Weshalb sich anstrengen, um einen Titel zu erwerben? Plagiieren ist doch viel leichter…

Weshalb sich anstrengen, um einen Titel zu erwerben? Plagiieren ist doch viel leichter…

Falsche Titel und Plagiate: Nicht nur in der Politik ein “Kavaliersdelikt“ in einer Gesellschaft, die mehr au Schein denn Sein setzt (Symbolbild:Grok)

Erst vor wenigen Wochen geriet wieder einmal die – heute dank allgemeinverfügbaren Internets inflationär ausgeübte – verwerfliche Praxis des Plagiierens in den Fokus des öffentlichen Interesses. Von den meisten „Qualitätsmedien“ verschwiegen, sieht beziehungsweise sah sich auch der am 12. Dezember 2024 zum neuen thüringischen Ministerpräsidenten gewählte Mario Voigt sich mit dem Vorwurf konfrontiert, im Rahmen seiner Dissertation offenbar betrogen zu haben: Der Kommunikationswissenschaftlicher Stefan Weber bezichtigte den Thüringer CDU-Chef Mario Voigt bezüglich seiner Dissertation eines eklatanten Plagiats. Die Technische Universität Chemnitz prüft den Sachverhalt und die Landespartei verweist auf ein aktuelles Plagiatsgutachten, das jedoch zum gegenteiligen Schluss komme.

Ob dieses Gegengutachten nun den Tatsachen entspricht oder ob es sich um einen bestellten “Fake“ handelt, sollte allerdings durch eine unabhängige Prüfkommission entschieden werden – und nicht mittels einer potenziell politischer Einflussnahme unterliegenden Beurteilung.Und so lange man diesem Anspruch nicht genügt, darf die Causa Mario Voigt keineswegs zu den Akten gelegt werden. Eine lückenlose Aufklärung dieser Plagiatsvorwürfe durch unbestechliche, allerdings nicht irgendeiner Partei gefügige Gutachter wäre deshalb das zwingende Gebot der Stunde. Politiker, die leider irrtümlich immer noch von vielen Wählern als Vorbilder erachtet werden, sollten sich auch als solche verhalten, und nicht so, wie die zahlreichen weiteren Beispiele entsprechender Fälle in der Vergangenheit, als da wären Karl Theodor von und zu Guttenberg, Silvana Koch-Mehrin, Annette Schavan oder viele mehr, deren Doktorarbeiten mit von anderen abgekupferten Ergebnissen „frisiert“ und damit ganz offen betrügerisch erlangt worden waren. Natürlich trifft bis zum Beweis des Gegenteils auch auf Mario Voigt die Unschuldsvermutung zu; allerdings hat die Aufklärung dann nicht nur neutral, sondern auch jederzeit transparent zu erfolgen. Und dahinter steht leider ein großes Fragezeichen. .

Im Internet-Zeitalter ein Massenphänomen

Was die Erhärtung anfänglich erhobener Vorwürfe anbelangt, so näherten sich den vergangenen mehr als 10 Jahren die Politikern gegenüber ins Feld geführten Plagiatsvorwürfe leider asymptotisch einer Null-Linie an; bis auf wenige Ausnahmen (Franziska Giffey) waren sie anscheinend alle doch “ehrlich” in der Erlangung ihrer akademischen Grade. Sollte das wirklich der Fall sein? Es lässt sich genüsslich darüber spekulieren, ob der jeweilige angebliche Prüfungsbefund wirklich der Realität entspricht oder ob hier keine politischen Gefälligkeiten durchschlugen, so sich ja auch die einst ernstzunehmende, angeblich investigativ agierende, jedoch mittlerweile handzahme und systemkonforme Presse- und Medienlandschaft immer wieder in allzu vorauseilendem Gehorsam übt – und auch im politischen Alltag großzügig über solche Vergehen, die absolut keine Kavaliersdelikte darstellen, hinwegsieht. Und wurden nicht auch sowohl Frank-Walter Steinmeier als auch Ursula von der Leyen schon vor Jahren mit Plagiaten in Verbindung gebracht? Offenbar wurden in deren Dissertationen auch aus der Arbeit Dritter abgekupferte Textpassagen entdeckt, die wohl seitens fragwürdiger „Juroren“ mit dem Attribut „unterkritisch“ (oder was immer man davon halten mag), abgebürstet wurden.

Das Plagiieren zum Zwecke des sich Schmückens mit unredlich erworbenen Titeln ist nicht neu, denn es gab diese Anmaßung schon vor vielen Jahrzehnten. Allerdings hat sich diese unerlaubte, damit eigentlich juristisch zu ahndende Praxis gerade im Zeitalter des Internet und dank ausgeklügelter Textverarbeitungssysteme vermöge „copy & paste“ geradezu vervollkommnet. Und oft genug bediente man sich auch noch eines „Ghostwriters“, dem dafür schon einmal fünfstelliger Geldbetrag zugesteckt wurde. In einem um Weihnachten 1995 herum erschienenen ganzseitigen Artikel der „Badischen Zeitung“ mit dem Titel „Kauf Dir einen Doktortitel“ wurden die dazu notwendigen „Voraussetzungen“ detailliert beschrieben. Allerdings: So einfach und bequem im digitalen Zeitalter das Abkupfern ist, so unerbittlich sind eben auch die Detektierungsmöglichkeiten, diese Schummeleien aufzudecken.

