Grünes Ammoniak ist kein Energieträger, sondern ein Energiegrab

Grünes Ammoniak ist kein Energieträger, sondern ein Energiegrab

Die nächste energiepolitisch-ideologische “grüne“ Mogelpackung: Ammoniak als Energieträger (Symbolbild:Imago)

Die Idee des grünen Ammoniaks als Energieträger kann sogar ohne die technischen Argumente, die alle auf überzeugende Weise dagegensprechen, verworfen werden. Als unumstößliche Doktrin gilt, dass “grüner Wasserstoff”, so es ihn denn gäbe, zu 100 Prozent nur in der chemischen Industrie verbraucht werden muss – etwa zur Ammoniak-Herstellung, in Raffinerien, zur Erdöl-Entschwefelung, zur Herstellung von Methanol und so weiter. Hier wird die Weltjahresproduktion von 100 Millionen Tonnen Wasserstoff effizient, mit hohen Ausbeuten, zur allgemeinen Zufriedenheit verwendet. Es gibt keinen Ersatz für Wasserstoff. Allein die 34 Millionen Tonnen, die zur Herstellung von Ammoniak verbraucht werden, verursachen CO2 Emissionen von über 350 Millionen Tonnen. Ein Einsatz hier, in diesem Bereich, wäre also der richtige Ansatzpunkt.

Da die Weltproduktion, wie bereits gesagt, 100 Millionen Tonnen beträgt und nur bescheidene 0,5 Mio Tonnen davon das Etikett “grün” verdienen, kann man ermessen, dass vor 2040 grüner Wasserstoff nur in der chemischen Industrie seinen Platz haben kann – und nirgendwo sonst. Es ist deshalb absurd, unverantwortlich und für den Fachmann lächerlich, wenn immer wieder durch unqualifiziertes Geplapper der Eindruck erweckt wird, Wasserstoff könnte in der Raumheizung eine Rolle spielen. Zuerst hat die Merkel-Bundesregierung mit ihrer Inkompetenz VW in die E-Mobil-Falle gelockt, dann hat die Scholz-Habeck-Ampel die Wärmepumpen-Branche in die Irre geführt. Und die Herde ist abermals in die grüne “H2-ready”-Falle getappt. Es wird mangels Transportmöglichkeiten vor 2040 keine für die Heizungsbranche relevante Verfügbarkeit von Wasserstoff geben (siehe hier). All diese Ankündigungen sind reine Märchen aus der grünen Blase.

Woher kommt der Ammoniak-Wahn?

Zwar hat es quälend lange Jahre gedauert, aber immerhin ist die Weisheit, die um 1915 noch jeder Lehrling bei der BASF verinnerlicht hatte, bei den führenden Köpfen der Wasserstoff-Sekte angekommen: Es ist keine gute Idee, Wasserstoff über größere Distanzen transportieren zu wollen. Zu aufwendig, zu teuer, nicht sicher genug. Gar über Kontinente hinweg ist dieser Transport nicht durchführbar. Aber wie immer in solchen Fällen platzt jemand mit einer „guten Idee“ heraus. Bereits hier ist für den Leser höchste Aufmerksamkeit geboten. Wer hat diese Idee als erster öffentlich geäußert? Ist sein Name bekannt? Wann war das? Was war der Grund für diesen Vorschlag? Wie waren die näheren Umstände? Um diese etwas merkwürdigen Fragen zu erklären, sollte man sich darüber klar werden, woher die Besessenheit, der manische Zwang, kommt, die Wasserstofftechnologie um jeden Preis durchsetzen zu wollen.

Wie allgemein bekannt, hat Patrick Graichen, der Vordenker Habecks, vor seiner Zeit als Staatssekretär etliche Jahre in London bei der Firma Agora Energiewende erfolgreich Lobbyarbeit betrieben. Dort traf er auf Michael Liebreich, einen hochintelligenten Ingenieur, sehr klugen Wissenschaftler und eloquenten Redner, der jedes Auditorium zu fesseln und dominieren vermag – ein Meister seines Fachs. Liebreich hat Beratungsfirmen gegründet, war auch bei McKinsey tätig und pflegt enge Verbindungen in die Finanzbranche. Er ist sehr gut mit dem Milliardär Hal Harvey bekannt, dem mächtigsten Grünen der Welt. Selbstverständlich ist er engstens mit der Finanzbranche verflochten. Er ist auch in der Politik aktiv. Überflüssig zu sagen, dass er natürlich ein Philanthrop ist.

