
Man benennt nicht nur Häuser, Straßen und Schulen; man benennt sich selbst. Wer im öffentlichen Raum Namen austauscht, schreibt die Grammatik des Gemeinwesens um. Der aktuelle Vorstoß, das Ferdinand-Porsche-Gymnasium in Stuttgart-Zuffenhausen umzubenennen, ist darum mehr als ein lokaler Kulturstreit. Er ist Symptom einer tieferen Verschiebung: weg von historischer Urteilskraft, hin zu einem hygienischen Affekt, der Erinnerungspolitik mit moralischer Schädlingsbekämpfung verwechselt.
In Stuttgart formieren sich seit Monaten Akteure, die die Distanzierung von Ferdinand Porsche fordern. Es geht ihnen – so ihr Tenor – um die „richtige“ Erinnerung angesichts der NS-Verstrickungen des Industriellen. Historiker und Initiativen treten auf, um moralische Evidenz zu beglaubigen; Veranstaltungen betonen, die „Fakten” lägen “auf dem Tisch“ und die Umbenennung sei „überfällig“. Zugleich erinnert die Schulleitung nüchtern daran, dass über Namen am Ende der Gemeinderat entscheidet – also: polity statt moral panic. Die Sache berührt einen wunden Punkt der Republik. Der Streit um die Berliner Mohrenstraße hat das Drehbuch geliefert: Jahrelange Verfahren, Aktivismus als politisches Stilmittel, eine Justiz im Zickzack – und am Ende die formale Umbenennung in „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ am 23. August 2025. Aus einem lokalen Toponym wurde eine bundesdeutsche Läuterungsbühne; die BVG zieht brav nach, Schilder und Fahrpläne werden angepasst. Wer widerspricht, landet in der Defensive, als sei der Rückgriff auf historische Differenzierung bereits suspekte Absicht.
„Anthropozän der Unverbindlichkeit“
Doch diese Liturgie der Symbolpolitik erschöpft sich im Zeichenwechsel. Der Philosoph Anton Wilhelm Amo – ein hochinteressanter, in Deutschland lange verkannter Gelehrter des 18. Jahrhunderts zwar, aber aus privilegierten Verhältnissen und möglicherweise selbst in den Sklavenhandel verstrickt– wird zur semantischen Allzweckwaffe, während gleichzeitig seine reale und plötzlich gar nicht mehr so “sklavische” Biographie im Lärm der Selbstversicherung untergeht und am Ende nur noch die Hautfarbe als “ehrbares” Attribut blieb. Die Umbenennungsdebatte produzierte Verlierer auf allen Ebenen: Anwohner, Wissenschaft, Verwaltung.
Ein öffentlicher Raum aber, der als moralisches Fitnessstudio betrieben wird, verliert seine Souveränität – und seine Bildungskraft. Das gilt nicht nur in Hauptstadt, sondern überall. Wer diese Berliner Dramaturgie auf Stuttgart überträgt, unterschätzt freilich die andere, stillere Gefahr: die Neutralisierung des Öffentlichen durch Verlegenheit. Wo der Maßstab fehlt, flüchtet man ins Eskapistische. Die Kulturkritik hat dafür ein sprechendes Bild gefunden: das „Anthropozän der Unverbindlichkeit“. Straßen nach Getreidesorten statt nach Menschen zu benennen, wie jüngst in Gerlingen geschehen, ist der logische Endpunkt einer Gedächtnispolitik, die vor der eigenen Normativität erschrickt. Hafer, Gerste, Dinkel – es klingt harmlos, ist aber der Triumph der Utopie einer geschichtslosen Topographie. Der Mensch verschwindet aus dem Stadtplan.
Ikonoklastische Entleibung von Geschichte
Die Alternativen, die uns heute angeboten werden, lauten also: Entweder die moralische Säuberung im Namen des Guten, mit allen Übertreibungen des Aktivismus – oder die ästhetische Sterilisation des Raums mittels neutraler, vielleicht frumentorischer, vielleicht mineralischer Benennungen. Beide Tendenzen sind Geschwister: Die eine betreibt eine ikonoklastische Entleibung von Geschichte, die andere deren entpolitisierten Ersatz. Das Ergebnis ist in beiden Fällen identisch – eine Stadt ohne Gedächtnis, eine Schule ohne Streitkultur und eine Jugend ohne tragfähige Ambivalenz. Diese Ambivalenz aber ist der Kern historischer Reife. Wer Ferdinand Porsche nur noch als „SS-Oberführer“ und NS-Profiteur lesen will, amputiert den Ingenieur und Unternehmer weg und blendet die zwangsläufige Ambivalenz einer Biographie im Sog ihrer Zeit aus. Viele weitere Prominente vor allem aus der Kulturszene wären zu ergänzen: Literaturnobelpreisträger Günter Grass, documenta-Gründer Werner Haftmann, Verlegerkrösus Georg von Holtzbrinck.
