
Wer „demokratischer Faschismus“ sagt, koppelt einen politisch-moralischen Totschlagbegriff mit dem Namen jenes Ordnungsprinzips, das Faschismus historisch und begrifflich überwinden wollte: der Demokratie. Das Resultat ist keine analytische Präzisierung, sondern eine rhetorische Nebelgranate. Logisch ist es ein Widerspruch in sich: Faschismus setzt die Ausschaltung pluralistischer Verfahren, das Primat der Bewegung über Recht, Gewalt- und Führerkult sowie die Negation individueller Freiheitsrechte voraus; Demokratie lebt von Rechtsbindung, Gewaltenteilung, Opposition und Machtwechsel. Beides zugleich zu behaupten heißt: Begriffe entkernen, bis sie jeden treffen und niemanden erklären. Es ist aufschlussreich, dass der Ausdruck nicht am Rande, sondern mitten im Feuilleton- und Wissenschaftsbetrieb kursiert. In einem “Spiegel”-Gespräch mit den Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey anlässlich ihres 2025 erschienenen Buches „Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus“ wird diese Formel aktuell als „komplizierte, in sich widersprüchliche Formulierung“ ausdrücklich verteidigt, um ein gegenwärtiges Stimmungsbild zu fassen – „sie trifft die Realität, weil auch die Realität widersprüchlich ist“. So versucht man, das Oxymoron zur Methode zu adeln. Wer so argumentiert, verabschiedet sich jedoch vom definitorischen Kern des Faschismus und macht aus einem klar umrissenen historischen Phänomen ein dehnbares Gegenwartsgefühl.
Damit ist der Boden bereitet für das, was der Autor dieses Textes im “Tumult”-Blog kürzlich als „kulturpolitische Begriffsverwahrlosung“ beschrieben hat: Der Faschismus wird nicht analysiert, sondern instrumentalisiert – als moralisch aufgeladener Joker, der Pop- und Techstars, politische Gegner und schließlich den missliebigen Nachbarn gleichermaßen trifft. Es sei daran erinnert, dass schon George Orwell den Alltagsgebrauch des Wortes als Beleidigung diagnostizierte – wer alles Faschismus nennt, meint am Ende: nichts. Genau diese Entkernung erleben wir heute erneut.
Vom Begriff zur Keule
Die Verschiebung vom präzisen Begriff zur polemischen Keule ist kein akademisches Detail, sondern politisch folgenschwer. Einmal gelöst von Institutionenzerstörung, Führerstaat, Parteimiliz und systematischer Gewalt, genügt ein Stil, ein Affekt, eine „falsche” Tonart, um den Faschismusverdacht zu erregen – das erleichtert Stigmatisierung und erschwert Debatte. Die “Tumult”-Analyse zeigte, wie sich der Pop-Diskurs mit Politik kurzschließt: Künstler werden über ästhetische Codes politisch sortiert; wer nicht mitspielt, gilt als „Fall für den Verfassungsschutz“. Das ist nicht Aufklärung, sondern Pädagogisierung der Öffentlichkeit – und sie wirkt einschüchternd. Die gleiche Rhetorik sickert in den politischen Alltag. Wenn ein Großteil der eigenen Landsleute als latent „faschistisch“ adressiert wird – weil sie „die wahren Demokraten“ sein wollen, weil sie Reformverzögerung beklagen, weil sie auf Ordnung dringen –, dann delegitimiert man Opposition im Kern. Der Schritt vom Gegner zum Feind ist klein, die Versuchung, gegen ihn „außerordentliche“ Mittel zu rechtfertigen, groß: auf “Indymedia“ tauchte kurz nach dem Anschlag ein Bekennerschreiben der Antifa aufgetaucht, wonach das verheerende Feuer, das das Jagdschloss Thiergarten von Gloria von Thurn und Taxisnahe nahe Regensburg zerstörte, eine „Warnung“ gegen die politische Haltung der Fürstin sei: „Wenn du nicht aufhörst mit deiner menschenverachtenden Hetze, brennt das nächste Mal nicht nur dein Golfclub.“ Wer die Demokratie schützen will, sollte genau davor warnen – nicht vor einem Schreckgespenst, das man mit einem paradoxen Etikett an jede missliebige Position klebt.
