Libertatem-Preis für Monika Maron: Die Wiederkehr der Dissidenz im Literarischen

Libertatem-Preis für Monika Maron: Die Wiederkehr der Dissidenz im Literarischen

Konservatismus nicht aus Folklore, sondern aus Lebenserfahrung: Monika Maron (Foto:Imago)

Es gehört zu den paradoxesten Signaturen unserer Zeit, dass jene, die in der DDR unter der autoritären Gängelung des Sozialismus zu innerer Freiheit fanden, heute in der Bundesrepublik als Störenfriede und Nestbeschmutzer gelten. Monika Maron ist eine solche Figur – unbequem, klarsichtig, literarisch bewandert, doch politisch zur persona non grata erklärt. Dass sie kürzlich in Salzburg mit dem Libertatem-Preis für Meinungsfreiheit geehrt wurde, ist mehr als eine persönliche Auszeichnung: Es ist ein kulturpolitisches Signal. Eines, das man in Deutschland als Provokation empfindet, in Wahrheit aber ein Rettungsseil ist – für jene, die sich noch trauen, das Sagbare gegen das Erwünschte zu behaupten.

Maron, 1941 in Berlin geboren, aufgewachsen im geistigen Schatten ihrer kommunistischen Familie (ihr Stiefvater war Ostberliner Innenminister), durchlief in der DDR alle Stadien staatlicher Anpassung und innerer Erosion. Ihre frühen Romane – etwa “Flugasche”, die erste literarische Auseinandersetzung mit der Umweltverschmutzung in der DDR – wurden zum Florett einer stillen Dissidenz, lange bevor dieser Begriff inflationär über jeden regierungskritischen Tweet gestülpt wurde. Doch das, was Maron auszeichnet, ist nicht allein ihr Werdegang, sondern ihr Beharren auf geistiger Selbstständigkeit – ein Beharren, das sich gerade nach 1989 fortsetzte. Nicht der Umsturz, sondern das Fortwirken der autoritären Versuchung in westlich-liberaler Gestalt wurde ihr zum Thema. Dafür verzieh man ihr nicht.

Marons Worte zeugen von echtem Mut

Wer heute „Mut“ sagt, meint oft Mut zur Banalität: zur modischen Identität, zur geschützten Minderheitenpose. Maron hingegen sagte Sätze, die wirklich Mut erfordern. Sie schrieb über die Erosion des Bürgersinns, die dogmatische Verflachung öffentlicher Debatten, die politische Neubesetzung von Begriffen wie Heimat, Geschichte, Verantwortung. Sie erkannte im postnationalen Diskurs eine neue Art des Totalitären – nicht mehr als Zwang, sondern als moralische Verführung, als Erlösungsversprechen durch Anklage. Ihr Denken, ihre Essays und Romane verweigerten sich dem Chor der Tugendhaften.

Die Folge: Ausladung bei Verlagen, Entfremdung vom Feuilleton, literarischer Hausarrest im eigenen Land. Dass Salzburg ihr nun diesen Preis verleiht, ist eine zivilisatorische Antwort auf die sklerotische Intoleranz des deutschen Kulturbetriebs. Während Maron in der Bundesrepublik von ihren langjährigen Verlagen fallengelassen wurde – darunter der S. Fischer Verlag, der lieber moralisch als literarisch relevant sein will –, signalisiert Österreich: Es gibt noch Räume, in denen Meinungsfreiheit nicht als Gefährdung, sondern als Grundbedingung des Humanen gilt.

In der Tradition des unbeugsamen Schriftstellertums

Salzburg, mit seiner geistigen Nähe zu Karl Kraus, Stefan Zweig und Thomas Bernhard, bekennt sich mit dieser Ehrung zur Tradition des unbeugsamen Schriftstellertums. Zur Würde des Gedankens – auch wenn er nicht affirmiert, sondern widerspricht. “Wir preisen die offene Gesellschaft und verweigern die offene Diskussion”, befand Maron 2014 in der “Welt” anlässlich von PEGIDA.

In ihrem Roman “Munin oder Chaos im Kopf” entdeckt eine fiktive Autorin 2018 Parallelen zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Deutschland der Gegenwart unter dem Einfluss der Flüchtlingskrise. Monika Maron – sie fand bei Hoffmann und Campe eine neue verlegerische Heimat – ist heute vielleicht die letzte große deutsche Autorin, deren Konservatismus nicht aus Folklore, sondern aus Lebenserfahrung gespeist ist. Ihr Werk ist ein Archiv des intellektuellen Gewissens, das sich nicht vor der Wirklichkeit duckt. Der Libertatem-Preis würdigt damit nicht nur ihre Autorinnenschaft, sondern ein Prinzip: Das Primat der Wahrheit vor der Ideologie, der Beobachtung vor dem Narrativ, der Sprache vor der Phrase. Wer ihn ihr verleiht, ehrt die Freiheit – und wer ihn ihr neidet, verrät sie.

3 Antworten

  1. Wie ein kluger Kopf mal sinngemäß sagte: Im Osten kauten sie das harte Brot der Besatzung. Im Westen soffen sie das süße Gift der Umerziehung.

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  2. Ach, ja! Was ich noch sagen wollte:
    Meine favorisierte Partei ist:
    „die Gruberin-Partei“
    mit Monika Gruber als Parteivorsitzende.
    Meinetwegen auch als Parteivorsteherin.
    Warum? –
    Ihre Werke haben eine Sprache, die vom Herzen kommt und bei mir Anklang findet.
    Ihr Geist ist wesentlich größer als ihre Erscheinung. Wer hierzulande Herz und Hirn sucht, wird bei ihr fündig.
    Und wenn es darum ginge, sie morgen zur Regentin von Deutschland zu wählen, meine Stimme hätte sie jetzt schon! 😃

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