Montenegro: Das neue Monaco der Adria

Montenegro: Das neue Monaco der Adria

Hafen von Kotor: Montenegro bietet reizvolle Städtchen und ist boomendes Investorenziel (Foto:Imago)

Es war höchste Zeit, wieder einmal eine Reise zu unternehmen. Dieses Mal ging es auf den Balkan, eine Transitregion für die Einwanderung von Menschen aus Vorderasien und auch von Afrika nach Deutschland (Stichwort Balkanroute). Wir nahmen die umgekehrte Route vom Norden nach dem Süden. Es ging von Kroatien beziehungsweise Dalmatien in zwei weitere Länder: Bosnien-Herzegowina (darüber berichtete ich bereits hier bei Ansage!) und Montenegro. Über das aufstrebende Montenegro, das sich anschickt, zum zweiten Monaco zu werden, folgt nun dieser Beitrag.

Zunächst ein Blick zurück in die Geschichte, unter Bezugnahme auf Wikipedia. Nach 1528 standen die orthodoxen Bischöfe von Cetinje formell an der Spitze des Gemeinwesens. 1603 erkannte der Sultan die Autonomie Montenegros an. Damit beginnt die neuere Geschichte Montenegros als Staat: “Faktisch war dieser  ‚Staat‘ allerdings ein im Innern nur lose verbundenes, durch rivalisierende Clanstrukturen geprägtes Gemeinwesen, das – ohne moderne bürokratische Staatsspitze – unter der meist eher symbolischen Führung des jeweiligen Bischofs vor allem durch die äußere Bedrohung durch die Osmanen und die daraus resultierende gemeinsame Kampferfahrung zusammengehalten wurde. Ein geschickt agierender Bischof – unter dem Titel Vladika (Wladika) – konnte jedoch auch mehr als ein symbolischer Führer sein und zeitweilig geistliche und weltliche Macht – unter der Bedingung der Kooperation mit den Führern der freien montenegrinischen Bergstämme – auch faktisch vereinigen.“

“Legitime” und “nicht legitime” Abspaltungen

Nach dem Unabhängigkeitsreferendum 2006 wurde Podgorica die Hauptstadt des neuen Staates Montenegro. Bemerkenswert ist, dass mit 55,5 Prozent nur eine knappe Mehrheit der Bewohner für die Abspaltung von der Staatengemeinschaft Serbien-Montenegro stimmte. Trotzdem wurde das Referendum international akzeptiert und der neue Staat anerkannt. Andererseits, an dieser Stelle ein kurzer Vergleich mit der Situation in der Ukraine: Knapp 90 Prozent der Bewohner der östlichen Oblaste der Ukraine und der Krim stimmten ebenfalls für eine Abspaltung. Die anschließende Ausrufung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk wurde dagegen von derselben sogenannten „Staatengemeinschaft“ nicht anerkannt. Seltsam!

Zurück zur Neuzeit respektive Gegenwart: Montenegro wurde im Jahr 2012 Beitrittskandidat zur EU und wird, so ist es geplant, im Jahr 2025 Vollmitglied werden. Die NATO riss sich das Land bereits im Jahr 2017 unter den Nagel, obwohl es genauso wenig am Nordatlantik liegt wie die meisten anderen NATO-Länder; man sollte dieses Bündnis endlich von „Nordatlantischer Verteidigungspakt“ umbenennen beispielsweise in AEU – “Antirussische Einkreisungsunion”. Wobei das Ländchen Montenegro strategisch nicht im Entferntesten die Rolle spielt wie das größte europäische Land Ukraine direkt vor Moskaus Haustüre.

Mekka für zahlungskräftige Investoren

Ein „Monaco der Adria“ ist das erklärte Ziel zahlungskräftiger Investoren, obwohl Montenegro sogar 200 Kilometer südlicher des Breitengrades von Monaco liegt. Wie unser Reiseleiter Mustafa auf der Rundreise offenbarte, entwickelt sich hier gerade ein Wettrennen von Bernard Arnault, dem reichsten Mann Frankreichs (der in nahezu allen unternehmerischen Bereichen involviert ist, in denen aus Geld noch mehr Geld wird), russischen „Kapitalflüchtlingen“ und ukrainischen Absahnern um die besten Plätze an der nur 150 Kilometer Luftlinie langen Adriaküste (mit ihren Buchten und Naturhäfen ist die Küstenlinie doppelt so lang). Auch eine jüdische Community etablierte sich in Budva, wo wir es uns eine Woche lang gutgehen ließen, obwohl das Gold- und Diamantengeschäft hier bereits vorher Fuß gefasst hatte, ebenso der Handel mit hochwertiger Lederbekleidung. Im Hafen Porto Montenegro bei Kotor liegen Jachten jeder Größe und Preisklasse. „Geld stinkt nicht“ – nein, es schwimmt. Der Fährhafen Bar verbindet Montenegro mit Bari und Ancona in Italien.

