
Die “Spiegel”-Redaktion hat den Wahlsieg Donald Trumps im vergangenen Monat wohl immer noch nicht verdaut. Nur so lässt sich erklären, dass US-Korrespondent Marc Pitzke zum Rundumschlag gegen Amerika ausholt. Die Gesellschaft sei insgesamt verroht und glorifiziere Gewalt. Kein Wunder, dass die kaltblütigen Amerikaner dann einen Faschisten ins Weiße Haus gewählt hätten, so die unterschwellige Botschaft. In seinem Kommentar wirft Pitzke viele Fakten durcheinander, die zwar für sich alle stimmen, aber sich zu keinem schlüssigen Gesamtbild zusammenfügen, weil der Kontext an mehr als einer Stelle fehlt. Aber der Reihe nach.
Aufhänger ist der Mord an Brian Thompson, dem Vorstandschef einer amerikanischen Krankenversicherung, in New York. Der Täter hatte sich explizit auf die weit verbreitete Geschäftspraxis bezogen, bei der Patienten kostspielige Behandlungen vorenthalten werden. Nicht nur sehen viele Amerikaner darin Gerechtigkeit à la Robin Hood, der Mörder Luigi Mangione ist darüber hinaus auch noch ein gutaussehender junger Mann. Auch wenn Pitzke die Glorifizierung der Tat verurteilt, muss er zugestehen, dass laut Statistiken etwa 68.000 Amerikaner pro Jahr an der Profitgier der privaten Krankenversicherer sterben.
Allgemeine Faszination für das Böse
Das ist dann auch schon das einzige Argument für Pitzkes Feststellung, dass in Amerika „der gewaltsame Tod zur spätkapitalistischen Gewohnheit geworden“ ist. Denn was genau sollen Morde mit Kapitalismus zu tun haben? Und war der Kommunismus mit geschätzt 60-90 Millionen Todesopfern im 20. Jahrhundert etwa besser? „Die USA, das Land der kalten Herzen, hat sich längst so an den sinnlosen Tod gewöhnt, dass das Leben kaum mehr etwas wert ist. […] Amerika ist zum Horrorfilm-Meme verroht.“ Die Gewaltlosigkeit der US-Gesellschaft sei schon immer „eine Illusion der Berufsoptimisten“ gewesen. Die Amerikaner würden „Sympathische Killer. Sexy Killer. Weiße Killer.“ glorifizieren.
Um diesen Punkt zu unterstreichen, führt Pitzke auch Jeffrey Dahmer und die Menendez-Brüder auf. Dahmer hatte 17 Menschen in der Homosexuellenszene missbraucht und getötet. Die Menendez-Brüder hatten ihre Eltern getötet – entweder aus Rache für angeblich erlittenen Kindesmissbrauch oder weil sie sich an deren Vermögen bereichern wollten. Diese drei Fälle sind recht unterschiedlich gelagert und sollten nicht vermischt werden. Während es bei Mangione eine tatsächliche Rechtfertigung der Taten gibt, wird niemand Dahmers Taten ernsthaft gutheißen, dort liegt eher eine allgemeine Faszination für das Böse vor. Die Menendez-Brüder liegen, jedenfalls wenn man ihren Angaben Glauben schenken mag, zwischen diesen beiden Polen.
Die Rassismuskeule darf nicht fehlen
Und dass nur weiße Mörder glorifiziert werden, gehört ohnehin ins Reich der Legenden: Der Afroamerikaner Mumia Abu Jamal saß wegen des Mordes an einem Polizisten jahrzehntelang in der Todeszelle, bis sein Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde. Er wurde in Amerika von linken Kreisen und vielen Prominenten unterstützt, in Deutschland durfte er auf die Solidarität des Schriftstellerverbands P.E.N. und des verstorbenen Nobelpreisträgers Günter Grass zählen. Erst im vergangenen Jahr setzten sich 18 grüne und linke Bundestagsabgeordnete für ihn ein. Jamal veröffentlicht aus dem Gefängnis heraus eine regelmäßige Kolumne, die in Deutschland von der marxistischen Tageszeitung “Junge Welt” veröffentlicht wird. Auch Assata Shakur wird beschuldigt, am Tod eines Polizisten beteiligt gewesen zu sein. Sie ist die Patentante von Rap-Legende Tupac Shakur und nach wie vor eine Ikone in der Hip-Hop-Szene. Aktuell gewährt ihr die kubanische Regierung Asyl.