Titelmissbrauch in der Politik

Als absoluter „Top-Scorer“ unter den Promotionsbetrügern aus dem politischen Lager kann mit Fug und Recht der ehemalige CDU-Bundestagabgeordnete (2009 2013), Dieter Jasper, gelten, welcher – ohne je eine entsprechende Leistung dafür erbracht zu haben – einen in Deutschland nicht anerkannten Doktortitel erwarb, diesen jedoch auf massiven öffentlichen Druck wieder abzulegen hatte.  Jasper hatte bei der Bundestagswahl 2009 mit einem an der „Freien Universität Teufen“ (einer nur allzu bekannten „Briefkasten-Hochschule“ im Schweizer Kanton Appenzell) erworbenen Doktortitel Wahlkampf betrieben und mit nur zwei Prozentpunkten mehr seinem Herausforderer von der SPD, Reinhold Hemker, das Nachsehen gegeben. Verständlicherweise und völlig zu Recht focht der Unterlegene diese Wahl an, weil sie seines Erachtens nach unzulässig zustande kam und der CDU-Konkurrent infolge seines scheinbaren Doktorgrades eine offensichtlich nicht vorhandene politisch-wirtschaftliche Kompetenz vortäuschte.

Allerdings entschied Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), selbst kurzzeitig einmal mit dem Vorwurf des Plagiats in Verbindung gebracht, im März 2010 in der Causa Jasper dann, keinen Widerspruch beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages einzulegen. Ein zwischenzeitlich von der Staatsanwaltschaft Münster initiiertes Ermittlungsverfahren gegen Jasper wegen Titelmissbrauchs wurde im Mai 2010 gegen eine Zahlung von 5.000 Euro eingestellt: Jasper habe zwar Titelmissbrauch begangen, aber seine Schuld sei “durch eine geständige Einlassung und Reue gekennzeichnet“. Welch ein Hohn für einen Rechtsstaat, der juristisch völlig unzulänglich einschritt! Ferner aber auch ein Hoch auf das Parlament, das nicht bereit war, die Immunität dieses Betrügers aufzuheben und ihm das Bundestagsmandat zu entziehen. Einziger Trost für den geprellten Wähler: Der Titel war nun einmal futsch. Eine Person, die sich derartiger Methoden bedient wie Dieter Jasper, war sich von vornherein bewusst, betrogen zu haben, und hätte als Vorsatztäter eigentlich wegen Betrugs und unerlaubter Vorteilsnahme vor Gericht zitiert und mit einem horrenden Bußgeld belegt, wenn nicht sogar mit einer Bewährungsstrafe abgeurteilt werden müssen.

Nur die Spitze des Eisbergs

Obskure „Dienstleistungs-Institutionen“ zum Erwerb akademischer Grade, wie sie Dieter Jasper in Anspruch nahm, werden als sogenannte „Titelmühlen“ (englisch “diploma mill” oder “degree mill”) bezeichnet, die gegen eine ansprechende Gebühr den Auftraggebern Urkunden verleihen, welche zwar wie anerkannte akademische Grade anmuten, aber weder mit einer wissenschaftlichen Ausbildung noch einer entsprechenden schriftlichen Arbeit einhergehen. Sie sind deshalb Teil des sogenannten Titelhandels. Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer solch irregulär, ja zutiefst widerrechtlich erworbener Titel sehr beträchtlich ausfallen dürfte. Dank der in den letzten Jahrzehnten durch die erdrutschartig angestiegenen Fortschritte in der elektronischen Datenverarbeitung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ganze Dokumente via der bereits schon zitierten Kopierfunktionen auch in eigene Texte zu integrieren, wurde der Drang zum Plagiat zwangsläufig gefördert. Und was bisher vor allem den Geisteswissenschaften zur Last gelegt wurde, scheint aber auch in den Naturwissenschaften immer mehr um sich zu greifen.

Zwar gibt es seit März 2011 die zum Aufspüren von Plagiaten angewendete Internet-Plattform „VroniPlag“ (benannt nach der ebenfalls mit Plagiatsvorwürfen konfrontieren Tochter Edmund Stoibers), die allerdings aufgrund der enormen Anzahl von des Plagiats verdächtiger Dokumente kaum mehr als die Spitze des Eisbergs (von dem ja bekanntlich sechs Siebtel unter der Wasseroberfläche liegen) zu erfassen imstande ist. Zu alledem hat sich – parallel zu dem in den vergangenen 50 Jahren von einst 10 bis 15 Prozent eines Jahrgangs auf den mittlerweile mehr als 50 Prozent gestiegenen – Anteil an Abiturienten nicht nur die Zahl der Dissertationen enorm erhöht, sondern zwangsläufig auch die Zahl der potenziellen Plagiats-Verdachtsfälle.