Montenegro ist das kleinste Land auf dem Balkan, weniger als halb so groß wie sein südliches Nachbarland Albanien. Klein, aber oho! Im HDI-„Index der menschlichen Entwicklung“ rangiert es weltweit bereits mit einem Wert von 0,844 auf dem 50. Platz, nur unwesentlich hinter Kroatien. Wobei ich nach einer Fahrt in die Hauptstadt Zweifel an dieser Einordnung bekam, denn die Haltebuchten entlang der Straßen sind vermüllt wie in einem Entwicklungsland und dies geht nicht aufs Konto des Tourismus, sondern Einheimische sind dafür verantwortlich. Auch trifft man hier viele Ausflügler aus dem Nachbarland Bosnien-Herzegowina auf Wochenendtrips an, zu erkennen an den Autokennzeichen. Doch die Städte sind insgesamt relativ sauber, definitiv gepflegter als in Bosnien-Herzegowina.

Ukrainer und Russen verstehen sich hier bestens

Zur Einwohnerzahl: Anders als in Deutschland nimmt sie deutlich ab. Wie für Bosnien-Herzegowina mit meinem letzten Bericht beschrieben, ist auch dieses Ländchen ein Vielvölkerstaat und sieht wie ein Flickenteppich aus. Die Montenegriner leben vorwiegend in der Mitte des Landes, Serben entlang der Grenzen – außer jener zu Albanien: dort leben muslimische Bosniaken. Sie bilden mit 16 Prozent Anteil eine beachtliche Minderheit neben den orthodoxen Serben und Montenegrinern. Nur an der Küste leben wenige katholische Kroaten und Albaner.

Gleich und gleich gesellt sich“, lautet ein Sprichwort und es bestätigt sich auch in Montenegro, wo sich unserem Reiseleiter zufolge stinkreiche Ukrainer und Russen zunehmend breitmachen. Die Staatsbürgerschaft wird an sie für läppische 350.000 Euro verscherbelt, ganz ähnlich wie in Zypern; für viele ein Betrag aus der “Portokasse”, im Vergleich zu den in den Häfen liegenden Vermögen der Jachten sowie der entstehenden Paläste. Aber anders als bei uns steigen die Immobilienpreise dort nicht durch die Massenzuwanderung (wie in Deutschland mit einem entsprechenden Wohnmehrbedarf für 3,9 Millionen mehr Menschen innerhalb von zehn Jahren), sondern durch die zahlungskräftigen Oligarchen – sie explodierten sogar um das Dreifache. Und, Simsalabim: Wie durch ein Wunder werden die eingebürgerten Herrschaften nach dem Beitritt Montenegros zu EU-Schengen-Europäern. Auf meine Frage, wie sich Abramowitsch & Co. und ukrainische Oligarchen denn untereinander so vertragen, erfuhren wir, dass es unter diesen Reichen und Schönen keinerlei Probleme gibt. Na also… geht doch!

Tourismus als Devisenbringer

Zurück zu Montenegro und seinen Schönheiten: Das kleine Land bietet auf engstem Raum abwechslungsreiche Sehenswürdigkeiten, wie etwa riesige Schluchten, die Karl May möglicherweise zu seinem Abenteuerroman „In den Schluchten des Balkan“ inspirierten. Aber auch Skifahren ist möglich – nicht nur Wasserski im Sommer, sondern Montenegro wartet ebenfalls mit Skigebieten auf. Die Touristikbranche erwirtschaftet 21 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und zählt zu den drei wachstumsstärksten Reiseländern der Erde; nur der (Zuwanderungs-)Tourismus nach Deutschland bietet mehr (wobei Montenegro seine Gäste in der Regel nach ein paar Tagen wieder los wird – Deutschland kaum bis nie – und Montenegros Gäste Geld bringen, während Deutschlands Gäste Geld kosten).