Wozu dient ein Begriff wie „demokratischer Faschismus“? Er verschafft zunächst moralische Oberhand, indem die eigene Position als Verteidigung der Demokratie erscheint, während die andere zum inneren Feind stilisiert wird; er ersetzt Begründung durch Pathos, indem der Großbegriff dort Empörung liefert, wo Analyse mühsam wäre; und er hebt Grenzlinien zwischen hartem Autoritarismus und konservativer Kritik auf, indem bürgerliche Opposition per Assoziation ins Zwielicht gerückt wird. Dass Zeitdiagnostiker den Widerspruch explizit in Kauf nehmen, ist da kein Zufall, sondern Funktion: Widerspruch wird zur Tugend stilisiert, um Begriffe elastisch zu halten. Man beachte, wie solche Elastizität auch anderswo Sprachpolitik betreibt. Wenn im selben Atemzug ein sozialstaatliches Instrument zur „Chiffre“ eines grundsätzlich ungerechten Systems erklärt wird, zeigt sich, wie politische Sprache Bedeutungen verschiebt, um Stimmungen zu kanalisieren. Wer Begriffe in Chiffren verwandelt, betreibt Deutungshoheit – nicht selten gegen die Wirklichkeit. Zugleich produziert der Staat selbst neue Definitionsmacht: Wenn politisch aufgeladene Ausdrücke wie „Femizid“ in amtliche Vokabularien überführt werden sollen, mag das statistisch sinnvoll scheinen; tatsächlich aber verwischt es die Grenze zwischen Beschrei-bung und politischer Markierung.
Historische Maßstäbe statt Gegenwartsmetaphorik
Wer den Begriff fasst, muss an den Maßstäben festhalten. Historischer Faschismus bedeutete Gewalt als Politikform, Militarismus, Expansion, Abschaffung parlamentarischer Verfahren, Gleichschaltung gesellschaftlicher Sphären und Führerprinzip – kurz: die Totalisierung der Politik. Dass wir heute (glücklicherweise) andere gesellschaftliche Voraussetzungen haben – keine Weltwirtschaftskrise, keine Massenmilitarisierung, eine breite demokratische Kultur –, wird in denselben Debatten selbst eingeräumt. Genau deshalb taugt die Faschismusmetapher nicht als Generaldiagnose unserer liberalen Demokratien. Wer Demokratie schützend „unter Strom“ setzt, indem er mit Superlativen hantiert, rutscht in eine Moralisierung hinein, die ihrerseits illiberal wirkt – von der Kulturpolitik über Medienkampagnen bis zu kommunalen Konflikten. Aus dem Antifaschismus wird, wenn er jede Kontroverse faschismustheoretisch auflädt, eine Pädagogik der Konformität. Das ist das Gegenteil jenes offenen, streitfähigen Gemeinwesens, das man zu verteidigen vorgibt.
Wer oppositionelle Stimmen oder konservative Reformagenda semantisch mit dem äußersten Rand verklammert, beschädigt die demokratische Grammatik, weil Opposition ihren Status als legitime Alternative verliert, weil die Grenze zwischen gewöhnlicher Auseinandersetzung und dem tatsächlich Extremistischen verwischt und damit die Sprache für das wirklich Schlimme verarmt, und weil die Dauerempörung die Lager auseinander treibt, politische Gegner moralisch enteignet und so wechselseitige Radikalisierung begünstigt.