Eine Schule, die Porsche im Namen trägt, steht darum vor einer schweren, aber fruchtbaren Aufgabe: die Spannung auszuhalten, statt sie durch Umbenennung aufzulösen. Genau hier unterscheidet sich Bildung von Pädagogik. Bildung fragt: Wie hält man Ambivalenzen aus, ohne zynisch zu werden? Pädagogik sucht Entlastung in der Eindeutigkeit. Denn was geschähe tatsächlich im Falle einer Umbenennung? Man ersparte sich die Zumutung, in Aula und Unterricht über industrialisierte Moderne, über Verführung durch Macht und über die Verantwortung von Technik zu sprechen. Man verschöbe die Last vom Lehrplan auf das Straßenschild, vom Seminar auf den Schriftzug am Portal. Eine Schule, die ihren Namen wechselt, verändert damit nicht ihre Geschichte, sondern nur ihren Spiegel. Der Rest ist reine PR.
Gemeinwohl als Freiheitsschutz
Echte Verantwortung hieße daher, die Zumutung im Namen beizubehalten und didaktisch einzulösen. Der Schriftzug „Ferdinand-Porsche-Gymnasium“ wäre kein „Ehrenkranz“, sondern eine Erinnerung an den doppelten Auftrag: Technik- und Freiheitsbildung; Kritische Würdigung mit mahnenden Einordnungen, wie nahe menschliche Größe und menschliche Abgründe beieinander liegen. Eine Schule könnte das durch einen Kanon sichtbarer Rituale sichern: jährliche Foren etwa zu „Technik und Tyrannei“, Kooperationen mit unabhängigen Historikern, flankiert von Schülerprojekten, die Ambivalenz in Text, Bild und Prototypen materialisieren. Gerade indem man den Namen nicht tilgt, zwingt man sich, ihn zu differenziert zu lesen und zu überschreiben – durch Aufklärungsarbeit statt mit Lack und Lösungsmittel.
Der Berliner Fall hatte gezeigt, wie schnell die Justiz zum Erfüllungsgehilfen symbolischer Politik wird, wenn sie ihr eigenes Kriterium verliert: das Gemeinwohl als Freiheitsschutz. Der Rechtstaat garantiert keine moralische Reinheit des Stadtraums; er garantiert Verfahren, die Minderheiten ebenso schützen wie die Mehrheit vor moralischer Erpressung. Wo Gerichte im letzten Akt den Aktivismus sanktionieren, aber die deliberative Substanz ausdünnen, verwandelt sich die Res publica in eine Bühne für performative Politik. Wer nun erwidert, das Getreide-Register sei wenigstens friedlich und nicht polarisierend, dem sei entgegnet: Das Politische ist nicht friedlich. Es ist zivilisiert. Zivilisiert heißt, Konfliktfähigkeit zu kultivieren, statt Konflikte zu verbannen. Eine „Weizenallee“ ist mehr als ein Rückzug; sie ist der geschminkte Nihilismus eines Staates, der weder die großen Namen aushält noch die großen Fragen.
Auflösung der Geschichte in Marketing und Moral
Der öffentliche Raum wird zur pädagogischen Schonzone. Dass dieser Trend ganz real in Kommunen wie zuletzt Heilbronn aufscheint, wo die August-Lämmle-, die Damaschke- und die Felix-Wankel-Straße neben vier weiteren dran glauben mussten, ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines Milieus, das Unverbindlichkeit zur Tugend adelt. „Gymnasien sind Lernorte – keine Läuterungsbühnen“, kommentiert der bildungspolitische AfD-Fraktionssprecher im Landtag Baden-Württembergs, Dr. Rainer Balzer. „Wer Namen tilgt, tilgt nicht die Vergangenheit, sondern nur die Gelegenheit, sie verantwortungsvoll zu lehren. Politische Pädagogik ersetzt keine Bildung. Unsere Schüler brauchen Ambivalenzkompetenz statt Schein-Eindeutigkeit. Die richtige Antwort auf eine ambivalente Biografie ist nicht das neue Schild an der Fassade, sondern das bessere Gespräch im Klassenraum. Wer Namen neutralisiert, erzieht am Ende zur Unverbindlichkeit. Der Gemeinderat sollte eine Umbenennung klar ablehnen.“
Stuttgart hat die Chance, es anders zu machen. Der Gemeinderat kann den Impuls abwehren, Geschichte in Marketing und Moral aufzulösen. Er kann eine Schule stärken, die sich selbst etwas zutraut. Eine Schule, die mit dem Namen arbeitet, statt ihn wegzuwischen. Die Schüler wären die Ersten, die davon profitieren: Sie lernten, dass Freiheit nicht im Konsens beginnt, sondern im Streit; dass Wahrheit nicht durch Umbenennung entsteht, sondern durch Urteil; dass Technik ohne Ethik gefährlich ist – und Ethik ohne Geschichte leer bleibt.
Freiheit beginnt im Streit
Man darf hinzufügen: Die Stadtgesellschaft hat Anspruch auf ein kultiviertes Gedächtnis. Dazu gehört, es Täter zu benennen, Opfer zu ehren und Grauzonen zu erklären – und beides nicht gegeneinander auszuspielen. Ein Gymnasium, das sich „Schule ohne Rassismus“ nennt, kann den stärksten Beitrag genau dadurch leisten, dass es die Geschichte seines Namens nicht wegverhandelt. Es sollte sie lehren. Das ist unendlich anspruchsvoller als der Austausch von Buchstaben – und unendlich würdiger.