„Im Wilden Westen galt das Recht der Stärkeren, später das Recht der Reicheren und immer das Recht der Blasseren. Wer anderen das Leben nehmen darf, entscheidet sich bis heute nicht selten nach Status, Herkunft und Hautfarbe“, so der “Spiegel weiter”. Ausgerechnet den Wilden Westen als Beispiel für eine Gewaltbereitschaft der Amerikaner heranzuziehen, verfängt nicht – denn der Wilde Westen war ja explizit die Abwesenheit von staatlichen Strukturen, während die Zivilgesellschaft sich noch im Aufbau befand. Dass Reichere es in einem Rechtsstaat einfacher haben, ist tatsächlich ein Naturgesetz, aber dass „Blassere“, sprich: Weiße, bevorzugt werden, stimmt (mittlerweile) nicht (mehr).
Unvollständige Zahlen und Details
Natürlich kommt Pitzke dann auf die Todesstrafe zu sprechen. Über 2.100 Häftlinge säßen derzeit im Todestrakt. Das stimmt zwar, aber wenn man berücksichtigt, dass mehrere Staaten die Todesstrafe de facto, wenn auch nicht de jure, abgeschafft haben, also seit mehreren Jahren keine Hinrichtungen mehr durchführen, schrumpft diese Zahl auf knapp unter die Hälfte. Aus der Quelle, auf die sich Pitzke bezieht, geht klar hervor, dass die Zahl der Hinrichtungen seit 25 Jahren kontinuierlich sinkt – aber das erwähnt er nicht. Immerhin behauptet er nicht, dass schwarze Mörder mit höherer Wahrscheinlichkeit hingerichtet werden, aber dieser Eindruck könnte sich bei seinen Lesern einstellen – zumindest bei denjenigen, die sich mit der Thematik kaum auskennen.
Denn Pitzke schreibt, dass die Mörder weißer Opfer häufiger hingerichtet werden. Gedanklich mag da mancher einen schwarzen Täter sehen. Tatsächlich finden Morde aber hauptsächlich innerhalb einer Rasse statt: Etwa 80 Prozent aller weißen Mordopfer werden von einem Weißen ermordet, etwa 90 Prozent aller schwarzen Mordopfer werden von einem Schwarzen ermordet. Dass die Mörder eines weißen Opfers häufiger hingerichtet werden, stimmt tatsächlich – aber wie aus diesen Zahlen hervorgeht, haben damit statistisch gesehen weiße Mörder ein erhöhtes Risiko, hingerichtet zu werden.
Mythen über Schusswaffentote
Auch sei die Hälfte aller unschuldig hingerichteten Personen schwarz. Diese Zahl mag skandalös erscheinen, ist aber ohne Vergleichsmaßstab wertlos. Denn Schwarze machen nur etwa ein Achtel der US-Bevölkerung aus, sind aber für mehr als die Hälfte aller Morde verantwortlich. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie etwa mit dieser Rate auch ins Visier der Fahnder geraten. Und „unschuldig“ ist ein dehnbarer Begriff. Auch wer fälschlicherweise für einen Mord verurteilt wurde, hat oft ein langes Vorstrafenregister und wurde daher eher zum Verdächtigen. Dass in den USA aufgrund von Verfahrensfehlern auch unschuldige Personen hingerichtet werden, ist ohne Zweifel ein Skandal. Nur lässt sich eben nicht zeigen, dass Rassismus hierbei eine Rolle spielt.
Mit diesen Zahlen im Hinterkopf relativiert sich dann auch Pitzkes Angabe über die Vielzahl der Schusswaffentoten. Denn ungefähr die Hälfte von ihnen sind keine Mordopfer, sondern Personen, die Selbstmord begehen. Wie bereits erwähnt werden etwa die Hälfte aller Morde von Schwarzen begangen. Dass auch Kinder erschossen werden, ist ohne Zweifel eine große Tragödie. Bei vielen der erschossenen Teenagern hingegen lässt sich feststellen, dass sie sich kriminellen Gangs angeschlossen hatten, also kaum als unschuldige Opfer gelten können. Aber diese Angaben fehlen bei Pitzke.
