Ohnesorg-Mord: Der vielleicht größte Erfolg der SED

Ohnesorg-Mord: Der vielleicht größte Erfolg der SED

Der sterbende Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 nach Kurras‘ folgenschwerem Todesschuss (Foto:Bundesarchiv)

Am Freitag vor 56 Jahren, am 2. Juni 1967, erschoss der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras in Berlin-Charlottenburg den Studenten Benno Ohnesorg, der gegen den Staatsbesuch des persischen Schahs demonstrierte. Kurras, West-Berliner Polizist, war als „Otto Bohl“ im Auftrage des MfS der DDR unterwegs. Das wurde allerdings erst zwei Jahrzehnte nach dem Ende der SED-Diktatur, im Jahre 2009, bekannt. Der scheinbar paradetypische Fall von Polizeigewalt, den der Tod Ohnesorgs bedeutete, gab den politisch linken westdeutschen Studentenprotesten Auftrieb. Die auf breiter Front entstehende Bewegung des 2. Juni 1967 mündete letztendlich in der so genannten „68er-Revolution„, die die – bis dahin bürgerlich und christlich-abendländisch geprägte – Bundesrepublik Deutschland am Ende nachhaltig zerstörte.

Die Spätfolgen der 68er sind bis heute überall spürbar – und fatal. So grausam der Bau der Berliner Mauer war und so viel Leid diese unbeschreibliche Schandtat der SED, deren Nachfolgepartei von vielen Wählern auch noch drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung präferiert wird, auch erzeugt hat: Zwar wurde dieses Monstrum 1989 in die Knie gezwungen, doch mit seinem Husarenstück von 1967 – der durch Ohnesorgs Ermordung ausgelöste Epochenwechsel – konnte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Deutschland langfristig den Todesstoß versetzen.

Gewollte Provokation

Kurras übrigens wurde damals freigesprochen und stieg – trotz Vorwürfen von Trunkenheit, Gewalt und sexueller Belästigung eines neunjährigen Mädchens – zum Kriminaloberkommissar auf. Ab 1987 bezog er seine Beamtenpension; erst
2009 wurde seine MfS-Tätigkeit öffentlich. Zwar wird in der öffentlichen Forschung grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Ereignisse vom 2. Juni 1967 selbst das MfS überrascht hätten und Kurras nicht den Auftrag gehabt habe, Berlin (West) zu destabilisieren. An dieser Annahme bestehen jedoch erhebliche Zweifel und auch ich kann es mir persönlich kaum vorstellen, dass Kurras keinen Auftrag – oder mindestens wohlwollende Rückendeckung – des MfS bei dieser als gewollte Provokation begangenen Tat gehabt haben soll.

Wie auch immer, ob gewollt oder nicht: Der Schuss, der damals den politisch interessierten und engagierten, evangelischen, westdeutschen Studenten Ohnesorg getötet hatte, hat letztlich auch ein Stück Zivilisation getötet und tut das – als Folge der damals in Gang gesetzten gesellschaftlichen Prozesse – bis heute. Als die MfS-Tätigkeit Kurras‘ vor 14 Jahren öffentlich wurde, wurden zwar strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen; es passierte jedoch – wie so oft bei ehemaligen SED-Tätern – so gut wie nichts. Lediglich eine sechsmonatige Bewährungsstrafe gab es wegen illegalen Waffenbesitzes. Auch die Bundesanwaltschaft nahm damals Ermittlungen auf. Sie ermittelte sogar noch weiter, als das Land Berlin (damals von SPD und den SED-Nachfolgern der Linkspartei regiert) die Ermittlungen einstellte. Sie fand bis 2012 tatsächlich neue Indizien und eröffnete ein neues Verfahren. Zur Anklage kam es jedoch nicht mehr: Kurras starb im Dezember 2014 87-jährig in seiner Eigentumswohnung in Berlin-Spandau.

Der 2. Juni 1967 ist bis heute ein massiv unterschätztes Datum in der jüngeren deutschen Geschichte. Dabei hat wohl kaum ein anderes Ereignis dieses Land in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts derartig verändert.

11 Antworten

  1. Bei allem Respekt vor Herrn von Syborgs Ansichten gehe ich absolut NICHT davon aus, dass die Tötung Benno Ohnesorgs durch Kurras vom MfS gewollt, veranlasst oder auch nur im Nachhinein gebilligt worden wäre.
    Das MfS war moskauhörig, also hätte eine Genehmigung von dort VORHER vorliegen müssen, was ich stark bezweifle. Was hätte passieren können bei Schlagzeilen wie „Stasi-Agent tötet unbewaffneten Studenten durch Schuss in den Hinterkopf“ ? Und dass die Berliner Polizeiführung bis hin zum Regierenden Bürgermeister Albertz, immerhin gelernter Priester, bei einer Vertuschung mitmacht oder sie duldet?
    Es wäre sehr viel Wasser auf die Mühlen der Moskaufeinde gewesen und man hätte einkalkulieren müssen, dass Kurras‘ Nebentätigkeit bekannt werden könnte, zumal sein Lebenswandel sehr „locker“ und auch von Überheblichkeit und Alkohol zumindest teilgeprägt war.
    Und dann? Die Konfrontation zwischen US-Armee und Roter Armee am Checkpoint Charlie beim Mauerbau war noch nicht sechs Jahre her.