So entscheidet sich am Schultor in Zuffenhausen mehr als der Name eines Gymnasiums. Es entscheidet sich, ob wir eine Republik der Erwachsenen bleiben wollen – mit Sinn für Tragik, Maß und Mündigkeit –, oder ob wir die Topographie des Landes infantil glätten und es zum Schonraum für die Gegenwart erziehen. Das „Anthropozän der Unverbindlichkeit“ ist verführerisch bequem; doch eine Nation, die ihre Straßen und Schulen vor allem gegen das Risiko einer unbequemen Geschichte absichert, entwurzelt ihre Gegenwart und stellt die eigene Vergangenheit unter Kuratel. Stuttgart sollte diesem Trend widerstehen. Nicht, weil Ferdinand Porsche ein makelloses Vorbild wäre. Sondern weil eine Schule, die Ambivalenz aushält, das bessere Vorbild ist – für eine freie, reife, erwachsene Öffentlichkeit.
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9 Antworten
Was die Deutschen auch tun, sie tun es mit peinlicher Gründlichkeit – zum Beispiel ihren endgültigen Untergang besiegeln!
Achtung: Baby-Puder von Johnsen&Johnsen auch bei uns dringend zu hinterfragen?
https://www.stern.de/wirtschaft/asbest-in-babypuder–milliardenklage-gegen-johnson—johnson-36138358.html
Oktober 2025
„Großbritannien
Asbest in Babypuder? Milliardenklage gegen Johnson & Johnson
Tausende Britinnen und Briten verklagen den Pharmariesen Johnson & Johnson, weil ein Babypuder möglicherweise krebserregend sein könnte. Der Konzern widerspricht.“
Babypuder wird auch in Deutschland seit Jahrzehnten verkauft.
Ist es auch bei den bei uns angebotenen Probanten gesundheitsschädlich und mit Asbest
behaftet?
Fachleute haben bereits vor Jahren auch hier davor gewarnt,
das Pulver nicht einzuatmen, weil es die Lunge schädigen kann.
Was ist denn wohl mit unseren kleinsten, die noch empfindlicher und ausgesetzter sind.
Sie werden von gleichgültigen Eltern mit dem Zeugs gepudert und bei der Puderung
werden Partikel freigesetzt, die die Babys einatmen udn wenn sie an sich herum spielen
sogar mit den Fingerchen an das Puder an ihrem Körper heran kommen und die Finger
in den Mund stecken.
Ich halte überhaupt nichts von solch einem Zeugs !
Im Kulturkampf lassen die linken Zecken eben nichts aus.
Diesen Herren wollten sie auch mal fertig machen.
Das ist ihnen Gott sei Dank nicht geglückt. 🙂
Damit beweist sich einmal mehr, dass dieses Volk voll einen an der Waffel hat.
Vielleicht könnten die Deutschen den ewigen Schuldkomplex für die Verbrechen ihrer Ahnen endlich los werden, indem sie das gesamte Land und sich selbst ausnahmslos in die Luft sprengen.
Deutsche Namen sind eh voll Nazi.
Darum weg damit!
Viel besser als „Ferdinand Porsche Gymnasium“ klingt doch beispielsweise „Mustafa Görek Gymnasium“ oder „Murat Yufka Gymnasium“.
So könnte man auch gleichzeitig ein Zeichen für gelungene Integration setzen.
Deutschland sollte man auch gleich mit umbenennen! Mein Vorschlag wäre Doofiestan.
😜
@Wer im öffentlichen Raum Namen austauscht, schreibt die Grammatik des Gemeinwesens um.
anti-.deutscher Rassismus – vom Regime animiert !
Hier müssen nicht nur ein paar Spitzenpolitiker, hier muß die gesamte Teppichetage ausgetauscht werden – und diese dürfen nie wieder die Möglichkeit bekommen, in irgendeinem Amt Schaden anzurichten. Am besten in die Ukraine zum Mienensuchen !
Claudia – Roth Dummenschule?
Katrin Göring – Oberstufen – KIndergarten?
vorschlag… herr wirf „hirnherab platz“ … inshallah
Kampf gegen Meinungsfreiheit: „Staat macht sich zur letzten Wahrheitsinstanz“ Bundesregierung investiert Millionen in Projekte gegen angebliche „Desinformation“
Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter der Demokratie. Das gilt im „besten Deutschland aller Zeiten“ aber offenbar nur, wenn es um die „richtige“ Meinung bzw. Haltung geht – wie ein Schreiben aus dem Innenministerium nahelegt. !!!! hier der schnellste weg um lügner der verzerrten wahrheit und falschmeinung zu entfernen… sch-merz lass nach, kann weg -ehrlich währt am längsten lügen haben kurze beine – gelle herr sch-merz… lass nach !!!!