
Es gibt ja solche Leute, die sich selbst feiern, weil sie schon seit Jahren nicht mehr fernsehen. Warum eigentlich? Nicht fernzusehen ist ja kein Wert an sich. Bestimmte Formate nicht mehr zu schauen, wie beispielsweise die „Tagesschau“, „Hart aber fair“ oder „Die Anstalt“ – das ergibt Sinn, klar. Aber alles zu boykottieren – sämtliche Filme, Serien und Dokumentationen? Nö. Warum sollte ich? Es ist ja eben nicht so, wie viele Leute glauben, das inzwischen alles ideologisch eingefärbt wäre. Wer wie ich mehrere Streaming-Dienste abonniert hat, könnte rein theoretisch 24/7 glotzen, ohne vom woken Wahn belästigt zu werden.
Und damit wären wir bei der neuen Apple TV+-Serie „The Studio“, die am 26. März 2025 Premiere feierte und die ein wahrhaft ambitioniertes Unterfangen darstellt – den Versuch nämlich, die zeitgenössische Hollywood-Landschaft mit einer Mischung aus beißender Satire und unverhohlener Cinephilie zu sezieren. Unter der Leitung von Seth Rogen, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch als Co-Schöpfer, Autor und Regisseur fungiert, präsentiert sich die Serie als ein scharfsinniges Porträt einer Branche im Umbruch – gefangen zwischen künstlerischen Idealen und den gnadenlosen Zwängen des Kommerzes. Doch so brillant die Serie in ihren besten Momenten ist, so sehr kämpft sie auch mit den Grenzen ihrer eigenen Prämisse und der Gefahr, in der Selbstreferentialität zu ertrinken.
Ein liebevoller Blick auf eine dysfunktionale Welt
Im Zentrum der Handlung steht Matt Remick (Seth Rogen), der frisch ernannte Leiter der fiktiven Continental Studios. Matt ist ein Mann, der von seiner Leidenschaft für das Kino angetrieben wird – ein Filmfanatiker, der mit Verweisen auf Klassiker wie “Rosemary’s Baby” oder “I Am Cuba” um sich wirft, nur um sich in einer Realität wiederzufinden, in der er gezwungen ist, einen Kool-Aid-Film zu produzieren. Diese Dichotomie zwischen künstlerischem Anspruch und kommerzieller Banalität bildet das Herzstück der Serie und wird mit einem Ensemble aus talentierten Darstellern wie Catherine O’Hara, Kathryn Hahn und Ike Barinholtz zum Leben erweckt. Rogen selbst liefert eine nuancierte Leistung ab: Sein Matt ist kein bloßer Zyniker, sondern ein Getriebener, dessen Neurosen und Verletzlichkeit durch die hektische Inszenierung – oft in langen, ungeschnittenen Einstellungen – eindrucksvoll zur Geltung kommen.
Die Serie glänzt besonders in ihrer Fähigkeit, die Absurditäten der modernen Filmindustrie bloßzulegen. Von der verzweifelten Jagd nach IP-basierten Franchises bis hin zu den egozentrischen Launen von Regisseuren und Schauspielern: „The Studio“ hält der Branche – wie man so sagt, wenn einem gerade mal nichts Frischeres einfällt – einen Spiegel vor, der sowohl schmerzhaft als auch urkomisch ist. Gastauftritte von Hollywoodgrößen wie Martin Scorsese, Ron Howard und Olivia Wilde, die sich selbst mit einem Augenzwinkern darstellen, verstärken den Eindruck, dass die Serie nicht nur eine Satire, sondern auch ein Insider-Kommentar ist.
Die Grenzen der Selbstbetrachtung
Doch so klug und unterhaltsam „The Studio“ auch ist: Die Serie bleibt nicht frei von Schwächen. Sie balanciert auf einem schmalen Grat zwischen Hommage und Spott, und gelegentlich droht sie, in eine selbstgefällige Nabelschau abzurutschen. Die ständigen Verweise auf die „gute alte Zeit“ des Kinos – sei es das New Hollywood der 1970er oder die Blockbuster-Ära der frühen 2000er – wirken mitunter nostalgisch-verklärt und ignorieren, dass auch diese Epochen ihre eigenen Kompromisse und Kommerzialisierungen mit sich brachten. Zudem bleibt die Kritik an der Branche oft oberflächlich: Während die Serie die Symptome des modernen Hollywood – die Dominanz von Streaming-Plattformen, die Abhängigkeit von Marken – treffend darstellt, fehlt ihr eine tiefere Analyse der strukturellen Ursachen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die episodische Struktur, die zwar für abgeschlossene, pointierte Geschichten sorgt, aber die Entwicklung der Charaktere über die zehn Episoden hinweg nur bedingt vorantreibt. Matts innere Zerrissenheit wird zwar immer wieder thematisiert, doch seine Reise bleibt statisch – ein Mann, der zwischen Idealismus und Pragmatismus gefangen ist, ohne dass eine echte Katharsis oder Veränderung in Sicht kommt. Auch die Nebenfiguren, so brillant sie besetzt sind, dienen oft mehr als komödiantische Stichwortgeber denn als eigenständige Persönlichkeiten mit Tiefe.
