Wo ist der General Yorck unserer Gegenwart?

Wo ist der General Yorck unserer Gegenwart?

General Ludwig Yorck von Wartenburg, preußischer Generalfeldmarschall (Gemälde von Ernst Gebauer, 1835)

In Wiesbaden – das war die erste Stadt, die ich vor vielen, vielen Jahren zu sehen und zu erleben bekam – gab es eine Yorck-Straße. Und sie ist immer noch da. Ich werde demnächst mal wieder hingehen. Es gab und gibt natürlich, Roon-, Clausewitz-, Scharnhorst-, Gneisenau-, Derfflinger-, Moltke- und viele andere Straßen zuhauf, auch einen Blücherplatz, so wie in jeder Stadt, die etwas auf sich hält. Im Spaß nannte ich das Gebiet einst das “Feldherrenviertel”.
Keinesfalls soll das Andenken an diese Soldaten hier beschädigt werden. Ja, sie waren Täter; aber sie waren die Produkte – und in vielen Fällen auch die Opfer – ihrer Zeit, nicht zuletzt wegen des Militarismus und Bellizismus des Königs Friedrich II. von Preußen, gerne auch, „Der Große“ genannt, obschon ein gnadenloser Tyrann gegenüber allen nicht konformen Ideen. Ein Vati-Syndrom, vergleichbar dem gegenwärtigen Mutti-Syndrom. Und hat nicht Mutti Merkel sich bei Gedenkveranstaltungen für Militärtyrannen durchaus hervorgetan? Die geistige Verwandtschaft ist nicht zu übersehen.

Aber nun zur Person des nachmaligen Generals Ludwig Yorck von Wartenburg  Wie in Preußen nicht anders zu erwarten, war sein Vater ein Soldat, der wegen pekuniärer Umstände die Mutter seines Sohnes erst Jahre später ehelichen konnte. Der junge Yorck trat im Teenageralter von 13 Jahren in die Armee ein und machte seinen Weg. Nach heutiger Definition ein Kindersoldat. Nach einem Kriegszug hatten andere Kommandeure etwas “klebrige Finger”; Yorck aber verurteilte das entschieden als das, was es war – Diebstahl – und sagte seine Meinung vor versammelter Mannschaft. Dies rief den Alten Fritz auf den Plan, der Yorcks Ansichten nicht ganz teilte. Er beendete die Angelegenheit mit der Bemerkung „Der Rittmeister von Yorck kann sich zum Teufel scheren“.

Die Faust geballt

Diesen Gefallen tat Yorck ihm aber nicht. Er brummte ein Jahr Festungshaft ab, trat dann in die Dienste der Holländisch-Ostindischen Gesellschaft und ging dahin, wo der Pfeffer wächst – nämlich nach Indonesien und später nach Kapstadt. Nach Jahren, als der Alte Fritz das Zeitliche gesegnet hatte, kehrte er zurück, wurde vom neuen König Wilhelm in Gnaden wieder aufgenommen und setzte seine Karriere fort. Nach der demütigenden Niederlage gegen Napoleon 1806 verließen viele hohe Offiziere Preußen und traten in die Dienste des Zaren; unter anderem auch von Clausewitz. Yorck jedoch blieb und ballte die Faust gegen Napoleon in der Tasche. Ein glühender Franzosenhasser. Preußen wurde, gegen seine nationalen Interessen, ein willfähriger Vasall Napoleons. Wie sich die Bilder gleichen: Beim Russland-Feldzug befehligte Yorck die preußische Armee, die an der baltischen Flanke operierte. Er belagerte Riga und war in verschiedene kleinere Unternehmungen verwickelt. Die verheerende
Niederlage der Hauptstreitmacht blieb ihm aber erspart und er konnte ungeschoren den Rückzug antreten.

In Litauen wurde er von Emissären des russischen Generals von Diebitsch aufgesucht. Auch von Diebietsch war ein Deutscher, der beim Zar in hohem Ansehen stand und in Russland eine steile Karriere gemacht hatte. Die Sache Napoleons war verloren. Die Russen waren aber klug genug über den Tellerrand zu schauen: Sie wollten keine blinde Rache und hatten kein Interesse, im Grunde nutzlose Kämpfe gegen die Preußen zu führen. Mehr noch: Man bot Yorck eine Koalition an – nämlich Preußen und Russland gemeinsam gegen Napoleon. Yorck informierte seinen König, der das ablehnte. Die Verhandlungen liefen aber trotzdem weiter. Ein heikles Thema für Yorck; es hätte auch wegen Verrats vor einem Erschießungskommando enden können. Yorck galt als sehr schwieriger Charakter. Er war absolut unbeugsam und extrem eigensinnig. Schließlich gab er den Vorstellungen der Russen doch nach. Auch Clausewitz nahm auf russischer Seite an den Verhandlungen teil. Irgendwie gelang es, den König zu überzeugen.