Sogar das Mittelmaß sinkt

Neben der in den vergangenen Jahrzehnten durch die „Verabiturisierung“ der Gesellschaft (wie es der international renommierte Biologe Dr. Ulrich Kutschera ausdrückt) und der damit einhergehenden, statistisch starken Zunahme akademischer Grade lässt sich ein substantieller Abfall des intellektuellen Niveaus an Master-, Staatsexamens-, Zulassungs- und Diplomarbeiten sowie Dissertationen beobachten. Zumindest meiner subjektiven Sicht zufolge verharrte dabei allerdings das Niveau der Top-Arbeiten nach wie vor auf dem Stand der vergangenen Jahrzehnte. Hingegen scheint das Mittelmaß (welches ja, zumindest  der Aussage eines früheren Firmen-Kollegen hzufolge, der seit vielen Jahren im Lehrkörper der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig ist, bekanntlich ja „der beständige Feind des Guten“ ist) mehr und mehr in intellektuell tiefer angesiedelte Regionen abzudriften.

Es stell sich nun die Frage, wie lange sich das bislang beobachtete Top-Niveau der „Crème de la Crème“ der Wissenschaft angesichts der seit Spätsommer 2015 ungebremsten Flutung durch Menschen aus vormodernen und bildungsfernen Kulturen noch aufrechterhalten lässt. Denn irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird der Kipppunkt erreicht sein, an dem selbst die noch so Wissbegierigen “kein Bock mehr auf Leistung” haben, weil sich diese eh nicht mehr auszahlt, und sich in der Folge dann selbst mehr und mehr dem neuen Mittelmaß anpassen werden – zumal sie von einem ruinierten Bildungssystem weder gefördert noch gefordert werden. Abschließend sei noch eine für viele Leser sicherlich gewagte These ins Feld geführt: Die Zahl derjenigen, deren Dissertation den an eine anspruchsvolle wissenschaftliche Arbeit zu stellenden Mindestanforderungen nicht genügen, dürfte inzwischen wohl um die 50 Prozent liegen. Einschließlich der nicht entdeckten Plagiate.

6 Antworten

  1. Für mich ist grün nur eine Farbe, die in Wald, Feld und Flur zu finden sein sollte und in realer Gesellschaftspolitik rein gar nichts verloren hat !
    Allerdings gibt es einen, der stellt nur noch
    ein großes Loch in einer faschistischen politischen Landschaft dar.

    Nun ratet mal, was für eine drittklassige Hohlpfeife gemeint sein könnte?

  2. Keine Sorge!
    Falsche Titel machen aus unfähigen Dummköpfen keine Schlaumeier.

    Dummköpfe werden in der Wirtschaft nirgendwo gebraucht. Dort braucht man fähige Leute, nämlich Könner. Deswegen gehen so viele Schwachmaten in die Politik. Dort brauchen sie nur eine große Klappe und ein noch größeres Ego. Irgendwann fällt jedoch auf, daß sie nur Mist bauen. Dann werden sie auf die eine oder andere Weise entsorgt.

    Diejenigen, die wirklich „etwas auf dem Kasten haben“, werden immer gefragt sein. Die Blender und Aufschneider dagegen bleiben, wenn sie Pech haben, ob ihrer Nichtsnutzigkeit früher oder später auf der Strecke und dürfen schließlich im Rinnstein in einem Karton leben und Abfall fressen.

    Jedem das Seine, gell? 😁

  3. Vor Jahren hatte ich für eine Behörde Entscheidungsvorlagen zu erstellen und hatte dafür auch Dissertationen auszuwerten. Es war einfach erschreckend. Bei dieser Menge an sachlichem Unfug ist es unerheblich, ob dieser auch noch abgeschrieben wurde. In einer Diss sollen ja bislang noch nicht dargestellte Sachverhalte dargestellt werden, bestimmte Lücken geschlossen oder neue Wege akademischen Wirkens eröffnet werden. Zumindest ist es einst so gewesen. Aber auch zu diesen Zeiten hat es akademische Dünnbrettbohrer gegeben, die aber eine Ausnahme waren. Erstaunlich ist nur, dass in unserer Zeit all dieser geschriebene Blödsinn im akademischen Milieu unbemerkt bleibt.

  4. Über die ißstände ist genug gesprochen worden.
    Mir wäre es lieber, wenn ich ein paar realistische Überlebens-Tipps für das laufende und kommende Chaos bekäme. Denn in meinem Umfeld finde ich nur laue Mitläufer und laue Querdenker.

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