Die journalistischen Krampfanfälle des „Spiegel“-Chefredakteurs Dirk Kurbjuweit

Die journalistischen Krampfanfälle des „Spiegel“-Chefredakteurs Dirk Kurbjuweit

Schreibt sich mal wieder um Kopf und Kragen: „Spiegel“-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit (Foto:Imago)

Dirk Kurbjuweit, Chefredakteur des “Spiegel”, sieht sich auf einer historischen Mission. Erst kürzlich hatte er über den 20. Januar, den Tag der Amtseinführung Trumps, geschrieben: „Vielleicht gilt er eines Tages als der letzte Tag einer alten Welt.“ Nun legt er in einem Essay nach. Er sieht die „Demokratie in der Defensive“ – und verfasste „Elf Regeln im Kampf gegen das Autoritäre“. Mit historischen Zäsuren hat der “Spiegel” übrigens kein glückliches Händchen; gerade erst sah er die wahre Bedeutung der Anschläge des 11. September 2001 eben nicht in den rund 3.000 Todesopfern: „Die Perfidie und das Ausmaß dieser Attacke hat die Islamfeindlichkeit massiv befördert, die Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger gegen muslimische Immigranten – Themen, die bis heute Wahlen in westlichen Ländern beeinflussen.“ Nun, diese Skepsis ließe sich wohl am ehesten bekämpfen, wenn die islamischen Verbände sich eindeutig von Gewalt distanzieren würden. Doch das tun sie eben nicht.

In der Titel-Collage des “Spiegel” ist Donald Trump mit wütender Mine und offenem Mund zu sehen und erscheint für den Leser daher umso bedrohlicher. Xi Jinping und Wladimir Putin hingegen sehen geradezu entspannt aus, obwohl es sich bei beiden unzweifelhaft um Diktatoren handelt. Und womit steigt er ein? Natürlich! Mit dem angeblichen Hitlergruß des Elon Musk. Im Zweifel für den Angeklagten gilt eben nicht mehr, „wenn die liberale Demokratie so heftig attackiert wird wie lange nicht mehr.“ Auch meinte Kurbjuweit, Trump könne „sich offenbar vorstellen, Grönland und den Panamakanal mithilfe des Militärs unter US-Herrschaft zu zwingen.“ Nun denn, in vier Jahren wird sich zeigen, ob er mit dieser Prognose Recht behalten hat.

Riesige Krise

Mittlerweile gäbe es wieder einen globalen „Regime Change“. Damit meint er aber nicht die USA, die ohne Erfolg dem Irak und Afghanistan die Demokratie bringen wollten, sondern Russland und China, die die Demokratie international aushöhlen. Dass dies eine Bedrohung darstellt, daran kann kein Zweifel bestehen. Mehrere Rankings von Politologen und Think Tanks erstellen demokratische „Scores“, also eine Punktzahl für den Zustand einer Demokratie. Diese Scores stiegen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an und erlebten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nochmals einen Aufschwung. Etwa in den 2000ern wendete sich jedoch das Blatt: Nach den Rankings stagnieren die Scores entweder oder sinken schlimmstenfalls sogar.

Das ist eine riesige Krise. Leider wissen die westlichen Demokratien dem nichts entgegenzusetzen. Mittlerweile sind sie weder militärisch noch ökonomisch als Gegengewicht ernst zu nehmen. Sie könnten einzig und allein mit gutem Vorbild vorangehen. Aber genau das tun sie nicht. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz beispielsweise, das die freie Meinungsäußerung in den sozialen Netzwerken unterbinden soll, wurde von mehreren autoritären Staaten weltweit als Blaupause für eigene Zensurgesetze genutzt. Aktuell steht zur Debatte, die AfD zu verbieten. Doch eine Demokratie ist zwingend auf eine Oppositionspartei angewiesen. Würde Deutschland wirklich die Opposition mit einem Federstrich abschaffen, könnte es auf der internationalen Ebene nicht mehr glaubwürdig Staaten entgegentreten, in denen die Oppositionsparteien zwar drangsaliert werden, aber eben nicht verboten sind.