“Geisterwaffen” und andere Übertreibungen
Auch ließ sich niemals statistisch zeigen, dass die höhere amerikanische Mordrate im Vergleich mit Europa auf die Waffen zurückzuführen ist. Denn zum einen haben lateinamerikanische Staaten trotz weniger Waffen mehr Mordopfer als die USA, und auch auf Ebene der einzelnen US-Bundesstaaten geht eine höhere Zahl an Waffenbesitzern nicht mit mehr Morden einher. Mangione hatte Thompson mit einer sogenannten „ghost gun“, einer „Geisterwaffe“ erschossen. Damit ist eine Waffe gemeint, die selbst hergestellt wurde, entweder aus gekauften Einzelteilen oder mit Stücken aus dem 3D-Drucker. Diese Waffen sind nicht mit einer Seriennummer versehen, erschweren es also, einen Täter zu ermitteln. Laut Pitzke nehme der Gebrauch dieser „Geisterwaffen“ stetig zu.
Das stimmt natürlich, allerdings sind „Geisterwaffen“ nach wie vor nicht weit verbreitet. Kein Wunder, denn die regulären Waffen sind weit zuverlässiger. Laut Angaben des Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF) wurden in den fünf Jahren von 2016 bis 2020 „Geisterwaffen“ bei 325 Fällen von Mord oder versuchtem Mord eingesetzt. Im gleichen Zeitraum ereigneten sich aber ca. 100.000 Morde. Die Zahl der versuchten Morde dürfte sich ungefähr in der gleichen Größenordnung bewegen, wird aber nicht einheitlich erfasst. „Geisterwaffen“ jedenfalls machen nur einen Bruchteil aller Morde aus.
Halbwahrheiten über Kyle Rittenhouse
„Galionsfigur des Waffenwahns“ sei der damals 17-jährige Kyle Rittenhouse, der während der “Black-Lives-Matter”-Proteste 2020 zwei Männer mit einem Sturmgewehr erschossen hatte. Pitzke erwähnt jedoch nicht, dass einer der Männer auf Rittenhouse eingeschlagen hatte, als dieser auf dem Boden lag, und der andere eine Waffe auf ihn gerichtet hatte. Er wurde daher auch völlig berechtigt wegen Notwehr freigesprochen. Ein Foto im Artikel zeigt schwarze Demonstranten, die auf ihren Schildern Rittenhouse als „Rassist“ bezeichnen. Doch beide erschossenen Männer waren weiß. Diese Information sucht man vergebens; Rittenhouses weiße Hautfarbe wird jedoch gesondert erwähnt.
Genau diese “Spiegel”-typische Manipulation wiederholt Pitzke dann unter umgekehrten Vorzeichen zum Abschluss. In New York hatten erst kürzlich drei Männer zwei Latinos angesprochen und gefragt, ob diese Englisch sprächen. Daraufhin entbrannte ein Streit, in dem einer der Latinos erstochen wurde. Natürlich erscheinen dem “Spiegel”-Leser da drei weiße Trump-Wähler vor Augen. Wie auf Aufnahmen von Überwachungskameras aber klar zu sehen ist, waren alle drei Verdächtige: schwarz.
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10 Antworten
Relotius Presse eben.
abhängige , gekaufte schreiberlinge mit dem dritten bildungsweg… obrigkeitshörige deppen……da kann nichts vernünftiges dabei rauskommen…
Typisch deutsch: Patentrezepte für die Probleme anderer haben, aber selbst im Matsch versinken. Von sich selber ablenken, damit niemand merkt, wie dreckig es vor der eigenen Haustüre zugeht.
@antiamerikanische Ressentiments
angesichts der Politik der letzten 200 Jahre, den ständigen Plünderkriegen, Erpressungen und der Drogengeschäfte der CIA braucht es keine antiamerikanischen Ressentiments, um die USA abzulehnen.
Leider ist man derzeit fast weltweit dank CIA, Marines, NSA, Ofac und ihrer vielfältigen NGO wie WHO, UN, Weltbank usw ziemlich abhängig von denen !
Die USA sind nur was für Leute, die gerne dienen und kriechen und keinen aufrechten Gang kennen !