Plädoyer für begriffliche Hygiene
Die Debatte über Sozialpolitik zeigt das exemplarisch. Sie ist hart, sie darf hart sein – aber sie bleibt demokratisch, solange unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen, Sanktionslogiken und Haushaltsprioritäten ringen, ohne dass man dem anderen das demokratische Bürgerrecht abspricht. Genau dort entscheidet sich der Unterschied zwischen Konflikt und Kampfmythos. Ein rechtskonservativer Realismus hält sich an drei Grundsätze und formuliert sie ohne jede Schlagwort-Inflation als nüchterne Praxis: Er bindet Begriffe, statt sie aufzublähen, und beharrt darauf, dass „Faschismus“ Totalitarismus, Gewaltregime und Rechtsstaatsvernichtung bezeichnet – wer anderes meint, soll andere Worte wählen; er achtet den Gegner und schützt die Verfahren, erlaubt harte Urteile, entzieht aber dem politischen Konkurrenten nie den Bürgerstatus und antwortet auf Entgleisungen nicht mit der bequemen Etikettierung zum „demokratischen Faschisten“, sondern mit dem beharrlichen Rückgriff auf Regeln, Evidenzen und Zuständigkeiten; und er entdramatisiert den Kulturkampf, verwechselt Freiheit nicht mit Gesinnungspolizei und weiß, dass die Freiheit der Kunst, der Forschung und der Rede die beste Schule gegen autoritäre Versuchungen bleibt – das gilt für alle Seiten und gerade dort, wo ritualisierte Ausgren-zung demokratisch gewählter Opposition antipluralistisch wirkt.
Eine “brave Studie, die auf den Applaus des Zielpublikums aus ist”, erkennt Christian Marty in der “Neuen Zürcher Zeitung”. “Man will es denen recht machen, auf deren Zustimmung man hofft, und dabei auch irgendwie nützlich sein. Ein Buch, das daraus resultiert, bewegt sich, wie Max Weber sagen würde, auf dem ’Niveau eines Teetisches’”. Der Begriff „demokratischer Faschismus“ erklärt nichts, aber rechtfertigt vieles – vor allem das gute Gewissen derer, die ihn benutzen. Er ist ein Zauberwort, das Widerspruch in Wahrheit verwandeln soll. Eine Demokratie, die bei Trost ist, verzichtet auf solche falsche Magie. Sie setzt auf begriffliche Hygiene, harte Argumente, offene Verfahren – und auf das Selbstbewusstsein, dass Opposition und Kritik keine Vorstufen des Bösen, sondern das Salz der Ordnung sind.
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5 Antworten
https://www.bild.de/politik/inland/geheime-afd-klausur-der-cdu-merz-will-mit-neuer-strategie-punkten-68f4d866e848f25b0682ef82
20.10.2025
Bundeskanzler Friedrich Merz (69, CDU) am Sonntag im Berliner Grunewald
Hans-Jörg Vehlewald
PeterTiede
„Merz will mit neuer Strategie punkten
Aktionsplan der CDU: Es geht um die Sicherheit
▶︎ Sicherheit und Abwehr hybrider Angriffe, vor allem aus Wladimir Putins Russland. Dazu soll auch das Bundespolizeigesetz verschärft werden, damit Sicherheitsbehörden effektiver gegen Cyber-Attacken, Spionage, Sabotage und Drohnenangriffe vorgehen können.
▶︎ Ein „Pakt für Bevölkerungsschutz“ soll den Deutschen das Gefühl geben, im Falle eines Angriffs dem Feind nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Vorschläge reichen von Zivilschutz (mehr Bunker) bis zu besserer Notfall-Versorgung (Vorratshaltung für den Ernstfall). Neuerungen sollen vor allem in Abstimmung mit den Bundesländern geplant werden.
▶︎ Bessere Vernetzung der Geheimdienste. Statt den Diensten (BND, MAD, Bundesamt für Verfassungsschutz) immer höhere Hürden in den Weg zu stellen (Datenschutz, Abhörverbote), soll der Informationsfluss zwischen Geheimdiensten und anderen Behörden (Bund, Länder, Kommunen) erleichtert und beschleunigt werden.“
Damit will er und seine Abnicker die AfD aufhalten oder gar halbieren?
Es kommt mehr als nur ein mitleidiges schmunzeln auf.
Insbes. der letzte Punkt (Absatz) bedeutet wieder nur weitere, forcierte Bürger- Einschränkungen und deren Überwachung !
Was will man schon von einem Kanzler 2. Wahl erwarten?