Weiße Gutmenschen

Mit dem Aufkommen der Massenmedien verfolgt das Ausland übrigens ganz genau, was in Deutschland geschieht. Warum sollte ein Chinese, der in einer Diktatur lebt, die aber für Wohlstand sorgt, je auf den Gedanken kommen, die Demokratie sei ein überlegenes System, wenn er sieht, dass es in Deutschland zwar mehrere Parteien, aber nur einen möglichen Regierungskurs gibt? In China jedenfalls werden Kriminelle inhaftiert, während so mancher Syrer keine Abschiebung, sondern oft nur eine Bewährungsstrafe fürchten muss – selbst für gravierende Taten wie Vergewaltigungen. Auch der Genderwahnsinn wird im Ausland äußerst kritisch beobachtet. Nicht umsonst gibt es in China das Schimpfwort „Baizuo“, das etwa so viel wie „weißer Gutmensch“ bedeutet.

Kurbjuweit weiter: „Rassismus, wie er auch in der AfD und FPÖ weit verbreitet ist, fußt ebenfalls auf dem eingebildeten Recht des Stärkeren. Man glaubt in diesen Kreisen, Teil einer besseren Ethnie zu sein, verachtet und verfolgt deshalb andere. ‚Remigration‘ steht bei der AfD im Wahlprogramm, die Ausweisung von Migranten, auch wenn sie legal in Deutschland leben.“ Nun, wenn man Deutsche und Afghanen vergleicht, zum Beispiel bei der Zahl der Gewaltakte, der sexuellen Übergriffe, der Arbeitslosigkeit und des Bildungserfolgs, dann könnte man tatsächlich auf die Idee kommen, dass die Deutschen die bessere Ethnie sind. Und dass jemand „legal“ in Deutschland lebt, bedeutet nicht, dass er keine illegalen Taten verübt. Viele der Messermörder der letzten Jahre lebten jedenfalls legal in Deutschland.

Autoritäre Neigungen

Und wie so oft blendet Kurbjuweit aus, dass es eben auch viele Ausländer, neudeutsch: “people of color”, in der AfD gibt. 2018 hatte sich der “Spiegel” noch erdreistet zu schreiben: „Alle 92 Bundestagsmitglieder der AfD sind weiß.“ Hat ja da jemand etwa Harald Weyel vergessen? Weiterhin stört sich Kurbjuweit an der jüngsten Machtverschiebung in den sozialen Netzwerken: „Einige Plattformen sind in den Händen von Unternehmern, die autoritäre Neigungen zeigen. Donald Trump besitzt Truth Social, Elon Musk kontrolliert X, ehemals Twitter, Mark Zuckerberg, der über Facebook, Instagram und WhatsApp verfügt, hat zuletzt einen Kotau vor Trump gemacht. TikTok gehört einem chinesischen Unternehmen und bald vielleicht Musk.

Dass Kurbjuweit auch Trumps Netzwerk erwähnt, versteht sich von selbst. Gerechtfertigt ist dies allerdings nicht. Truth Social hat etwa zwei Millionen Nutzer, Marktführer Facebook hingegen über zwei Milliarden. Selbst wenn wir annehmen, dass erstere Nutzer stärker in den USA konzentriert leben, fallen sie statistisch einfach nicht ins Gewicht. Auch wird nicht ersichtlich, warum ein Erwerb der chinesisch kontrollierten App Tik Tok durch Elon Musk eine Bedrohung darstellen sollte. Man kann bei ihm eine autoritäre Neigung allenfalls vermuten; an der autoritären Neigung Chinas jedoch besteht kein Zweifel. Kurbjuweit weiter: „Wenn Zuckerberg das professionelle Fact-Checking in seinen sozialen Netzwerken abschaltet, werden die Ruchlosesten und Lautesten den Diskurs noch stärker bestimmen, werden andere einschüchtern und zum Verstummen bringen. Dann herrschen endgültig die Trolle über die Meinungsbildung.