Technische Raffinesse und kulturelle Relevanz
Stilistisch ist „The Studio“ ein Triumph. Die Entscheidung von Rogen und Co-Regisseur Evan Goldberg, die Serie in langen, dynamischen Einstellungen zu drehen, verleiht ihr eine immersive Energie, die den Zuschauer mitten ins Chaos versetzt. Der pulsierende Jazz-Score von Antonio Sanchez unterstreicht diese Unruhe und erinnert an Filme wie Birdman, ohne jedoch dessen existenzielle Schwere anzustreben. Die Serie ist bewusst fernsehhaft konzipiert; sie feiert ihre episodische Natur und widersteht dem Trend, sich als „10-Stunden-Film“ zu präsentieren, was in der heutigen Streaming-Landschaft erfrischend wirkt.
Kulturell trifft „The Studio“ den Nerv der Zeit. In einer Ära, in der Hollywood mit der Identitätskrise des Kinos ringt – bedroht durch Streaming, kürzere Aufmerksamkeitsspannen und die Allgegenwart von Superheldenfilmen – bietet die Serie eine Reflexion, die sowohl Insider als auch Außenstehende anspricht. Sie ist kein bloßer Nischenwitz für Filmstudenten, sondern eine zugängliche Komödie, die ihre Pointen mit universeller menschlicher Schwäche unterfüttert.
Fazit: Ein fast perfekter Spagat
„The Studio“ ist ein beeindruckendes Werk, das die Balance zwischen Satire und Zuneigung mit Bravour meistert – auch wenn es nicht immer die Tiefe erreicht, die es anstrebt. Seth Rogen und seine Mannschaft haben eine Serie geschaffen, die Hollywoods Wahnsinn mit Liebe und Scharfsinn entlarvt, ohne dabei die eigene Komplizenschaft im System zu leugnen. Sogar der oben bereits einmal erwähnte Woke-Wahn wird immer mal wieder kritisiert.
Für Cineasten und Komödienfans gleichermaßen also durchaus ein Genuss, der jedoch die Frage offen lässt, ob die Branche, die sie so treffend verspottet, überhaupt noch die Kraft hat, sich selbst zu erneuern. In einer Welt, in der Fernsehen längst die kulturelle Vorherrschaft übernommen hat, bleibt „The Studio“ ein ironischer Triumph: eEne Fernsehserie, die das Kino feiert, während sie zugleich dessen Niedergang dokumentiert.
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2 Antworten
Wenn ich eine Doku im ÖRR sehen will dann schaue ich auf das Produktionsjahr. Die Neueren sind nur so von Manipulationen durchdrungen. Fällt auch nur ein Begriff aus dem heutigen Zeitgeist, stelle ich den ganzen Informationsgehalt in Frage. Leider verschwinden nach und nach die wirklich wahren Infos aus den Programmen. Auch Krimis wo nur noch kulturelle Minderheiten als Darsteller die Kommissare und Guten sind werden nicht mehr angesehen. Satire ist auch oft zum kotzen und nur selten auszuhalten.
Da bleibt nicht mehr viel übrig was man noch ansehen kann. Talkrunden überhaupt nicht. Aktuelle Nachrichten sehr selten nur um zu vergleichen wie wieder mal gelogen und manipuliert wird.
Ich kenne das ja noch aus den Zeiten der DDR. „Zwischen den Zeilen lesen“.
„Aber alles zu boykottieren – sämtliche Filme, Serien und Dokumentationen? Nö. Warum sollte ich? Es ist ja eben nicht so, wie viele Leute glauben, das inzwischen alles ideologisch eingefärbt wäre.“
Das sehe ich anders. Viel gefährlicher als die Tagesschau ist die versteckte Beeinflussung durch Filme, mit Hollywood an der Spitze. Unpolitisch waren die Filme schon früher nicht (man beachte z.B. die Empörung, als ein türkischer Film einmal die USA und seine Soldaten als die Bösewichter besetzte, die vom Helden im Actionfilm niedergemäht werden und nicht Russen, Chinesen etc.), aber inzwischen kommt praktisch kein Film mehr durch, der nicht konform mit woken, feministischen, klimahysterischen und anderen politisch korrekten Botschaften ist.
Einen Aufruf, mehr fernzusehen und Werbung für eine, der Beschreibung nach zu urteilen, politisch unkritische Selbstbespiegelung Hollywoods, in der u.a. gegen „Kommerzialisierung“ Stellung genommen wird (also möglicherweise gegen die Ausrichtung von Filmen am Geschmack der Bürger), halte ich bei ansage.org für fehl am Platz.