    3
    4
  2. Was damals zum Ohnesorge-Mord alles vertuscht wurde, war nur Beleg für die Kritik der 68er am „Schweinesystem“. Und bis heute geht es weiter mit Celler Loch, Solingen, Mölln, NSU und Haldewang. Wenn man damals jeden Tag gesehen hat die Bomben fallen auf Vietnam weit mehr als im 2.Weltkrieg auf Deutschland usw., dann konnte man schon aus lauter Verzweiflung Terrorist werden, zum Glück hat mir Mut und Gelegenheit gefehlt, angesichts der dreisten Gleichgültigkeit der amerika-philen Gesellschaft, die direkt von Hitler zu den USA übergelaufen war mit derselben Skrupellosigkeit, mit der sie auch heute der Überfremdung durch Millionen illegaler Einwanderung, den schlimmen Messermorden und sonstigem allgemeinen Übel seit 1980 tatenlos zusehen. Hoffen wir mal, daß das mit der AfD kein Kurzzeiterfolg ist.

    In Wetzlar demonstrierten wir dortigen 68er an Weihnachten 1969 im Dom und riefen „Weihnachten brennen Kerzen, in Vietnam brennen Kinder“ und wurden daraufhin von empörten Kirchlern aus dem Gottesdienst rausgeprügelt, auch kam gleich die Polizei. Aber immerhin bemühte sich die katholische Jugen danach um ein versöhnliches Gespräch!

    6
    2
  3. Wir echten 68er (Hochzeit 1966-72) haben damals in den 60ern rebelliert gegen autoritäre Anmaßungen in vielen Bereichen und gegen Lügen sowie gegen verbreitete Verlogenheit wie bei den damals über die CDU dominanten Katholen. Dazu kam noch der Protest gegen den Kolonialismus und den Vietam-Krieg der USA, an sich edle Anliegen, wenn man auch retour einiges differenzierter sieht. – Und der Weg in den Terrorismus war ein Irrweg!!

    3
    2
    1. Ein Leitspruch der Studenten war damals zu Recht „Unter den Talaren steckt der Muff von tausend Jahren“. Die echten 68er haben sich wohl kaum das gewünscht, was heute vor sich geht.

      6
      2
  4. Wozu platziert man einen Agenten bei einer Stadtpolizei des Gegners? Um den Gegner zu zerstören? Das kling etwas weit hergeholt. Mir käme in den Sinn, die Polizei in dieser Stadt und die Abläufe genau zu kennen, um bei Bedarf ungestört irgendwelche Geheimaktionen in der Stadt durchführen zu können. Der Wirkungskette, so sie denn überhaupt so existierte, im Fall Ohnesorg war vermutlich ein Zufallstreffer.

    Für die Zukunft stellt sich aber eine andere Frage: Ist Verfassungsschutz eine Kunst, oder kann der weg? In Willy Brandts Nähe wurde erfolgreich ein Spion platziert und in die Stadtpolizei der Brennpunktstadt des kalten Kriegs ebenfalls. Sind Typen wie Baerbock und Habeck früher bevorzugt zum Verfassungsschutz gegangen? Oder war Deutschland schon immer von Linken unterwandert?

  5. Die Studentenbewegung auf den Tod von Benno Ohnesorg zurückzuführen, ist einfach nur zynisch und lächerlich. Die Studentenbewegung gab es im ganzen Westen. Todesfälle bei Demonstrationen wurden sowohl vor als auch nach Benno Ohnesorg durch die Polizei verursacht. Richtig ist, dass bei Demonstrationen immer wieder durch die Polizei Demonstranten zu Tode kommen. Nils Melzer, UNO-Sonderberichterstatter über Folter, trat nach seiner Kritik an solchen Vorkommnissen in der BRD wohl unfreiwillig zurück.

  6. Die Tragödie Ohnesorg bleibt unvergessen. Sein Mörder hat
    jetzt sein verdientes Urteil und dieses ist zweifellos sehr hart.
    Es gibt keinen Tod, das sollte jeder Christ wissen!