Der Wasserstoff-Papst relativiert den Nutzen des Wasserstoffs

Wenn man ihm zuhört und seine Aufsätze liest, begreift man sofort, wer das Klimaministerium einjustiert hat und es ex London leitet – einschließlich der Personalplanung. Doch selbst Liebreich hat vor zwei bis drei Jahren die vielen Schwächen des Wasserstoffs offen ausgesprochen und ist von mehreren Punkten unmissverständlich abgerückt; seine Analyse der Probleme ist in dem folgenden Schaubild verdeutlicht.

(Screenshot:Anderweltonline)

Dennoch verfolgt Habeck seine Ziele desungeachtet mit zunehmendem Fanatismus weiter. Ob es sich dabei um ideologischen Starrsinn oder Kalkül handelt, sei dahingestellt. Eventuell wird der „Ausstieg“ demnächst kommen. (Anmerkung d. Red.: Norwegen hat gerade sein Projekt einer Wasserstoffleitung nach Deutschland eingestellt.) Die Ersatzdroge könnte der Ammoniak sein. Damit dieser längst fällige Ausstieg nicht als Niederlage gewertet werden kann, benötigt man eine Legende. Der Irrtum wird als brillante Idee verkleidet, à la: “Wir steigen nicht aus, nein, wir haben etwas noch Besseres!“ Liebreich hat durchaus die Kenntnis und hätte auch die Chuzpe, diese Tatarennachricht zu erfinden und an den Mann zu bringen; so etwa könnte die zunehmende Präsenz von Ammoniak in der Propaganda erklärt werden. Doch wenden wir uns zunächst den unwiderlegbaren technischen Tatsachen zu.

Die wichtigsten Eigenschaften des Ammoniaks

Ammoniak ist bei 20 Grad Celsius ein stechend riechendes, farbloses Gas. Es reizt Augen, Schleimhaut und Atemwege und ist giftig. Mit 0,70 Gramm pro Liter ist es leichter als Atemluft mit 1,24 Gramm pro Liter. Es neigt deshalb dazu, sich nach oben zu verflüchtigen und sammelt sich nicht an tiefen Stellen. Ammoniak lässt sich unter Druck leicht verflüssigen und siedet bei -33 Grad Celsius. Die Dichte der Flüssigkeit beträgt 0,68 Gramm pro Milliliter. Gemäß seiner Summenformel NH3 hat Ammoniak eine Molmasse von 17 Gramm pro Mol. Es besteht zu 82,4 Prozent aus Stickstoff und nur zu 17,6 Prozent aus Wasserstoff. Da nur die Verbrennung des Wasserstoffs möglich ist, kann der Stickstoff nichts zum Energietransfer beitragen, er ist lästiger Ballast. Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei der Ammoniak-Mär um eine Tatarennachricht; sorgfältig konstruiert klingt sie zwar plausibel, ist aber frei erfunden und ohne greifbaren Nutzen.

Umso mehr fabulieren dümmliche „Wissenschaftsjournalisten“ in das Thema hinein und bringen die exotischsten Geschichten unters Volk. Ja, es stimmt: Die Straßenbahn in New Orleans fuhr 1870 mit Ammoniak und die Stadtbusse in Brüssel noch 1943. Na und? Es gibt auch eine Dissertation über Ammoniak als Treibstoff für einen Otto-Motor (siehe hier); aber dennoch ist die Idee großer Unfug. Denken wir mal drüber nach: Ein 200.000-Kubikmeter-Tanker hätte 136.000 Tonnen Ammoniak und, darin enthalten, 24 000 Tonnen Wasserstoff an Bord. Wer würde eine Bierkiste, die statt 20, nur 4 Bierflaschen und dafür 16 mit Wasser gefüllte enthält, nach Hause schleppen? Man importiert Stickstoff aus fernen Erdteilen. Da in Deutschland nichts mehr undenkbar ist, kann man sich vorstellen, dass eines fernen Tages “Monday-Kids” gegen die zunehmende Verschmutzung der Atmosphäre mit australischem Stickstoff protestieren werden. Die Entlohnung für ihre Anstrengungen würden sie, wie die Klimakleber, von einer dubiosen Organisation aus London erhalten (oder, wie der Abmahnverein “Deutsche Umwelt-Hilfe”, von der Regierung direkt).