Den “Faktencheckern” nachtrauern

Eigentlich sollte man sich freuen, wenn “Fact-Checker” abgeschaltet werden. Denn wer kann schon objektiv bestimmen, ob eine Aussage falsch ist oder nicht? Nicht umsonst warnte George Orwell vor einem Wahrheitsministerium. „Wenn all diese ihre Algorithmen so einstellen, dass ihre eigenen Positionen begünstigt werden, hat das autoritäre Lager einen immensen Vorteil im epischen Kampf der Systeme.“ Hier sieht Kurbjuweit den Splitter im eigenen Auge nicht. Denn von den Volontären der “Tagesschau” ist bekannt, dass diese zu 92 Prozent linksgrün wählen – und dieser Wert dürfte beim “Spiegel” wohl kaum anders aussehen. Generell hat auch das selbsternannte demokratische Lager im gesamten Westen durch den journalistischen Linksdrall einen immensen Vorteil. Im Übrigen lautet der aktuelle linke Vorwurf nicht, dass die sozialen Netzwerke nun linke Ansichten zensieren würden (rechte wurden jedenfalls noch bis vor kurzer Zeit zensiert!), sondern dass linke und rechte Ansichten nun gleichberechtigt existieren dürfen. Das zeigt, wie wenig selbstsicher die Linken in ihren Meinungen sind. Sie fürchten, dass der Normalbürger sich eben doch von den besseren Argumente umstimmen lässt. Der Rechte hingegen fürchtet zu Recht, zensiert zu werden – aber er fürchtet eben nicht, ein linkes Argument zu hören.

Sie behaupten, als einzig wahre Demokraten für ‚das Volk‘ zu sprechen und zu handeln, offenkundig eine Lüge, da ‚das Volk‘ heterogen ist und nicht von einer Partei vertreten werden kann.“ Tatsächlich ist das Volk aber homogener als gedacht und tatsächlich sind die Rechten der weitaus bessere Anwalt der Bürger. Zwar wählen nur relativ wenige Deutsche die AfD, aber die meisten Deutschen stimmen in den meisten Punkten mit ihr überein. Angst vor den Folgen der Migration, Verwunderung über die Auswüchse der Genderideologie und Skepsis gegenüber der Energiewende hegen eine klare Mehrheit der Deutschen.

Selektive Kritik

Man kann das Gestern und das Heute nicht gleichsetzen, aber wenn in Österreich die konservative ÖVP mit der FPÖ über eine Koalition verhandelt, weckt das ungute Erinnerungen.“ Natürlich denkt Kurbjuweit da ganz von allein an 1933. Aber etwas rationaler betrachtet sollten einem eher die Jahre 2000 und 2017 einfallen. Damals hatten ÖVP und FPÖ miteinander koaliert. Das dauerte im ersten Fall etwas länger als zwei Jahre und in zweiten Fall etwas weniger als zwei Jahre. 2002 zerbrach die Koalition nach internem Streit in der FPÖ. 2019 trat Vizekanzler Heinz-Christian Strache zurück, weil er mit einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte über Staatsaufträge und Medienbeteiligungen verhandelt hatte – doch die brisanten Gespräche waren eine Falle, um der FPÖ zu schaden. Man darf nach dieser jämmerlichen Bilanz also getrost davon ausgehen, dass ein möglicher Bundeskanzler Herbert Kickl keine KZs eröffnen wird.

Zudem wurde meist nur eine mögliche Beteiligung Straches an der “Kronen-Zeitung”, der österreichischen “Bild”, kritisiert. Dass Rene Benko, der aktuell wegen des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung und Geldwäsche in Untersuchungshaft sitzt, große Anteile erwarb, obwohl er den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz auf seiner Yacht urlauben ließ, sorgte für nicht ganz so große Schlagzeilen.

