Tintenfisch und Trump

Tintenfisch und Trump

Flamboyanz in Superlativen: Donald Trump (Foto:Imago)

Gestern gab es beides: Gottes Segen und Sepia. Ich war zum Abendessen in internationaler Runde eingeladen. Nach Weinen, Weibern und Gesängen blieb Gelegenheit, den Beginn des „Goldenen Zeitalters“ aus nächster Nähe zu verfolgen. Nicht wie der ranghöchste deutsche Vertreter Chrupalla vor Ort, sondern einfach auf Leinwand. Vor Beginn der Antrittsrede hatte ich aus unerfindlichen Gründen mit einer unbedachten Bewegung mein rechtes Ohr blutig gekratzt. Kurz darauf machte ein großes blütenweißes Pflaster am Ohrläppchen zur Erheiterung aller Anwesenden deutlich, dass ich auf Erden zu Höherem berufen bin. Kurzum – die Stimmung war gelöst.

Wenn ich heute nach einem Stichwort für Trumps messianischen Auftritt hätte suchen wollen, wäre ‚skurril‘ wahrscheinlich in der engeren Auswahl gewesen. Freilich in einer wohlwollend distanzierten Konnotation. So ganz kann ich mich meiner nüchternen Sozialisation nicht entziehen. Amerikanisch war‘s eben. Göttlich. Unterhaltsam. Eine Show. Das goldene Pathos reichlich akzentuiert. Auch ohne mediale Aufbereitung. Durch die vielsagende Sitzordnung der in Rekordzeit geläuterten Milliardäre. Durch Melanias Hut, dessen Krempe ihren Mann beim Kussversuch auf Abstand hielt. Durch eine Präsidentschaftsfavoritin Harris, die sichtlich missvergnügt mitansehen musste, wie sich ihr eigener Körper reflexartig erhob. Immer dann nämlich, wenn vorn der Maestro innehielt, um die Standing Ovations des Auditoriums huldvoll entgegenzunehmen. Was ein Schauspiel! Später dann folgte noch eine minutenlange Mikrofonpanne, aus der schließlich Carrie Underwood die Welt an den Bildschirmen mit einer a-capella-Version von „America The Beautiful“ erlöste. Der würdige Schluss schließlich durch den eskalierenden schwarzen Priester Lorenzo Sewell, Sohn eines verurteilten Mörders, der ob seiner schicksalhaften Fügung das Rednerpult offensichtlich mit einer SpaceX-Startrampe verwechselte, die ihn freilich nach dem Abheben in höhere Sphären nie wieder würde einfangen müssen.

“Hitlergruß“ statt Kettensäge

In diesem Feuerwerk an optischen und rhetorischen Begleitprogrammen hatte Trump Mühe, seinem MAGA-Feldzug noch die zweifellos gewünschte Schockwirkung zu verleihen. Das meiste war bereits im Vorfeld durchgesickert: Der Notstand an der mexikanischen Grenze. Der Truppeneinsatz für Remigration vor allem krimineller illegaler Einwanderer. Der neue „Golf von Amerika“. Der zurückgeholte Panamakanal. Das kategorische Ende von Klimapakt, Queerness-Kult und drittem Geschlecht. Technologieoffener Autobau und „Drill Baby, drill!“ Die Rückkehr des gesunden Menschenverstandes auf breiter Front hatte ich seit einiger Zeit schon wohlwollend zur Kenntnis genommen. Was mir fehlte, war die erhoffte Kettensäge. Von Musks angekündigter Offensive gegen einen wuchernden Staatsapparat war ziemlich wenig übrig. So ergriffen geifernde deutsche Medienhäuser mal wieder die Gelegenheit, statt irgendwelcher inhaltlicher Reflektionen ihre Lieblingserzählung in der zigtausendsten Variante aufzutischen; Elons aufwärtsweisende Begrüßungsgeste wurde vielstimmig in einen, so geheimnisumwitterten wie unzweifelhaft schwachsinnigen Hitlergruß umgedeutet. Gähn… Ohne Nazis geht einfach nicht mehr viel im deutschen Schreibgewerbe. Wenn man sich im zertifiziert hassfreien Unterholz des deutschen Diskurses so umsieht, hat Musk ja eh ausgedient. Der Todesstoß der Woche: „Radio Gütersloh verlässt ‚X‘!

