Genderdebatte: Wider die Sprachlenkung!

Genderdebatte: Wider die Sprachlenkung!

Deutscher Genderwahn: Sprachpolitische Bevormundung (Symbolbild:Shutterstock)

Der Deutsche Kulturrat lehnte am 9. Oktober ein Verbot des Genderns in Kunst, Kultur und Medien ab – mit Verweis auf Kunst- und Medienfreiheit. Das klingt liberal. Doch der Streit dreht sich längst nicht um Verbote, sondern um die schleichende Normierung öffentlich finanzierter Sprache: Leitfäden, „Empfehlungen“, Förderroutinen. Wer Gebühr und Steuer erhebt, hat eine besondere Pflicht zur Verständlichkeit – und zur Zurückhaltung gegenüber politischen Codes. Gleichzeitig markiert der Kurs von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) eine Rückbindung an Regelsprache, nicht an Zensur: Er verbannte die Gendersprache mit Sternchen oder “Binnen-I” offiziell aus seiner Behörde und riet zudem allen öffentlich geförderten Institutionen wie Museen oder Rundfunk zum Verzicht. Der Konflikt ist damit freigelegt: Ist Gendern ein organischer Sprachwandel oder ein politischer Stil, der durch Institutionen diffundiert und damit zur Pflicht wird?

Die Münchner Linguistin Katerina Stathi erinnert in der “Welt” an eine triviale, in der Debatte aber systematisch verdrängte Einsicht: Grammatisches Genus ist nicht biologischer Sexus. Das sogenannte „generische Maskulinum“ ist – trotz irreführendem Namen – eine Gattungsform, keine „männliche Form“. „Apotheker“ benennt die Gattung; „Apothekerin“ ist die Spezifikation. Ohne neutrale Grundform ließe sich das Weibliche gar nicht so sauber markieren. Diese Analyse steht nicht im Dienst irgendeiner Ideologie; sie folgt der Systematik der deutschen Grammatik. Praktisch heißt das: Ob generisch oder sexusbezogen gesprochen wird, entscheidet der Kontext – wie bei nahezu allen mehrdeutigen Wörtern. Daraus folgt kein „Unsichtbarmachen“, sondern Ökonomie. Sprache übermittelt nur das, was situativ relevant ist. Eine dauernde Sexus-Explikation überfrachtet Texte mit irrelevanter Information – und kollidiert mit dem Prinzip der Kürze, das Verständlichkeit erst ermöglicht.

Moral ohne Moralismus

Stathi hält Gendern deshalb nicht für natürlichen Sprachwandel: Echte Wandlungsprozesse vereinfachen und vollziehen sich fast lautlos; sie stoßen kaum auf Widerstand. Genderschreibung dagegen ist Schreibtischware, aus Leitfäden geboren und gegen den Sprachfluss implementiert – mit nachweisbaren Friktionen in Vorlese-, Such- und Rechtstexten. Das generische Maskulinum sei „die einfachste, effizienteste und inklusivste Form“, um Personen generisch zu bezeichnen.  Der Bielefelder Philosoph Roland Kipke stellt ebenfalls in der “Welt” die ethische Kernfrage: Gibt es eine moralische Pflicht zum Gendern? Seine Antwort, nach Prüfung der Prämissen: Nein! Weder belegt die Forschung eine systematische „männliche“ Fehlinterpretation generischer Formen, noch lässt sich zeigen, dass Genderschreibung die soziale Wirklichkeit im beabsichtigten Sinne formt. Zudem scheitern viele Varianten an ihrem eigenen Gleichheitsanspruch (zum Beispiel Exklusion nicht-binärer Personen durch Beidnennung, grammatische Asymmetrien der Sternchenformen).

Kipkes Pointe ist entideologisierend: Selbst wenn es punktuelle Missverständnisse gibt, entstehen diese maßgeblich durch Weltwissen und Rollenerwartungen – nicht durch das generische System. Auch Sprachen ohne Genus wie das Türkische oder Chinesische produzieren keine automatische Gleichstellung. Sprachpolitik greift über, wo eigentlich Soziologie gefragt wäre. Darum sind explizite Vorgaben in Redaktionen, Verlagen oder Rundfunkanstalten normativ problematisch. Wer Gleichheit ernstnimmt, sollte nicht mit Sonderzeichen neue Barrieren errichten: Demokratische Sprache ist die verständliche. Sie ist weniger moralisch dröhnend – und mehr sozial. Die Politikwissenschaft liefert einen nüchternen Stresstest: Sebastian Jäckle ließ über 10.000 Befragte vorab wählen, in welcher Sprachform sie die eigentliche Umfrage wollen. 75 Prozent entschieden sich für die Version im generischen Maskulinum, nur 21 Prozent für die gendergerechte Variante (4 Prozent keine Auswahl). Selbst in Gruppen, die man gemeinhin als offen vermutet – Frauen, unter 30, hohe Bildung, urbane Milieus – gab es keine Mehrheit für Genderschreibung. Präferenz zeigte vor allem eine kleine, politisch weit links verortete Minderheit, die tendenziell auf starke staatliche Regulierungen setzt.

