das ist doch sehr nett formuliert. Ich finde eher, dass Berlin geschädigt ist von seiner selbstverschuldeten Lobotomie. Für den Berliner ist die Fahrt von Pankow nach Weißensee eine Weltreise. Für mich ist Berlin näher als Nürnberg. Weil wir uns so ähnlich sind und die Frankenmetropole so fremd ist. Wenn die Zumutung zum Standard wird und das Chaos zum System, dann sind Sie sicherlich in der deutschen Hauptstadt. Machen Sie es gut, Herr Berlin! Sie haben sich das „Sie“ redlich verdient. Nicht, weil Sie so höflich sind, sondern weil ich dadurch Distanz wahre. Wir sehen uns wieder, keine Frage. Vielleicht sind Sie mich dann auch pünktlich los.
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6 Antworten
War auch mal in Berlin.
Am schönsten war für mich der Markt hinter dem Ostbahnhof mit den Imbissbuden.
Ist fast 20 Jahre her.
Die Dummtrottel, die in der Türkei zu Discounter Preis Urlaub machen finden das alles super Toll und sind überwältigt von den herzlichen und freundlichen Menschen. Es ist doch ein lebensfrohes Volk, das die deutschen Touristen schätzt und hinten herum hauptsächlich Deutschen Trotteln in den fetten Arsch tritt. …. verdammt, mir kommt schon wieder das kotzen.
Deutschland ist eben im freien Zerfall – und da ist Berlin leider allgegenwärtig. Wenn es aber ein kleiner Trost ist: Auch hier bei uns im „Speckgürtel“ ist das Gros der Michelbirnen schon blöder wie die unverzichtbaren Wüstenimporte. Ich hoffe, es hilft wenigstens ein bisschen über den Tag…
Koch Dir das Drecksloch sauer.
Liest sich wie eine Art poetisches Stockholmsyndrom.
Die Deutschen haben keine Hauptstadt, sie haben ja nichtmal ein Land. Für mich als Abstammungsdeutsche war Berlin noch nie meine Hauptstadt, eher eine Kloake in die das Abwasser der ganzen restlichen Welt fliesst.
Und mittendrin auf diesem riesigen Hundehaufen, thront der Olymp der Wählerschaft. Ich fand es schon immer faszinierend, wie wohl sich unsere sogenannte Regierung inmitten des Gestankes von Dreck, Blut und Gewalt fühlt. Wie Schweine suhlen sie sich darin und Berlin ist diese Suhle.
Und für mich – ungarischer Student in Ostberlin in den Siebzigern – war alles schön. Berlin hatte einen Hauch, Hauch der Vergangenheit. Ich war in Nazibunkern, welche damals als Teppichlager benutzt waren. Nur dass ich mich damals nicht für Geschichte interessierte. Und wenn ich woanders studiert hätte, dann würde ich jetzt wahrscheinlich für eine andere Stadt schwärmen.