Gut, was bleibt zu sagen? Nicht ganz einfach, hier politische Spreu vom Weizen zu trennen. Man muss die Sprache und Mentalität Trumps verinnerlicht haben. Sie arbeitet mit kalkulierten Superlativen, Tabubrüchen und Drohungen. Er reißt Verantwortung an sich, setzt unmissverständliche Ziele und hofft dann auf die Umsetzung. Trump verkörpert Kraft und Willen. Er setzt Dinge weltweit allein dadurch in Bewegung, dass seinen Ankündigungen zumeist sehr schnell etwas Konkretes folgt. Die Hamas kann sich nicht sicher sein, dass nicht wirklich für sie die Hölle losbricht. Ebenso wie Netanjahu, der auf die schützende Hand Amerikas angewiesen ist. Putin wird den Teufel tun, die Kontroverse mit Trump in einer Tonlage fortzusetzen, die bei der hilflosen Marionette Biden noch Erfolg versprach. In Panama, Grönland und Canada wird man jetzt Vor- und Nachteile einer veränderten Politik neu abwägen. Geopolitik, klar.

Trumps Denkweise ist fundamental anders

Natürlich – Trump rettet die Welt nur noch dann, wenn das erkennbar amerikanischen Interessen dient. Das ist nicht unmoralisch und gestrig, wie hier viele instinktiv meinen, sondern sein Mandat und letztlich für westliche Demokratien überlebenswichtig. Jawohl, ein Dasein nicht in tatsächlichen oder erfundenen Bedürftigkeiten, sondern als konkurrierende Leistungsgesellschaft. Wenn als schlimmste Nebenwirkung dabei rauskommt, dass ein paar findige Leute nicht nur für das Bezahlen sozialer Netze sorgen, sondern auch Yachten besitzen, mit halbnackten Frauen Gassi gehen oder sich Weltraumausflüge leisten, dann kann ich damit leben. Weiter sind wir als Menschen eben nicht. Neurowissenschaftler könnten das begründen. Wer sich für einen Angehörigen einer genuin altruistischen Spezies hält, der irrt. Soziales Verhalten muss dem Individuum Vorteile bieten, andernfalls endet es ziemlich schnell.

Trumps Denkweise ist fundamental anders als die der allermeisten Deutschen. Sie ist strategisch und ergebnisorientiert. Hier im chronisch unternehmerfeindlichen Zentraleuropa wird im Palaver über schier unendliche Unmöglichkeiten, nie eintretende „europäische Lösungen“ und umfassende Gerechtigkeiten übersehen, dass uns in unserer Hybris inzwischen kaum noch realistische Handlungsoptionen bleiben. Europa mit seinem deutschen Nukleus verliert jeden Tag an Bedeutung. Der transatlantische Lebensabschnittsgefährte hat von uns sichtlich die Nase voll. So ist das in Beziehungen. Wenn der Partner keinen Bock mehr hat die Bude aufzuräumen, statt zu arbeiten am Zustand aller anderen herumnölt, Drogen konsumiert, merkwürdige Freunde einlädt und nichts mehr ins gemeinsame Konto einspeist, wird die Verbindung beendet. Je früher das in Deutschland und Europa begriffen wird, umso besser. Ein zwischenzeitliches Scheitern Trumps gehört zum Geschäft. Es ist nicht von Belang, dass nicht alle seiner großspurigen Ankündigungen gelingen werden. Es ist Gewinn genug, wenn er zeigt, dass der totgeglaubte Westen zur Erneuerung fähig ist, in die Offensive gelangt und vielen Menschen Hoffnung gibt, dass ihr Leben wieder besser wird. Wie sagt Musk? “Erfolg ist ungewiss, aber Unterhaltung ist garantiert”.

9 Antworten

  1. Die Zeremonie war zutiefst amerikanisch. Das verstehen viele in Deutschland prinzipiell nicht. Der Verweis, dass Gott ihn gerettet und zum weitermachen verpflichtet hat, ist in Amerika völlig normal. Deswegen müssen dann auch alle verschiedenen Religionen ihre Botschaft verkünden. Das kriegen drei der Redner auch der Veranstaltung angemessen hin. Nur einer nicht. Was der Schwarze dort abgezogen hat war nur zum fremdschämen. Ein rumgekasper und rumgehampel, völlig überzogen. Dann fragen die Schwarzen immer warum sie niemand mag. Genau deswegen! Peinlich dumm und schwarz. Wie man sich als Einziger auf so einer würdevollen Veranstaltung so zum Löffel machen kann, Hut ab schwarzer Mann!

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    1. Warum sollte ich keine Schwatten mögen , nur weil ein einzelner Mann herumkaspert …? “ Ob blond , ob schwarz ,ob braun , ick liebe sie , die Frauen….“ kann ich da nur erwidern…..

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      1. Haben Sie Ihren Doktortitel auf dem Schwarzmarkt erworben? Ich bemängelte die offensichtliche Widersprüchlichkeit der Meinungen innerhalb eines kurzen Zeitraums.