Kunst ist frei – Amtssprache nicht

Das konterkariert den Kernmythos, Gendersprache sei „von unten“ gewünscht. Empirisch sprechen wir eher über ein Aktivisten- als über ein Betroffenenprojekt. Das erklärt die Konfliktlinien: Nicht „die Rechte“ gegen „die Mitte“, sondern ein lautstarker Aktivismus gegen den großen Rest – einschließlich vieler Linker. Wenn also weder Grammatik noch Moral noch Mehrheiten eine Pflicht zum Gendern tragen, bleibt die politische Frage: Warum normieren Steuergeld- und Gebühreninstitutionen überhaupt an der Sprache herum? Wer die Sprache regelt, regelt Zugänge – und schafft Distinktionsmilieus. Genau das beschädigt Vertrauen. Der Kulturrat betont zu Recht: Künstler und Kulturinstitutionen sind frei, diese Freiheit darf nicht angetastet werden; aber sie gilt nicht eins zu eins für Verwaltungstexte, Bescheide, Verkehrsnachrichten oder Bildungsmedien. Hier sind Klarheit, Rechtschreibung und Barrierefreiheit keine „Geschmacksfragen“, sondern rechtsstaatliche und soziale Anforderungen. Das eine ist Kunstfreiheit, das andere Amtssprache.

Wer Genderschreibung mit Kulturfreiheit begründet, verwechselt nicht nur Sprachregister, sondern verkennt auch die Sphären des Sprachgebrauchs. Im Theater darf jedes Zeichen gesetzt werden; im Formular gilt Eindeutigkeit. Die Rückbindung hoheitlicher und öffentlich finanzierter Kommunikation an die Normsprache ist deshalb kein „Verbot“, sondern eine Entpolitisierung der Amtskommunikation und ein Dienst am Publikum. Die Folge wäre ein einfaches Arrangement: Kunst macht, was sie will – während sich Verwaltung, Schule, Rundfunk-Nachrichten und Museen als öffentliche Informationsanbieter an Regelwerk und Verständlichkeit orientieren. Und Medien berichten über den Streit, statt ihn im Satzbau zu entscheiden.

Der soziale Preis der Symbolpolitik

Genderschreibung bleibt ein normatives Projekt, das als Sprachwandel etikettiert wird – ohne die Merkmale von Sprachwandel zu erfüllen. Im Gegenteil führt sie zu praktischen Kollateralschäden: zu aufgeblähten Formulierungen, pronominalen Wucherungen, Problemen in Screenreadern, Suchmaschinen und juristischen Texten. Die Sprachökonomie wird aus moralischem Überschuss ausgehoben; die Resultate sind unklarer Text und soziales Missverständnis. Dass ausgerechnet die generische Form – und nicht die Sternchenform – die größere Inklusion bietet, weil sie eben niemanden ausspart, ist eine der kontraintuitivsten, aber bestbelegten Einsichten im Material. Das passt zur klassischen Sprachökonomie: Je allgemeiner die Aussage, desto allgemeiner der Adressatenkreis. Sonderzeichen verengen, wo die Gattungsform öffnet.

Genderschreibung ist Distinktionssprache. Sie kodiert Gesinnung und Milieu, nicht Information. Das erzeugt Reibung: zwischen Bildungsnähe und Bildungsferne, zwischen Amt und Bürger, zwischen Redaktion und Publikum. Wer wirklich die “Schwächeren” im Blick hat, entscheidet sich für einfache, regelkonforme Standardtexte und gegen orthographische Experimente. Denn der „inklusiven“ Intention entspricht gerade keine inklusive Wirkung, im Gegenteil: Genderschreibung exkludiert Menschen mit Migrationshintergrund, bildungsferne Menschen oder komplette Bildungsverlierer, Menschen mit Beeinträchtigungen wie Hör-, Lese- oder Lernschwächen oder auch Krankheiten wie etwa einem Schlaganfall oder gar beginnender Demenz. Hier liegt der blinde Fleck vieler Leitfäden: Inklusion wird behauptet, tatsächlich aber Exklusion erzeugt. Das gilt in vierfacher Hinsicht: technisch (Stichwort Barrierefreiheit), didaktisch (Stichwort Lesbarkeit), rechtlich (Stichwort Normklarheit) und sozial -(Stichwort Publikumsakzeptanz).

Gebrauchsanweisung für funktionierende Öffentlichkeit

Eine demokratische Sprachpolitik beginnt bei der Frage: Wer wird wie erreicht – und wer bleibt draußen? Der Verein Deutsche Sprache (VDS) hat die praktischen und normativen Probleme in 20 Argumenten bündig gesammelt: von mangelnder Evidenz über Lesbarkeitsverluste bis zu Problemen der IT-Umsetzung. Das ist kein Appell an „Tradition“, sondern eine Gebrauchsanweisung für funktionierende Öffentlichkeit. Wie konnte ein stilistischer Code so weit in öffentlich finanzierte Kommunikation vordringen? Die simple, aber bittere Antwort: Über Leitfäden, über Gleichstellungs- und Kommunikationsabteilungen, über die moralische Aufladung „richtiger“ Sprache. Damit verschiebt sich ein semantischer Kampf (“wie sprechen wir?“) in einen administrativen (“so sollt ihr schreiben!”). Der Effekt ist entdemokratisierend: Nicht mehr Verständlichkeit legitimiert Sprache, sondern Gesinnung. “Wo wurde Sprache als Instrument genommen, um gesellschaftliche Formen zu verändern?”, fragte selbst der linke Liedermacher Hans-Eckard Wenzel jüngst im “Neuen Deutschland” rhetorisch. Und kommt zu der Antwort: “Gendersprache ist ein Traum urbaner Eliten. Eine Sprache, die sich nicht für die Poesie eignet, ist Ideologiesprache.