Beschimpfen aller Abweichler

In den vergangenen Jahren hat sich im linken Spektrum eine Diskursradikalität ausgeprägt, die teilweise ins Autoritäre lappt. Dafür steht das Wort Cancel-Culture: Dies und jenes dürfe nicht gesagt werden, und wer es trotzdem sagt, wird an den Pranger gestellt. Wer irreguläre Zuwanderung für problematisch hält, kann sich leicht den Vorwurf einhandeln, ein Rassist zu sein. Wer nicht gendern will, wird mitunter als Frauenfeind beschimpft. Wer auf getrennten Toiletten besteht, setzt sich dem Verdacht aus, transphob zu sein. Wenn schon Skeptiker gegenüber irregulärer Zuwanderung als Rassisten beschimpft werden, ist der wahre Rassist fein raus.“ Wer wollte Kurbjuweit in diesen Aussagen widersprechen? Eigentlich hätte er dafür den größten Applaus verdient; allein: Kurbjuweit ist nun einmal Chefredakteur des “Spiegel” und hat damit – theoretisch zumindest – hierzulande mehr Macht als so mancher Bundesminister. Solange er seinen Worten keine Taten folgen lässt, sind sie wertlos.

Denn der “Spiegel” beschimpft jeden Abweichler von der reinen Lehre als rassistisch oder transphob. So hieß zum Beispiel Boris Palmer der „Grüne Rassist“, und “Harry-Potter”-Autorin J.K. Rowling war nicht einfach nur transphob, sondern gleich ein “Dementor” (ein Dämon aus der von ihr entworfenen Phantasiewelt). Wie der “Spiegel” sich in der Toiletten-Debatte positioniert, konnte man erst vor wenigen Wochen sehen, als erstmals ein transsexueller Mann, nämlich Sarah McBride, in den US-Kongress einzog. Dass der Spiegel auf Seiten der Cancel-Culture steht, ist offensichtlich. Oder hat er sich jemals explizit gegen die Entlassung von missliebigen Personen geäußert?

Gewalt gegen Andersdenkende: Dem “Spiegel” gefällt das

Das einstige „Sturmgeschütz der Demokratie“ begrüßt heute Gewalt gegen Andersdenkende. Die Kolumnisten Margarete Stokowski, Sibylle Berg, Samira el Ouassil und Sascha Lobo unterstützen die Antifa und das zum Teil mit drastischen Worten. So schrieb Stokowski unter dem Titel „Es kann gar nicht genug Antifa geben“: „Antifaschismus muss Alltag werden“, und: „Antifa bleibt Handarbeit!“. Sie legte noch nach: „Widerstand gegen Rechtsradikale muss radikal sein, es geht nicht anders.“ Ihre Kollegin Sibylle Berg stimmte ein: „Die Zeit des Redens ist vorbei.“ Die Antifa würde „Faschisten mit dem einzigen Argument begegnen, das Rechte verstehen.

Nicht jeder von Kurbjuweits elf Punkten verdient eine gesonderte Erwiderung, daher nur in aller Kürze: „Beileibe nicht jeder, der erwägt, die AfD zu wählen, ist ein Rechtsextremist. Es lohnt sich, ins Gespräch zu gehen, Menschen davon zu überzeugen, dass diese Partei Unheil anrichten wird.“ Auch wenn Kurbjuweit an den Dialog zu glauben scheint: Seine Untergebenen tun dies nicht. Sascha Lobo sprach im “Spiegel” von einem „Lob der Ausgrenzung.“ Um die AfD zu isolieren, brauche es – „neben den Antifaschisten der Straße“ – auch die bürgerliche Mitte. So sei es absolut gerechtfertigt, wenn Gastwirte der AfD keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellten. Auch müsse die Gesellschaft betonen, welche Partei auf dem Wahlzettel nicht angekreuzt werden dürfe: „Das Ziel aller Demokraten muss daher sein, ihnen klarzumachen: Doch, ihr solltet euch schämen.“ Und Hasnain Kazim sprach sich dafür aus, AfD-Wähler „auszugrenzen, zu ächten, sie klein zu halten, ihnen das Leben schwer zu machen, sie dafür, dass sie Neonazis und Rassisten den Weg zur Macht ebnen wollen, zur Verantwortung zu ziehen.