Na ja, SPIEGEL …
Menschen allein nur mit Ausbildung lesen sowas. Menschen mit Bildung lassen aber wohl eher die Finger davon.
bei uns hängt es immer neu, ungelesen ,postkartengroß zugeschnitten auf der toilette im garten….
Vielleich sollte dieser Piefke seine Meinungen zu guten Schwarzen demnächst mal überdenken, gerade jetzt ,wo der böse alter weißer Mann Trump doch bei dieser Wahl so Gut bei ihnen punkten konnte. Oder unterscheiden wir jetzt in gute und schlechte Schwarze anhand ihres Abstimmungsverhalten? In Deutschland funktioniert es ja schon. Juden in der AFD, und Schwarze die sich zur AFD bekennen, sind ja schon auf unser aller Naziniveau angekommen.
Ach, ich werde auch noch Moralist, und sei es nur um mich als Guter zu fühlen.
„…dass in Amerika „der gewaltsame Tod zur spätkapitalistischen Gewohnheit geworden“ ist. “
1. So what? Gewaltsame Tode haben auch in Schland seit 2015 stark zugenommen. 🤷♀️
2. Amerika= USA ???
Was für ein Pitzke-Piffke…
Einmal Relotius immer Relotius.
In den Spiegel würde ich heutzutage nicht mal mehr einen verfaulten Fischkadaver einwickeln.
Vergessen Sie bitte nicht die Mc Closkeys.
Als eine Horde Antifa in die Gated Community eindrang (mit Gewalt!), wo die Mc Closkeys lebten und Drohungen aussprachen, nahmen die Mc Closkeys ihre Waffen.
Das dazugehörige Foto wurde weitverbreitet.
https://en.wikipedia.org/wiki/St._Louis_gun-toting_incident
Was aber nicht verbreitet wurde:
Die Pistole von Frau Mc Closkey war nicht schussfähig. Ein Waffenexperte der Polizei musste sie auseinanderbauen und neu zusammensetzen. Erst dann hätte man damit schiessen können.
Die Mc Closkeys wurden strafrechtlich verfolgt, die Antifa Einbrecher aber nicht.
Im SPIEGEL steht:
„Und das AR-15 des Mannes ist dafür konstruiert, den Feind durch gezieltes Dauerfeuer niederzuhalten und zu vernichten. “
“ ihrem paramilitärischen Waffenbesitz “
https://www.spiegel.de/kultur/usa-bewaffnetes-paar-in-st-louis-mit-dem-ruecken-zur-wand-a-e441ba45-f170-401c-a400-2b3a69b52f90
In diesen beiden Sätzen sind mehrere Fehler.
Das AR 15 ist NICHT Dauerfeuerfähig, nur Einzelfeuer. Die Militärvariante vom AR 15, das M-16 ist Dauerfeuerfähig, aber das bekommt keine Privatperson.
Und zu Paramilitärisch: Wieso macht einen Waffenbesitz zum Paramilitär?
Die normale Person ist Zivilist. Wenn sie im Krieg kämpft und bestimmte Regeln nicht beachtet, ist sie ein Partisan, der so erschossen werden darf. Wenn er nicht kämpft, steht er unter dem Schutz der Genfer Konvention und darf NICHT erschossen werden.
Polizei, Bundespolizei (Bundesgrenzschutz) sind uniformiert und bewaffnet, gelten laut Genfer Konvention somit als Paramilitär und wenn im Krieg kämpfen, dann stehen sie unter dem Schutz der Genfer Konvention, sind also Kriegsgefangene, wenn sie sich ergeben.
Bundeswehr=Militär, steht unter Schutz der Genfer Konvention.
In Bezug auf die USA kann ich mir Paramilitärisch nur im Zusammenhang mit den 2. Verfassungszusatz erklären. Laut diesem kann jeder eine Waffe besitzen und (damals, also 1776 ff war jeder Bürger ab 16 automatisch Teil der Miliz) wenn es irgendwo Ärger gab, wie marodierende Tiere, Indianer, Invasoren, versammelten sich alle waffenfähigen Männer und zogen in den Krieg. Somit war diese Miliz dann nach unseren heuten Massstäben paramilitärisch.