Keine Sehnsucht nach Macht und Größe

So kam die Konvention von Tauroggen zustande, abgeschlossen am 30. Dezember 1812 in der Poscheruner Mühle. Napoleon war erst zwei Wochen früher, am 18. Dezember, nach Paris zurückgekehrt – und schon hatten seine Vasallen, genauso wie heute die Warlords in Afghanistan, die Seiten gewechselt (wer aus Berlin also konnte den „Verbündeten“ während des deutschen Afghanistan-Engagements vorwerfen, sie seien unzuverlässig?). Yorck schreibt: „So denn Preußen wieder in seine Position von vor 1806 eingesetzt wird…“ Also soll Russland den Preußen wieder zur alten Macht verhelfen? Interessant! Und genau so kam es auch. Das Ganze war die Idee der Russen und der Dank dafür gebührt ihnen. Das hat man später wohl vergessen – so wie man heute Gorbis Gutmütigkeit bei der Wiedervereinigung vergessen hat.

Der Rest ist Geschichte. Nicht zuletzt mit Hilfe der Russen konnte Napoleon überhaupt demontiert werden. Die Pontonbrücke, über die Blücher in Kaub den Rhein überquerte, wurde von Zimmerleuten aus dem heutigen Baschkortostan gebaut (man kann Einzelteile und die Werkzeuge heute noch im Blücher-Museum in Kaub besichtigen). Ohne die Russen hätte Wellington in Waterloo seinen Satz so nicht sagen können. Er wäre gar nicht bis dorthin gekommen, weil ein Blücher, der auf der Französischen Seite hätte stehen müssen, ihn daran gehindert hätte. Diese kleine Geschichte endet mit der Frage: Wo ist der Yorck im Deutschland von heute? Ein Mann, der aufsteht und dem Elend im Reichstag ein Ende macht? Er muss ja nicht unbedingt am Sonntag um 4 Uhr in der Frühe mit Panzern das Regierungsviertel umstellen; heute sind unsere Wünsche bescheidener: Keine Sehnsucht nach Macht und Größe. Wir wollen uns nur von Leuten befreit sehen, die den Willen des Volkes missachten und uns alle ins sichere Verderben führen.

Offenkundige Wahrheit

Nachtrag: In der angeblichen Demokratie BRD regelt die Monarchin Ihre Nachfolge. Die harten Männer in der CDU sehen zu, wie eine Muttikratie in eine andere übergeht. Ein Yorck ist nicht in Sicht. Ganz Berlin ist eine große Muppets-Show. Und noch ein Zitat von Noam Chomsky, das uns vielleicht zur Antwort leitet: “Die Mehrheit der gewöhnlichen Bevölkerung versteht nicht, was wirklich geschieht. Und sie versteht noch nicht einmal, dass sie es nicht versteht.” Das erinnert an Sokrates in Platons “Apologie”: “Ich weiß, dass ich nichts weiß”.  Ist diese offenkundige Wahrheit an sich schon schlimm genug, so erfährt sie noch eine Steigerung durch den Umstand, dass sie auch für den gesamten Bundestag zu gelten scheint – vielleicht mit Ausnahme von Wagenknecht und Gregor Gysi. Daher: Wandere aus, solange es noch geht!


Der vorstehende Beitrag wurde erstmals 2017 veröffentlicht, der Nachtrag stammt von 2018.

13 Antworten

  1. York war in einem monarchischen System mit starkem Militär möglich. In einer Diktatur mit politischer Justiz und enteiertem Militär (sowie allen anderen Bereichen), gibt es dafür Freiflug nach Karlsruhe und dann Folter(einzel)haft.

  2. Bringt dieses Wissen um den Herrn Yorck nun bessere pekuniäre Umstände mit sich?

    Bekommt der geneigte Leser jetzt eine Yorck-Anstecknadel zum Selbstausdrucken?

    War heute nichts los?
    🤔

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  3. Erwähnenswert ist, dass Yorck den „Revolutionären“ in Preußen (Gneisenau, Scharnhorst, Stein, Clausewitz usw.) sehr fern stand, sondern ein „Stock-Konservativer“ war.

  4. Zum 2. Absatz („Friedrich“): Ist schon mal aufgefallen, dass Alle mit dem Beinamen der / die Große Herrscher, Eroberer und last but not least auch Tyrannen waren? Wobei ihnen gewisse Leistungen von historischer Wirkung nicht abzusprechen sind – Alexander, Karl (Charles), Peter, Katharina, auch Josef Wissarionowitsch wurde zu seinen Lebzeiten nicht selten mit diesem Attribut versehen… Körperlich groß war von denen nur Peter. Aber das Russische unterscheidet semantisch zwischen körperlicher und ideeller Größe, so dass die Sache auch in diesem Fall eindeutig ist.

  5. @ Preußen wurde, gegen seine nationalen Interessen, ein willfähriger Vasall Napoleons.
    Nett !
    Das heutige Deutschland ist ein willfähriger Vasall der USA und seiner Oligarchen !
    Der Unterschied liegt darin, das Napoleon Preußen nicht vernichten wollte – die USA aber Deutschland als potentiellen Konkurrenten vernichten wollen.
    Das Stichwort ist : „gegen seine nationalen Interessen“
    Und da liegt in meinen Augen als pack aus Dunkeldeutschland das deutsche Regime in punkto Landesverrat um einiges höher als Preußen damals !

  6. ZITAT: „Daher: Wandere aus, solange es noch geht!“

    Ja, danke auch. Diesem Rat ist der zeitgenössische York vermutlich gefolgt, und deswegen gibt es ihn jetzt nicht.

  7. Da muss man schon tiefer bohren Herr Autor.

    „Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.“ (Wolfgang Schäuble)

    „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“ (Horst Seehofer)

    Kanzlerakte 
    „Lebenslüge der Bundesrepublik“ jungefreiheit.de, 16. Oktober 2011

    „Lange galt sie als Verschwörungstheorie: Die „Kanzlerakte“, ein geheimer alliierter Machtvorbehalt, den die Bundeskanzler zu unterzeichnen hatten. In der JUNGEN FREIHEIT nimmt der frühere SPD-Spitzenpolitiker Egon Bahr Stellung und bestätigt ihre Existenz. Er war dabei, als Willy Brandt sie als frischgewählter Bundeskanzlerunterzeichnen mußte.“
    „Von einem „Unterwerfungsbrief“ sprach Willy Brandt und lehnte eine Unterzeichnung zunächst empört ab: „Schließlich sei er zum Bundeskanzler gewählt und seinem Amtseid verpflichtet. Die Botschafter (der Alliierten) könnten ihn wohl kaum absetzen! Da mußte er sich belehren lassen, daß schon Adenauer diese Briefe unterschrieben hatte und danach Erhard und danach Kiesinger.“
    (Quelle: https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2011/lebensluege-der-bundesrepublik/)

    „Wer nichts weiß, muß alles glauben.“ Marie von Ebner-Eschenbach

    1. 1 Prozent herauspicken, 99 Prozent (und vor allem jeglichen Kontext) ausblenden – so basteln wir uns unser Weltbild.

  8. Für die Masse ist ja nicht einmal möglich den ÖRR platt zu machen.
    Und dann als Parole „DIE aus dem Reichstag zu jagen“ auszugeben ist schon utopisch.

    Ich wünschte nichts mehr als dies. Aber es gibt halt keine Männer mehr.
    Persönlich habe ich nicht nur einmal die Erfahrung gemacht: Wenn es ernst wird, stehst du ganz alleine da.
    Und was ist mit denjenigen? Michael Fritsch, Ballweg, Rainer Füllmich, Carola Kistel, Bodo Schiffmann…. Die teilweise im Knast sitzen, deren Existenz vernichtet wurde und die ins Ausland fliehen mussten?

    Niemand spricht mehr von denen.

    Es gibt nur noch Egoisten. Die Parole: „Rette sich wer (noch ) kann“!

  9. „Wo ist der General Yorck unserer Gegenwart?“
    Bestimmt nicht bei unserer Bunten Wehr oder im Bundestag.
    Wenn jemand wie Yorck national denkt, wird er sofort zum Nazi erklärt und gesellschaftlich geächtet.
    Also bleiben in verantwortlicher Position nur die Kriecher und Karrieristen übrig, von außen gelenkt
    und gesteuert. Von solchen Kreaturen ist kein Wandel zu erwarten.

  10. 99% der Kommentatoren haben den Artikel nicht verstanden.
    Mich wundert es nicht. Nicht umsonst haben wir solche Zustände im Land.

    Schade für den Verfasser, Das war verlorene Zeit.

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