Unentrinnbare Fallen bei der Wasserelektrolyse

Rufen wir uns zunächst eine Grundwahrheit der Wasserelektrolyse ins Gedächtnis zurück.:Mit Hilfe von 51 Kilowattstunden (kWh) Solarstrom wird ein Kilogramm gasförmiger Wasserstoff mit einem Energieinhalt von 33,3 kWh erzeugt. Man hat also gleich zu Beginn der Kette 35 Prozent der eingefangenen solaren Energie vernichtet und in nutzlose Wärme umgewandelt. Das ist eine Tatsache, über die alle Marktschreier eilends hinweghuschen. Diese 18 kWh je Kilogramm Verlust sind ein erheblicher Betrag. Je nach Leistung und Geometrie der Zelle fällt eine hohe Energiedichte pro Zeiteinheit an, die die Zelle umgehend zerstören würde. Folglich muss der Elektrolyseur gekühlt werden. Und zwar mit einem großen Aufwand, der in den üblichen Präsentationen unerwähnt bleibt. Doch wir überlassen diesen riesigen Stolperstein an dieser Stelle einstweilen sich selbst (er wäre ein Thema für künftige Aufsätze).

Als grundlegende Erkenntnis halten wir fest, dass die Umwandlung von elektrischer Energie in chemische Energie unvermeidbar einen versteckten Verlust verursacht, der bei der Rückwandlung der chemischen Energie Wasserstoff in Elektrizität zu Tage tritt. Jedes der inexistenten “H2-ready”-Habeck-Kraftwerke würde, mit 50Prozent Wirkungsgrad (!), ein Kilogramm Wasserstoff in 16,7 kWh Elektrizität verwandeln. Die anderen 16,7 KWh sind aber nicht weg, sie sind bloß woanders (haha!). Bezogen auf die 51 kWh pro Kilogramm, mit denen man die Elektrolyse speisen muss, wären 68 Prozent der erzeugten Solarenergie nicht nur verloren – nein, es würde darüber hinaus noch großer Anstrengungen bedürfen, um sie unschädlich zu machen (ähnlich dem mittäglichen Solarstrom im Sommer, der nur gegen einen Malus nach Österreich fließen darf und sechs Stunden später dann zum Spitzenpreis zurückkommt).

Die Chemie des Ammoniaks zeigt weitere Verirrungen auf

Diese Irrtümer sind gravierend und fatal für das einmal darin gefangene Opfer. Aber sie sind derart mit Warnhinweisen in allen Sprachen übersät, dass es unmöglich ist, durch Unachtsamkeit hineinzugeraten. Man muss gleichsam schon am Eingang bestätigen, dass man aus freien Stücken in sein Verderben rennen will. Die Euphorie, die um den grünen Ammoniak entstanden ist, ist hat keinen sachlichen Hintergrund und ist vollkommen unverständlich.
Ja, wir wollen mit der fixen Idee, Ammoniak als Energieträger zu verwenden, riesige unnütze Investitionen verursachen und fortwährend 80 Prozent der erzeugten Solarenergie vernichten.” So betet die Gemeinde der Gläubigen.

Beginnen wir unsere Analyse damit, dass wir ein Kilogram Ammoniak verbrennen. Mit 5,1 kWh pro Kilogramm stoßen wir hier auf den niedrigsten Heizwert unter allen Stoffen, die üblicherweise als Brennstoff dienen. Und das soll der Stoff sein, der die Riesenschiffe über den Ozean treibt? Wohl kaum. Ein Schuss in den Ofen. Buchstäblich. Wenn man dieses Kilo Ammoniak in seine Bestandteile zerlegt hat – nämlich 824 Gramm Stickstoff und 176 Gramm Wasserstoff –, dann kann man die erhaltenen 176 Gramm Wasserstoff verbrennen. Und, O Wunder: Dieser Wasserstoff setzt 5,9 KWh an Energie frei. Der freie Wasserstoff hat im Vergleich zu seinem domestizierten Genossen im Ammoniak einen deutlichen Vorteil von 0,8 KWh pro Kilogramm: Das nämlich ist die Bindungsenergie, die in der N-H Bindung steckt. Wenn Ammoniak verbrannt wird, reagiert allein der Wasserstoff. Nur aus seiner Verbrennungsenergie kann Energie, die zur Spaltung der N-H Bindung nötig ist, entnommen werden. Die Energieausbeute sinkt von 5,9 kWh auf 5,1 kWh pro Kilogramm, wie das Experiment zeigt.

Massive Ressourcenverschwendung

Betrachtet man nun die Rückspaltung des Ammoniaks zu Wasserstoff, wird man mit der Tatsache konfrontiert, dass zu dieser Spaltung die nämlichen 0,8 kWh pro Kilogramm erforderlich sind. Man muss das Niveau von 5,9 über 5,1 und schließlich auf 4,3 kWh pro Kilogramm senken. Zwar kann man die rückgewonnenen 176 Gramm Wasserstoff wiederum mit 5,9 kWh Energiegewinn verbrennen, man muss aber zwei Mal 0,8 kWh in der Energiebilanz definitiv als Verlust verbuchen. Verbunden mit den empfindlichen Materialverlusten bei der Rückspaltung ist der Einsatz von Ammoniak als Energieträger somit eine einzige, riesige Verschwendung. Der Widersinn dieser Aktion wird noch deutlicher, wenn man die Energiebilanz des Haber-Bosch-Verfahrens betrachtet: Um die 176 Gramm Wasserstoff herzustellen, die in einem Kilogramm Ammoniak stecken, muss man 9 kWh an Solarstrom fließen lassen. Zusätzlich werden weitere 3 kWh pro Kilogramm Ammoniak benötigt, um das Verfahren selbst überhaupt durchführen zu können. Die Summe der Prozessenergie beträgt also 12 kWh pro Kilogramm Ammoniak.