Hadern mit der Meinungsfreiheit

Offiziell hält Kurbjuweit an der Meinungsfreiheit fest, doch gibt er in seinem Manifest im gleichen Atemzug zu, sie abschaffen zu wollen. Über Zuckerbergs Ankündigung, auf Facebook die Meinungsfreiheit wieder zuzulassen und die dortigen “Faktenchecker” abzuschaffen, schrieb er: „Wenn man so gut wie alles behaupten und verbreiten darf, unterminiert das den rationalen Diskurs.“ Außerdem sei Meinungsfreiheit „unter anderem die Freiheit, Hass verbreiten zu dürfen.“ Mit diesen Ansichten steht Kurbjuweit natürlich nicht allein da. Kolumnistin Sibel Schick schrieb zum Beispiel, „Meinungsfreiheit“ sei ein „rechter Ausdruck“, und bekannte freimütig: “Es wäre geil, wenn sich Deutsche tatsächlich nicht mehr trauen würden, offen ihre Meinung zu sagen.“ Ihre Kollegin Ferda Ataman, mittlerweile Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, verfasste ein „Plädoyer für Anstand“: Sie gehöre “zu denen, die Grenzen für Sagbares gut finden“, denn: „jede Gesellschaft braucht wohltuende Tabus – sie regeln unser Zusammenleben.“ Sie warnte vor einem Horrorszenario: „Sollen wirklich alle alles sagen dürfen?

Kurbjuweit: „Zur Partei AfD muss die Brandmauer stehen bleiben, sonst höhlt sie das System der liberalen Demokratie von innen aus.“ Nun, wenn der “Spiegel” und die sogenannten „demokratischen Parteien“ bekräftigen, es dürfe nicht zu einer Koalition mit der AfD kommen, dann ist das ihr gutes Recht und zumindest auf einer abstrakten Ebene nachvollziehbar; Der Reflex, einen Antrag einfach deswegen abzulehnen, weil er von der „falschen“ Partei stammt, kann jedoch niemals rational sein. Oder würde man der AfD widersprechen wollen, wenn sie Pädophilie klar verurteilt? Der Chefredakteur weiter: „Die Parteien der Mitte sollten wachsende Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern ernst nehmen, auch bei komplexen Themen wie Migration.

Großmeister der Relativierung

Auch hier gilt: Man kann geradezu live beobachten, wie Kurbjuweits Appell ungehört verhallt, während im “Spiegel” gleichzeitig gegen Friedrich Merz Stimmung gemacht wird, der in der Migrationsfrage eine vorsichtige Öffnung hin zur AfD versucht. Und niemand sollte vergessen, wie der “Spiegel” seit 2015 über die Flüchtlingskrise berichtete: Da war zum Beispiel die Rede von einem „zweiten Wirtschaftswunder“ und dass angeblich keine erhöhte Terrorgefahr drohe. Nach den sexuellen Belästigungen der Kölner Silvesternacht schrieb der “Spiegel” von einer „rassistischen Hysterie“ und bemühte ernsthaft das Argument, dass auch betrunkene Deutsche auf dem Oktoberfest Frauen ans Dirndl fassten. “Spiegel”-Erbe Jakob Augstein konnten in ein „paar grapschenden Ausländern“ kein Problem erkennen.

Und nach der LKW-Attacke auf dem Breitscheidplatz in Berlin hieß es, dass man ja ebenso gut auch “an der nächsten Straßenkreuzung verunglücken“ könne. Besonders perfide: 2019 wurde über vier „Deutsche“ berichtet, die auf Mallorca eine Frau vergewaltigt hatten. Nimmt man nur die Staatsbürgerschaft als Kriterium, stimmt das sogar; die kurdischen Vornamen der Täter waren im Spiegel hingegen nicht zu lesen.

Virtueller Hitlerbart

Kurbjuweit schreibt weiter: „Wenn sich die AfD im Ganzen als rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei erweist, hat sie keinen Platz in der liberalen Demokratie.“ Das klingt ein wenig so, als ob sich Kurbjuweit seiner Sache nicht ganz sicher sei und noch zwischen Pro und Kontra abwägt. Dietmar Hipp, “Spiegel” Korrespondent am Bundesverfassungsgericht, forderte schon 2023 und 2024 ein Verbot der AfD; Kurbjuweit geht sogar soweit, der AfD Dinge anzukreiden, die sie nie geäußert hat. Er kann grundsätzlich jede Position der Partei in eine verfassungsfeindliche Ecke rücken. So schrieb er zum Beispiel über einen Vorstoß, der sich mit Tierschutz befasste: „Seinen Horror entfaltet [dieser Programmpunkt] durch die Tatsache, dass man ein Wort nicht austauschen könnte. Es stimmte nicht, würde die Partei schreiben: ‚Die AfD setzt sich für eine mitfühlende und würdevolle Behandlung aller Menschen ein.‘

Übrigens: Als Elon Musk am Samstag auf der AfD-Wahlkampfauftaktveranstaltung in Halle per Video zugeschaltet wurde und freundliche Worte an die Parteivorsitzende Alice Weidel richtete, forderte er die Deutschen auf, endlich wieder stolz auf ihr Land zu sein und sich nicht zu sehr auf die Schuld der Vergangenheit zu fokussieren. Das war schon verdächtig nah am „Vogelschiss“ Alexander Gaulands, wie der “Spiegel” anmerkte. Im Artikel war ein Bild der Veranstaltung zu sehen, bei dem ein Teilnehmer sein Fähnchen schwang, so dass es einen Schatten auf Musks Oberlippe auf dem Schatten warf. Aber dieser virtuelle Hitlerbart war natürlich nicht beabsichtigt.

Selbst nahe dran an Musk

Aber viel wichtiger: Elon Musk war auch verdächtig nah dran an Dirk Kurbjuweit. Denn dieser hatte sich anlässlich des historischen Jahres 2014 (100 Jahre Erster Weltkrieg, 75 Jahre Zweiter Weltkrieg) ganz ähnlich geäußert. Unter dem Titel „Der Wandel der Vergangenheit“ forderte er eine „Revision“ der Geschichtswissenschaft. So verwies er auf die Historiker Christopher Clark und Herfried Münkler, die zum Ersten Weltkrieg geforscht hatten und die These Fritz Fischers von der Alleinschuld zurückwiesen. Alle europäischen Großmächte seien gleichermaßen als „Schlafwandler“ in den großen Krieg „hineingeschlittert“. Er wollte sogar Ernst Nolte rehabilitieren, der einst im Historikerstreit mit seinen Thesen unterlag. Dessen Behauptung, dass die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers eben auch als Reaktion auf die Schreckensherrschaft Lenins und Stalins verstanden werden müsse, dass also beides untrennbar miteinander verbunden sei (Nexus), habe sich mittlerweile bewahrheitet, merkte Kurbjuweit unter Verweis auf den Osteuropahistoriker Jörg Baberowski an.

Und über eine Schülerin, die nach einem Besuch in Auschwitz meinte, man müsse sich zwar an den Holocaust erinnern, dürfe diesen aber nicht „so verkrampft“ behandeln, schrieb er anerkennend: „Da zeigt sich eine unbefangene Haltung zu den grauenvollen Seiten der deutschen Vergangenheit. Was zu erwarten war und was von manchen befürchtet wurde, wird Realität: Irgendwann nimmt die Wucht der Erinnerung ab. Es ist so weit. Die [junge] Generation fühlt sich vom Nazi-Erbe kaum noch eingeschränkt. Daraus könnte sich ein ganz neues Selbstverständnis entwickeln, auch ein Anspruch: Deutschland muss eine starke Rolle in der Welt spielen. Damit wären diese jungen Menschen der Albtraum der skeptischen Generation und der 68er. Sie gingen davon aus, dass deutsches Selbstbewusstsein schnell in Hybris umschlägt, dass ein neues Nazitum möglich ist. Darüber müssen diese jungen Menschen lachen, sie sind Demokraten, sie sind friedliebend. In einem starken Deutschland sehen sie keinen Widerspruch dazu.