Stathis Analyse zeigt: Die behauptete „Unsichtbarkeit“ des Weiblichen ist empirisch nicht haltbar – und wird in der deutschen Morphologie im Übrigen gerade durch das feminine Suffix besonders sichtbar. Umgekehrt produziert die „Sichtbarmachung“ durch Sternchen neue Unsichtbarkeiten (Singularformen, Asymmetrien), die wiederum Gegenleitfäden erfordern – eine Art perpetuum mobile der Sprachpolitik. Wer wirklich Pluralität will, lässt in Kunst und Privatheit alles zu, achtet jedoch in Amts- und Nachrichtensprache auf Norm, Klarheit und Zugang. Das ist nicht elitär wie die einstige Kanzleisprache, auch keine Reaktion – sondern echte republikanische Höflichkeit: Ich rede so, dass mich jeder versteht!

Ein konservativer Liberalismus der Sprache

Die rechte Intelligenz hat keinen Grund, Sprache zu romantisieren – aber allen Grund, sie vor Funktionalisierung, erst recht Ideologisierung zu schützen. Konservativ ist hier nicht „altes Deutsch“, sondern die Einsicht in gewachsene Regeln; liberal ist die Freiheit der Kunst und des Stils. Dazwischen steht die demokratische Pflicht zur Verständlichkeit dort, wo der Staat spricht oder das Publikum informiert wird.

Das Ergebnis ist ein nüchterner Dreiklang:

  1. Keine Sprachpolizei in die eine wie in die andere Richtung!
  2. Regelsprache als Default in Verwaltung, Schule, Nachrichten, Museums- und Amtstexten!
  3. Prüfkriterien: Lesbarkeit, Barrierefreiheit, IT-Tauglichkeit, Rechtsklarheit, Publikumsakzeptanz!

Wer so entscheidet, beendet den Kulturkampf, statt ihn über Moralphrasen zu perpetuieren. Der Streit um Sprachkonventionen bleibt dann, was er sein soll: Kennzeichen einer lebendigen Öffentlichkeit – nicht Ausdruck einer institutionellen Dressur. Der Kulturrat mahnt Freiheit für Kunst und Medien an. Einverstanden; aber Freiheit ist etwas anderes als institutionell verordnete „sprachliche Vielfalt“. Weder Grammatik noch Moral noch Mehrheiten begründen eine Genderschreib-Pflicht; vieles spricht dagegen – sachlich, sozial, demokratisch. Darum gilt: Kunst frei, Bürger nah. Die Sprache der Institutionen gehört allen – und darum soll sie so klingen, dass alle mitkommen.

10 Antworten

  1. Denke, u.a. viele Altparteienpolitiker leiden an Logorrhö !

    Mit Logorrhö bezeichnet man den zwanghaften Drang sich übermäßig verbal zu vermitteln.
    Logorrhö kann bei manchen psychischen Erkrankungen auslösen !

    1. Ich auch nicht!
      Gestern, als ich aus Versehen mal öffentlich-rechtliche geschaut habe , die Werbung: “ Fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin oder Ihren Apotheker oder ihre Apothekerin!“

      Ja, sag mal…. 🤦‍♂️🤪

      1. Ich auch.
        Auch Texte von Autoren die meinen alles klein schreiben zu dürfen, widme ich keinerlei Aufmerksamkeit.

  2. guck se dir an….. und denke nicht darüber nach… alice erlöse uns von dem übel…. dumm dümmer saudumm deutsch…

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  3. Mein Kater will auch nicht immer geschlechtsspezifisch angesprochen werden und ist nicht beleidigt, wenn ich ihn mit dem generischen Femininum als „Katze“ bezeichne.

  4. „Regelsprache als Default in Verwaltung, Schule, Nachrichten, Museums- und Amtstexten“ – „Default“??? Deutsch???

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  5. Gender Besoffene, steckt euch diesen Unsinn in den „Götz von Berlichingen“, ganz tief rein bis es schmerzt !

    Denn nur durch die eigenen Schmerzen erreicht man evtl. deren versifften, verstaubten Hirne.
    Geht es euch endlich in die Birne?

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  6. „Wider die Sprachlenkung!“

    Müsste das nicht „Wider der Sprachlenkung!“ heißen? Man macht nicht mit. Bekämpft sie.
    Oder „Wieder die Sprachlenkung!“ Nach einer Pause geht es weiter.

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