Das bedeutet: Um 5,1 kWh pro Kilogramm bei der Verbrennung von Ammoniak erhalten zu können, muss man vorher 12 kWh pro Kilogramm zu seiner Herstellung aufwenden. Beim Umweg über die Rückspaltung zu Wasserstoff sinkt die Energieausbeute unter deprimierende 5 kWh pro Kilogramm. Und der Schrecken hat kein Ende: Mit einer Brennstoffzelle kann man weitere 35 Prozent davon vernichten. Man hat es geschafft, unter Einsatz von milliardenteuren Großanlagen die 12 kWh pro Kilogramm Solarenergie, die man für ein Kilogramm Ammoniak aufgewendet hat, auf einen Gebrauchswert von 3 kWh zu reduzieren. Zu allem Überdruss: mit der Bindung an den Stickstoff beraubt man den Wasserstoff 14 Prozent seiner Energie. Zur Rückspaltung muss der gleiche Betrag aufgewendet werden; macht in Summe also 28 Prozent. In diese missliche Situation hat man sich selbst gebracht, indem man weitere 3 kWh pro Kilogramm verschwendet hat, um den Ammoniak herzustellen. Eine Tonne Kiefernholz in Form von Ikea-Regalen hat den gleichen Heizwert wie eine Tonne Kiefer in Scheiten. So würde ein Satiriker den Vorgang darstellen. Den Unterschied der beiden Varianten macht die Möbelfabrik. Das ist das Fazit der Verwendung von Ammoniak als Energieträger, im Gegensatz zu Wasserstoff: Ammoniak ist kein Energieträger, sondern eine massive Verschwendung von Ressourcen.

Ausblick

Während das staunende Publikum noch den Vorführungen der Ammoniak- und Wasserstoff-Ensembles folgt, wird schon das nächste Dream-Team aufgebaut: E-Methanol in Verbindung mit der Idee, Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu „filtrieren“. Die globale, sich selbst erhaltende Müllabfuhr des “Klimaökonomen” Ottmar Edenhofer, verbunden mit dem Ablasshandel der Zertifikate. Geldschneiderei nach Art des Tetzel, Vernebelung der Tatsachen und letztlich Betrug. Namibia verwandelt sich in Dubai und ganze Tankerflotten bringen Methanol, den historischen Holzgeist aus dem Holzvergaser der Nachkriegszeit, nach Europa. So tönen die Wissenschaftsjournalisten. Hierzu sei nur verraten, dass der Heizwert des Methanols mit 5,5 kWh pro Kilogramm nicht aufregend hoch ist. Das nach Industrie-Standard hergestellte Methanol erfordert eine Prozessenergie von mindestens 2 kWh pro Kilogramm. Die speziellen Umstände des E-Methanols werden in dieser Berechnung sogar zu spürbaren Aufschlägen führen. Wunder sind also nicht zu erwarten. Methanol ist nicht der Fisch, der die Fünftausend speisen kann.

Methanol wurde im zweiten Weltkrieg zur Leistungssteigerung in Flugzeugmotoren eingespritzt. Es wird auch heute als Antiklopfmittel im Benzin oder als alleiniger Treibstoff verwendet. Von 60 Millionen Tonnen weltweit gehen aber über 80 Prozent als Rohstoff in die Industrie – und nur ein kleiner Teil dient als Treibstoff. Das hat Gründe: Da die Energiedichte von Methanol mit 4,4 kWh pro Liter weniger als halb so hoch ist wie die von Diesel mit 9,8 KWh pro Liter, ist eine notwendige Weiterung bereits zu erkennen: Doppelt so große Lager und entsprechend vergrößerte Flotten an Tankfahrzeugen. Beides wird ein auffälliges Kennzeichen der sogenannten „Methanol-Ökonomie“ sein. Ob der Begriff “Ökonomie”, den man gewöhnlich mit einträglich oder prosperierend assoziiert, hier passend ist, wäre Stoff für eine eigene Betrachtung…


Dieser Beitrag erschien zuerst auf Anderweltonline.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert