Meuthen, Maaßen, Missverstand

Meuthen, Maaßen, Missverstand

Neue Allianzen in der politischen Reste-Rampe: Meuthen stößt zu Maaßen (Foto:ScreenshotTwitter)

Die ‘Junge Werteunion’ verlässt die ‘Werteunion’!“ Derlei markerschütternden Meldungen sieht man sich ja als Frühaufsteher im Schilda der politischen Gegenwart beinahe täglich ausgesetzt. Was ist da nun wieder passiert? Zunächst hat sich Professor Jörg Meuthen, der Hans Huckebein der Oppositionspolitik, entschlossen, Teil der “Erfolgsgeschichte” um Hans-Georg Maaßen zu werden. Und zwar justament an dem Tag, da die ambitionierte Reform-CDU des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten durch die Brandenburger Wähler von einer Kleinpartei zu einer politischen Selbsthilfegruppe unterhalb der Messbarkeitsgrenze geschrumpft wurde: Satte 0,26 Prozent konnten die weißen christlichen Wertewanderer einfahren. Zweifellos der Augenblick, in dem eine politische Spürnase wie Jörg Meuthen zuschlagen muss. Jörg unterschrieb, fügt damit seiner eindrucksvollen Karriere einen durchaus logischen Baustein hinzu und trieb quasi nebenbei die jungen Werteunionisten aus dem Hinterausgang der Maaßen’schen Herberge. Die Gelegenheit für den politischen Beobachter, um Fassung zu ringen und zurückzublicken.

Man ist versucht, schon in Meuthens Geburtsort Essen und seiner katholischen Erziehung frühe Vorboten eines Lebenswegs zu sehen, der ihn als Unglücksraben von einem kuriosen Tauschgeschäft zum nächsten führt. Den meisten in Erinnerung geblieben ist er als öffentlich gequälter Nazi wider Willen: Ein als Kuschel- und Erklärbär geborener Heimatloser auf der Suche nach seinem Platz in den unergründlichen Weiten der Parteipolitik. Seine Mitgliedschaft in der CDU lag als Jugendsünde lange zurück, ebenso wie ein kurzer Flirt mit der FDP, als er 2013 nach einer spontanen Eingebung der Alternative für Deutschland unter Bernd Lucke beitrat. Kaum angekommen, erlebte er dort die öffentliche Steinigung seines Mentors, kurz darauf die mediale Hinrichtung von Frauke Petry und unternahm daraufhin schließlich selbst den Versuch, die AfD in die große Familie der etablierten Parteipolitik zurückzuführen. Von außen betrachtet ein nahezu mitleiderregendes Ansinnen, stand doch das versammelte politmediale Establishment, angesichts der erkannten Gefahren für ihr Geschäftsmodell, längst mit Schaum vorm Mund auf den Barrikaden. Denn gegen die „einfachen Antworten der Populisten“ schien trotz gebührenfinanzierten Dauerfeuers einfach kein noch so komplex formuliertes Kraut gewachsen.

“Jörg im Glück” und sein parteipolitisches Bäumchen-wechsel-dich

Es dauerte immerhin bis 2022, ehe Jörg Meuthen entnervt seinen Vorgängern folgte. Die Konsequenzen von realer Opposition, verfolgtem Politikwechsel und letztlich auch gestellten Systemfragen war der westdeutsch sozialisierten Partei in Person ihres Vorsitzenden Meuthen ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Meuthen fand es zu alternativ, zu dreckig, zu fundamental, wie die versammelte Meinungsindustrie auch – vor allem aber zu höckig. Also zog er sich angesichts schwindender Unterstützung ins dritte Glied zurück und bat schließlich vor den Mikrofonen der triumphierenden Meinungsindustrie um Vergebung und Wiederaufnahme in die Gemeinschaft. Dass die AfD gänzlich unabhängig von Personal- und Stilfragen eine kolossale Bedarfslücke im linksverrutschten, bräsigen und etatistischen Parteienspektrum füllte (eine, die angesichts existenzieller Fragen in ganz Europa längst in ähnlicher Weise entstanden war), war dem Wirtschaftsprofessor entgangen. Sein mangelndes Politikverständnis zeigte sich kurz darauf im Versuch, ausgerechnet in der völlig bedeutungslosen “Zentrumspartei” eine neue politische Heimat zu finden und von dort aus akademische Politikkonzepte fürs Wahlvolk zu streuen – etwas, das auch seine Vorgänger Lucke mit den “Liberal-Konservativen Reformern” (heute “Wir Bürger”) und Frauke Petry mit ihrem Rohrkrepierer “Die Blauen” vergeblich versucht hatten. Als auch die von Meuthen auserkorene Splitterpartei kein Jahr später an einfachsten organisatorischen Fragen scheiterte, war er wieder draußen.

“Jörg im Glück” tauscht nun also seinen Zentrumsposten gegen einen Platz auf dem Beifahrersitz des christdemokratischen Geisterfahrers Hans-Georg Maaßen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der geschasste Geheimdienstchefs den Start der mit enormen Vorschusslorbeeren ausgestattenen “Werteunion” seinerseits mit schier atemberaubender Naivität irreversibel in den Sand gesetzt hatte. Die Flucht der offensichtlich kaum eingebundenen, reichweitenstarken WU-Promigesichter Markus Krall und Max Otte wie auch die wirren Koalitionsavancen von Maaßen an das soeben verlassene Parteiestablishment besiegelten das Schicksal der “Werteunion”, noch bevor sie aus der Taufe gehoben war.
Wie Meuthen unterliegt auch “HGM” noch immer der irrigen Vorstellung, man könne sich mitten in einem entfesselt geführten Lagerkampf innerhalb der Brandmauern eines linken politmedialen Kartells ein konservatives Plätzchen sichern und würde da dank guter Manieren, Krawatte und Zweireiher geduldet. Einen Tag, nachdem Meuthen nun mit bewährt  untrüglichem Gespür für Timing seinen Start in Maaßens Totgeburt verkündet hatte, ergriff nun zu allem Überfluss auch noch der dort beheimatete Nachwuchs, besagte “Junge Werteunion”, die Chance, die Mutterpartei mit Getöse zu verlassen. Gemeinsam mit dem abtrünnigen Finanzanalysten Krall wurde jetzt ein wiederum völlig übereiltes, konzeptionell kaum vorbereitetes Projekt unter dem Titel “Libertarismus” ausgerufen. Tragisch, weil die dramatisch abgestürzte FDP und ein irrsinnig teurer, immer übergriffiger agierender Staat durchaus Anlass genug böten, endlich eine neue liberale, bürgerliche und freiheitliche Kraft in Deutschland zu etablieren. Eine mit Sachverstand, Kettensäge und strategischem Talent.

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