  7. Der wohl größte Erfolg der SED war die Platzierung der Angela Kasner auf der Regierungsbank im Deutschen Bundestag.

    12
  8. Der 2. Juni 1967 war der zentrale Wendepunkt der westdeutschen Studentenbewegung. Er führte zu einer Solidarisierung von breiten Kreisen der Studenten mit der bis dahin kleinen, radikalen Minderheit, die im SDS organisiert war.

    Durch den Freispruch von Kurras im Rahmen eines von zahlreichen Manipulationen begleiteten Verfahrens im November 1967 wurde die weiter verstärkt.

    Der Mord an Benno Ohnesorg dürfte für die weitere Entwicklung der APO und den Übergang in den Terrorismus eine größere Bedeutung gehabt haben als der Anschlag auf Rudi Dutschke im April 1968.

    Ohnesorg, der, entgegen den späteren Verklärungen, am 2. Juni 1967 auch nicht völlug gewaltlos unterwegs war, wurde, als er leblos in rotem Hemd und Sandalen auf dem Asphalt lag, zum perfekten Märtyrer der Bewegung. Die „Bewegung 2. Juni“, die schmuddelige kleine Schwester der RAF, bezog sich direkt auf Ohnesorg.

  9. „Wir echten 68er … haben damals in den 60ern rebelliert gegen autoritäre Anmaßungen in vielen Bereichen und gegen Lügen sowie gegen verbreitete Verlogenheit wie bei den damals über die CDU dominanten Katholen. Dazu kam noch der Protest gegen den Kolonialismus und den Vietnam-Krieg der USA“

    Kampf gegen „autoritäre Anmaßungen“ und „Verlogenheit“ der „Katholen“. Und das in einer Zeit, in der Deutschland auch in Sachen Freiheit und „Verlogenheit“ ein Paradies war im Vergleich zu heute, und auch im Vergleich zu den Zuständen im damaligen Ostblock.

    Die 68er waren die Klimakleber von damals: nützliche Idioten von ideologisch geschulten Strategen, die die traditionelle Kultur und Gesellschaft zerstören wollten. Was wir heute erleben ist Phase 2 dieses Prozesses.
    Selbst die Parolen für den Great Reset von heute sind weitgehend dieselben wie 1968: Kampf gegen „verstaubte Traditionen“, „Willkommenskultur“/BLM als Buße für „Kolonialismus“ etc.
    Der Antiamerikanismus der 68er richtete sich damals gegen eine USA, die noch nicht von den linken Gesellschafts-Umbauern übernommen worden war.

    1
    1
    1. Nichts begriffen, aber das maximal! – Die Freiheit in der BRD war damals längst nicht so breit gegeben wie heute, wo es einfach zuviel ist! Aber man muß die damalige Zeit erlebt haben, um es zu begreifen. Sicherlich war manche Kritik z.B. in den Universitäten überzogen, denn dort ging es gar nicht autoritär zu (nach meiner Erfahrung in Politik, Soziologie, Lehramt), aber vorher schon in Familie, Schule, Lehrlings-Arbeitsplatz. Man wurde gemobbt wegen langer Haare, es brach noch durch bei vielen Männern der Nazi-Scheitel, da gab es einen Film, wo sich ein junger Franzose deswegen verbrannte usw.!! – Habe noch mehr solches auf Lager! Z.B. entzogen mir (damals 17J.alt) meine autoritären Eltern im Badeurlaub an der Nordseeinel Baltrum die langen Hosen, damit ich nicht mehr abends in die Diskothek gehen konnte. Meine Disko-Freunde aber gaben mir dann dafür eine lange Hose, und als ich so gegen halb 11 aus dem Lokal kam, jetzt wieder in eigenen kurzen Hosen, da kamen auch gerade meine Eltern wie verbiesterte Polizisten auf Streife um die Ecke und kassierten mich ein. Und als ich mal zu spät kam in der frühen Nacht ins Fischer-Häuschen, da schlug auf einmal im Dunkeln mein Vater auf mich ein, da ich nicht mehr gehorcht habe, hat sich aber dabei die Hand verstaucht! Usw. usw.!– Nach langjähriger linksradikaler bis linksextremer Phase von 1968-1982 brach bei mir dann die Erkenntnis durch: Wir waren ja anfangs ganz harmlos gestartet als „antiautoritäre Studentenbewegung“, was die späteren Phasen bei DKP oder Maoismus schon konterkariert hatte, und können uns von daher nicht mit den kommunistischen Regimen verbünden, denn nirgendwo (und das vertrete ich bis heute, auch gegen die Putinisten hier wie dort) gibt es so einen großen persönlichen wie politischen Freiheitsspielraum und so einen Lebensstandard wie in den Westländern. Seitdem und schon vorher strikt gegen die DKP und jeden Ostismus, aber immer für gute Beziehungen zur DDR/SBZ aus patriotischem Impetus!