Zum Tod von David Lynch: Die verlorene Straße führt übers Herz direkt in den Unterleib

Zum Tod von David Lynch: Die verlorene Straße führt übers Herz direkt in den Unterleib

David Lynch (1946 – 2025) (Foto:Imago)

Obwohl „Ansage!“-Autor Oliver Flesch mit David Lynchs Werk nicht allzu viel anfangen kann, wollte er diesen Nachruf unbedingt schreiben. Nur dieser einen Szene wegen…

This magic moment
While your lips are close to mine
Would last forever
Forever ’til the end of time (magic)

The Drifters / Lou Reed – This Magic Moment

 

Der filmische Stil des legendären Regisseurs war bahnbrechend – seine Musikauswahl war ebenso brillant“, schreibt die britische Ausgabe des Rolling Stone und stellt einen Tag nach Lynchs Tod „10 klassische (im Sinne von „ikonische“, Anmerkung Flesch) David Lynch-Musikmomente“ zusammen. Und wäre jemand zum Wetten da gewesen, ich hätt drauf gesetzt, dass es Lynchs ikonischster Musikmoment nicht in die Liste geschafft hat. Und so wars dann auch.

Nun bin ich eigentlich ein erklärter Gegner von diesen Menschen, die meinen, sie würden den besten Imbiss der Stadt kennen. Beim besten Puff würd ich noch mitgehen, aber es gibt einfach zu viele Imbisse, um mit Bestimmtheit behaupten zu können, wo’s am leckersten schmeckt. Deshalb muss ich ein paar Meter zurückrudern, was Lynch und seinen ikonischsten Musikmoment angeht.

Wenn einfach alles stimmt

Bei der Szene, die ich meine, kam einfach viel zusammen. Gleich drei Lieben, um genau zu sein. Meine Liebe für Frauen im Stil der 40er und 50er-Jahre, meine Liebe für alte Ami-Karren und meine Liebe für die Doo Wop-Musik der 50er und frühen 60er Jahre. Und damit heiße ich Euch bei „Lost Highway“ aus dem Jahr 1997 willkommen!

Wir befinden uns in einer Schrauberwerkstatt. Mr. Eddy, gespielt vom großartigen Robert Loggia, bringt seinen Cadillac zur Reparatur. Seine Freundin Alice ist viel zu jung für den alten Gangsterboss, muss also ein Flittchen sein. Ein Flittchen, das wie ein Engel ausschaut. In meinem ersten, sehr kurzen Nachruf schrieb ich gestern auf X: Weiß nicht, ob ich jemals eine Frau auf der Leinwand so sehr begehrt habe wie Patricia Arquette, als ich „Lost Highway“ das erste Mal im Kino sah. In der Szene stimmt einfach alles: Set, Ausstattung, die Frau, die Karre, Robert Loggia als Mr. Eddy und natürlich der Song, Lou Reeds Rockversion des Doo Wop-Klassikers „This Magic Moment“ von den Drifters. Aber was erzähle ich, klickt bitte einfach auf den nachfolgenden Videoausschnitt und achtet vor allem auf die Blicke, die Alice dem jungen Schrauber (Balthazar Getty) zuwirft.

Diese Blicke sind ein Versprechen auf mehr. Auf viel mehr. Auf viel, viel mehr. Wer jemals von so einer Frau so einen Blick erhaschen konnte, der hat in der Damenwelt alles erreicht, was man erreichen kann.

Patricia Arquette in „Lost Highway“ (Screenshot:IMDB)

Der Witz ist übrigens: Ich bin eigentlich gar kein David Lynch-Mann. „Twin Peaks“? Nie gesehen. Obwohl da so umwerfende Frauen wie Lara Flynn Boyle, Heather Graham und Mädchen Amick mitspielten (und einige andere mehr). Letztere fand ich damals besonders toll. Ich kannte sie aus Illustrierten (genauer: aus “Tempo”) und aus Stephen Kings „Schlafwandler“. „Mädchen“ – was für ein Vorname! Sie hatte eine deutsche Mutter und eine etwas zu große Nase, was ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. Sheryl Lee, die Laura Palmer spielte, das Mordopfer, um das sich alles drehte, mochte ich dagegen nicht leiden.

Wer mag schon Elefantenmenschen?

Aber ich schweife ab. Mit Lynch und mir, das begann eher unschön. Ich sag nur: „Der Elefantenmensch“ von 1980. Im Kino möchte ich in der Regel von schönen Menschen verzaubert werden. Ein Kerl, dessen Gesicht so entstellt ist, dass er als Elefantenmensch bezeichnet wird, passt da nicht so ins Bild. „Blue Velvet“ „Wild At Heart“, „Mulholland Drive“… ja, ja, alle gesehen, waren für mich okay, mehr aber auch nicht.

Lynch orientierte sich am Film noir, an den düsteren amerikanischen Kriminalfilmen der späten 1930er bis frühen 1950er Jahre also. Und ich liebe die Filme der „Schwarze Serie“, wie der Film noir auch genannt wird. Doch Lynch wollte Vergangenes nicht nur kopieren, deshalb waren seine Filme voller Surrealismus. Damit kam ich nicht so klar. Ich bin ein einfacher Kerl, deshalb bevorzuge ich auch eher klar strukturierte Geschichten ohne übernatürliches Gedöns. Vielleicht war ich damals aber auch einfach viel zu jung für Lynchs Erwachsenenfilme. Vielleicht sollte ich ihnen nochmal eine Chance geben. Ja – ich schätze, das ist eine gute Idee.

3 Antworten

  1. Vielleicht hätte Herr Flesch lieber bei der Lindenstraße oder bei „Manta, Manta“ bleiben sollen..! Ein großer Kinovisionär ist von uns gegangen. Wer Lynch nur auf diese eine Szene reduziert, der sollte wirklich mal einpaar Stunden in Sachen Filmkunst nachsitzen!

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  2. Na, so dolle ist der Clip nun auch wieder nicht. Da gucke ich mir lieber Stan und Ollie an. Da gibt es wenigstens was zu lachen.
    🙂

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  3. Lieber Herr Flesch, auch ich bin eine großer Anhänger des US-Amerikanischen Rhythm & Blues und all seinen Sub-Genres wie Soul, Gospel und Doo-Wop! Der Song „This Magic Moment“ (1959 mit Ben E. King „on Lead“) von den Drifters würde ich eher in die Kategorie „R & B“ einordnen statt Doo-Wop! Doo-Wop oder auch „Street Corner Symphonies“ sangen Gruppen wie: Flamingos, Del Vikins, Harptones, Five Keys, Capris usw.! Ja, die legendären Drifters, das beste was US-Amerika je an R & B – Gruppen hervor gebracht hat! Alleine die Liste der Lead-Sänger ist einzigartig: Clyde McPhatter, Ben E. King, Rudy Lewis, Johnny Moore, Charlie Thomas, Gerhart Thrasher (ich hoffe, ich habe keinen vergessen)! Musik für die Ewigkeit!

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