        Nennen Sie mich altmodisch, aber meiner Meinung nach sollte ein Artikel die ehrliche Meinung des Autors wiederspiegeln und nicht nach Tagesform opportunistisch und marktschreierisch zusammengezimmert werden, wobei man darauf vertraut, dass die Leserschaft nur über die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches verfügt.

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  2. Naja, schon ein bisschen seltsam. Letzte Woche hat Burggraf noch einen Artikel geschrieben, in dem Hitler groß neu in das überkommene und unheilvolle Rechts-Links-Schema eingeordnet wurde, heute regt sich der Autor groß auf, dass in Deutschland andauernd über Hitler geredet wird.

    Vielleicht sollte er mal selbst so etwas wie Konsistenz an den Tag legen, bevor er dann wortreich die strategischen Schwächen der Europäer anprangert. Intellektuelle Redlichkeit und Konsistenz ist eine Grundvoraussetzung jedes verantwortlichen Handelns.

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    1. Was erlaubt sich Herr Burggraf – eine nicht von Hotte gefilterte Meinung zu veröffentlichen? Herr Poseck, werden Sie aktiv!

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      1. Haben Sie Ihren Doktortitel auf dem Schwarzmarkt erworben? Ich bemängelte die offensichtliche Widersprüchlichkeit der Meinungen innerhalb eines kurzen Zeitraums.

        Nennen Sie mich altmodisch, aber meiner Meinung nach sollte ein Artikel die ehrliche Meinung des Autors wiederspiegeln und nicht nach Tagesform opportunistisch und marktschreierisch zusammengezimmert werden, wobei man darauf vertraut, dass die Leserschaft nur über die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches verfügt.

    2. Die „intellektuelle Konsistenz“ beider Artikel besteht ganz einfach in der Kritik an billigen hyperventilierenden Hitlervergleichen linker Deutungshoheitlicher, die zum Geschäftsmodell geworden ist. Das Abwerten des Botschafters ist auch so ein deutsche Marotte. Immer gern benutzt, wenn die Aussage nicht gefällt aber für eine inhaltliche Auseinandersetzung die Argumente fehlen.

  3. In den USA ist eine Zeitenwende angebrochen. Trump greift nun durch. Er wird die Probleme entschlossen angehen und sie auf seine Weise lösen.
    In der deutschen Politik dagegen löst man Probleme nicht, man zerredet sie lieber, deckt den Mantel des Schweigens darüber oder lenkt davon ab.
    Eines ist sicher:
    Wenn die Deutschen als Volk nicht untergehen wollen, muß der millionenfach aus Islamistan eingesickerte Ballast raus, egal wie. Ad hoc bräuchten wir auch einen wie Trump. Leider ist zur Zeit keiner in Sicht. 🧐

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  4. Ich empfinde diesen Artikel ein bißchen maliciös formuliert. Gut, sei es denn! Jeder hat hat seine Eigenart. Auch der, über den der Autor schwadroniert.
    Wichtig ist doch einzig und allein, was der Mann mit der „großen Klappe“ wirklich zustande bringt. Dabei wird – natürlich wie üblich! – der Troß der Weltallianz vergessen, der hinter ihm ‚bei Fuß‘ steht. Ohne diesen ist er gar nichts – und das weiß Donald haargenau.
    Es ist immer leicht, eine Organisation, einen Staat, ein Volk hinter einer Figur zu verstecken, auf der man nach Belieben rumtrampeln kann – sie loben, umhätscheln, verachten und vernichten. Je nach Geschmack und Wohlwollen oder Animosität.
    Bestes Beispiel Wladimir Putin!
    So vermeidet man denn, eine Nation direkt anzugreifen – aus Feigheit, aus Rücksichtnahme oder was auch immer. In jedem Falle unlauter!
    Wir sind besser dran, wenn wir seine/deren Taten betrachten, die auf seine Worte folgen. Und daß das Zusammenspiel von Worten und entsprechenden Taten von ihm/ihnen ziemlich gut funktioniert, wurde in seiner ersten Amtszeit sehr gut unter Beweis gestellt – abgesehen von seinem Warp Speed-Wahn.
    Ich denke, da wird Robert F. Kennedy Jr. ihm schon den Kopf zurechtrücken und ihn seinen falschen Beratern abspenstig machen. Denn Robert hat genau dafür die richtige Kompetenz bewiesen bisher.
    Für Trump bleibt – in Hinsicht auf die BRiD – noch , ein großes Versprechen einzulösen: den Truppenabzug!
    Warten wir es geduldig ab.
    AN IHREN TATEN SOLLT IHR SIE MESSEN 😎😇

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