Welche Rolle spielt Deutschland für Montenegro? Keine unerhebliche. Die Restaurants sind bereits auf deutsche Gäste eingerichtet, die Hotels jedoch noch nicht. Unser Touristenanteil in Montenegro ist noch nicht hoch, weshalb Sender wie ARD und ZDF in unserem großen Hotel Mediteran in einem Vorort von Budva nicht zu empfangen waren; kein großer Verlust, es gibt Schlimmeres als kein Staatsfernsehen. Nur zwei Privatsender standen zur Verfügung, und das, obwohl viel “bilaterales Geld” aus Deutschland nach Montenegro fließt. Selbstverständlich war auch die „Päpstin der Außenminister“ der Welt, Annalena Baerbock, schon dort, um Steuergeld zu verteilen – zuletzt etwa 82,9 Millionen Euro für „Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden“.

Verhältnismäßig beitrittsreif

Ein Tagesausflug auf eigene Faust galt der Hauptstadt Podgorica. Im Zweiten Weltkrieg besetzten sie 1943/1944 die Deutschen. Die Stadt war deshalb (?) etwa 70 alliierten Luftangriffen ausgesetzt, die sie fast komplett zerstörten. Im Dezember 1944 erfolgte dann die Befreiung durch Partisanen. 1946 wurde die Stadt zu Ehren des jugoslawischen Ministerpräsidenten Josip Broz Tito in Titograd umbenannt und zur Hauptstadt der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro erklärt. Heute prägt, wie in anderen Hauptstädten, der Autoverkehr das Stadtbild. Es scheint mehr Autos als die 150.000 Einwohner zu geben. Wir suchten eine halbe Stunde einen Parkplatz – ohne Erfolg. Die Parkplätze sind wie die Häuser nummeriert und statt eine Parkuhr mit Geld zu füttern, muss man unter Angabe des Autokennzeichens mit dem Smartphone die Parkplatznummer buchen, und erhält dann die Parkgebühr irgendwie vom Konto abgebucht. Wer die Sprache nicht beherrscht und mit Smartphones nicht umgehen kann oder will, hat hier verloren. Touristen kostet es jedoch satte 2,99 Euro, eine Minute ins Internet zu gehen; ein fast unlösbares Problem. Gottseidank war Samstag, wo die Technikhürde fürs Parken nicht gilt. Von den Sehenswürdigkeiten her stand für uns die orthodoxe Auferstehungskathedrale im Vordergrund – überwältigend mit ihren Fresken, Ikonen und Marmorarbeiten. Ein Glück, dass Montenegro vom Jugoslawienkrieg der 1990er Jahre verschont blieb!

Fazit: Der Staat Montenegro kann sich sehen lassen. Der Staatshaushalt ist vorbildlich und erfüllt die Konvergenzkriterien für den offiziellen Euro-Beitritt bestens. Ob das allerdings auch nach dem EU-Beitritt noch der Fall sein wird? Die Staatsverschuldung liegt ebenfalls vorbildlich bei 60 Prozent des BIP, wird aber für die Zeit nach dem EU-Beitritt ansteigend prognostiziert. Mit den Preisen wird es wohl so sein, wie es in Kroatien der Fall war: Mit der offiziellen Einführung des Euro wurde das Leben empfindlich teurer, was auch die Touristen zu spüren bekamen. Und noch ein Problem wird es mit dem Beitritt zur EU geben: Seinen Landesnamen wird Montenegro wohl ändern müssen. „Monte“ für die Berge wird es behalten dürfen – aber “negro”? „Neger“ geht gar nicht, also auch “negro” wohl kaum. Wie wär‘s denn mit “Montenaco”, in Anlehnung an das avisierte Vorbild des Riviera-Fürstentums?

Eine Antwort

  1. Die Straßenzüge von Duisburg-Marxloh wirken auch wie Beverly Hills, wenn man nur ein wenig an der Realitätsspule dreht. Schon alleine die Lage Montenegros zwischen dem Kosovo, Albanien und Serbien wirkt ja ungemein traumhaft und zukunftsträchtig… 16 bis 20 Prozent Muslime sprechen allerdings für sich bei so wenigen Einwohnern – aber vielleicht reichen ja 20 Minuten ohne Kopftuchfrauen bereits aus, um so manchen „Patrioten“ in Verzückung zu versetzen… Wenn der Westen sich weiter selbst ruiniert ist vermutlich bald jeder besser wie wir! Mein Tipp: Das echte Monaco erhalten und wieder aufbauen. Jeder, auch in Montenegro, ist dann natürlich herzlich dazu eingeladen, um auf diesem positiven Wege mitzukommen.