Hmmmm,
Wenn ich richtig informiert bin, stammt das, was die Leute für die „moderne Definition“ des Begriffs Faschismus halten von Leo Trotzkys Kommintern und ist ziemlich genau 100 Jahre alt. Und diese Definition für Faschismus lautet: Ausnahmslos jeder politische Gegner ist ein Faschist!
Deshalb hat Thälmanns KPD in ihrer Propaganda auch die SPD immer als Sozialfaschisten bezeichnet.
Diese Faschismusinflation ist meiner Meinung nach keine Dusseligkeit, sondern Methode: Es werden einem Begriffe solange um die Ohren ghauen und sukkzessive verändert, bis die ursprünglich Bedeutung nahezu vergessen ist und der Begriff mit beliebigem Inhalt gefüllt werden kann.
Ein weiteres Beispiel für ein Wort, mit dem so verfahren wurde ist „Nachhaltigkeit“. Damit war mal gemeint bei der Entwicklung von Produkten auf verantwortungsvollen Umgang mit Resourcen und auf Langlebigkeit zu achten. Inzwischen ist eine weggeworfene Cola-Dose nachhaltig, wenn der CEO von Coca-Cola schwul ist.
Wenn das jemand kritisiert, wird kurzzeitig auf die alte Begriffsdefinition zurückgegriffen und man kann mit Totschlagargumenten den Kritiker dieffamieren – „Ahja, der will seinen Müll in den Wald werfen!“ Oder im Fall des Faschismus will der eben eine totalitäre Diktatur mit Führerkult.
Wenn man konsequent so verfährt kann man irgendwann Konformität „Vielfalt“ nennen oder die Opposition gegen die „Vielfalt“ nennt man dann „Faschismus“.
Oder man erfindet gleich ganz neue Begriffe, die jeder falsch verstehen muß, wie die berühmte „Zivilgesellschaft“.
Diese Leute sind einfach gut darin Sprache als Werkzeug zu benutzen.
Wie sagte schon Walter Ulbricht: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben!“ 2030: Waisenhausplatz in Pforzheim wird Roter Platz! Direkt neben dem CCP…
…..Die Verschiebung vom präzisen Begriff zur polemischen Keule ist kein akademisches Detail, sondern politisch folgenschwer. Einmal gelöst von Institutionenzerstörung, Führerstaat, Parteimiliz und systematischer Gewalt, genügt ein Stil, ein Affekt, eine „falsche” Tonart, um den Faschismusverdacht zu erregen – das erleichtert Stigmatisierung und erschwert Debatte. ….
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Aber genauso politisch gewollt, frei nach dem Motto „Dummheit (Verblödung) siegt“.
Doch:
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„Die Zahlen sagen was anderes!“ // Moderatorin lässt Union-Politiker richtig blöd aussehen.
In einem aktuellen Interview zeigte sich ein CDU-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern erstaunlich selbstsicher – fast schon arrogant.
Trotz 13 Prozent in den Umfragen und einer starken AfD mit rund 38 Prozent sprach er davon, „regieren zu wollen“.
Seine Aussagen wirkten dabei wie aus einer anderen Realität: Statt sich mit den Gründen für den Absturz der eigenen Partei auseinanderzusetzen, klangen seine Worte nach Selbstzufriedenheit und Realitätsverweigerung.
Ein Auftritt, der zeigt, wie weit manche Vertreter der Altparteien mittlerweile von der Stimmung im Land entfernt sind. (text YT)
…!!
Selenskij lehnt Abtretung von Gebieten im Rahmen von Trumps Friedensplan ab
https://rtde.press/europa/259401-selenskij-lehnt-abtretung-von-gebieten/
Aachen: Ukrainer-Verein verurteilt Aktion für Frieden mit Russland
Auf acht großen Werbetafeln warben Friedensaktivisten in Aachen mit dem Slogan: „Frieden in Europa ist nur mit Russland möglich und nicht gegen Russland.“ Der Verein „Ukrainer in Aachen“ forderte die Aachener Stadtverwaltung und alle Bürger auf, diese Aktion öffentlich zu verurteilen.
https://rtde.press/inland/259385-ukrainerverein-in-aachen-friedensplakataktion-ist/