10 Antworten

  1. Leute ohne eigenes gesund entwickeltes Ich sind wie Kinder von Elternfiguren abhängig, z.B. vom Staat, psychologisch von Vater Staat. Wenn sie von Demokratie reden, können sie sich darunter nur etwas von vorgegebener Autorität ihnen vor die Nase Gehaltenes vorstellen. Dass echte Demokratie (Volksherrschaft) nichts obrigkeitlich Vorgegebenes sein kann, sondern nur etwas von Bürgern selber Organisiertes, ist für einen Spiegelverstand (der anscheinend nur Vorgegebenes spiegeln kann, aber nichts selber erfinden kann) nicht denkbar. Bürgerlich demokratische Urbilder sind Nachbarschaftshilfe, Stammtische, Vereine, Einzel- und Familienbetriebe, Genossenschaften und Großbetriebe in Belegschaftshand. Wo solcherart tüchtige Bürger am Werk sind, ist tatsächlich die Staatsbetreuungsdemokratie insoweit überflüssig und kann für einen Spiegel bedroht aussehen. Für Tüchtige ist es keine Bedrohung, sondern eine Befreiung von Bevormundung.

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  2. @Die journalistischen Krampfanfälle
    das hat John Swinton schon richtig beschrieben – und das schon vor vielen Jahren !

    1. Mein Vater – leider verstorben – war ein sehr eifriger Leser dieses heutigen Herzblattes war aber noch zu Augsteins Zeit ich glaube heute würde er dieses Schundblatt nicht mal mehr mit der Feuerzange anfassen

  3. Wer ein Schmierblatt von verachtenswürdigen Hetzern wie Kurbjuweit, Feldenkirchen und die Jungfernstieg-Expertin Amann liest, der hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Ich hoffe, das künftige Ausbleiben der Millionen von Kill Bill versetzt diesem selbsternannten angeblichen Sturmgeschütz der Demokratie den lange ersehnten Gnadenschuss.

    Das kann weg wie SZ, FAZ, Focus und Zeit. Träumen darf man ja wohl noch.

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    1. leider wird diese Journaillen Kamarilla mit hunderten Millionen Zwangsbeiträgen queer 😉 subventioniert: durch „speigel TV“, die massiv für den ÖRR produzieren & extrem „phantasievoll“ abrechnen…

    2. Nicht vergessen: Der Spiegel war nicht immer so. Das ging erst nach der Jahrtausendwende los. Früher gab es da teils ausgezeichteten Journalismus.

  4. Wer „Visionen“ hat und „Missionen“ verfolgt, sollte zum Arzt gehen (frei nach Helmut Schmidt)

    Das sollten sich vor allem die Schmiergriffel der Relotius-Postille zu Herzen nehmen.

  5. „Xi Jinping und Wladimir Putin hingegen sehen geradezu entspannt aus, obwohl es sich bei beiden unzweifelhaft um Diktatoren handelt.“

    Wirklich, sind sie das?
    Mir erscheinen die Regierungen beider Länder im Vergleich zu den Machtträumen und der Behandlung Andersdenkender durch unsere VS- und Nancy-Büttel mit ihren Hausdurchsuchungen, Diffamierungen und auch Existenzvernichtungen (Bhakdi, Ballweg, Füllmich uvam) geradezu rechtsstaatliche Musterländer zu sein…

  6. Ob Kurbjuweit, Blohme, Mascolo, Wienand oder Ulrich:
    Man ist versucht auszurufen „Kann weg!“ und dann dreht man sich um und blickt auf Amann, Hensel, Vu oder Hollstein und schreit „Bleibt!“ …

    Kurbjuweit hat ja 2010 gegen die bürgerliche Vernunft den „Wutbürger“ kreiert: https://www.spiegel.de/spiegel/a-724587.html

    „Der Wutbürger buht, schreit, hasst. Er ist konservativ, wohlhabend und nicht mehr jung. Früher war er staatstragend, jetzt ist er zutiefst empört über die Politiker. Er zeigt sich bei Veranstaltungen mit Thilo Sarrazin und bei Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21.“

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