Die knallharten Analysen der Demokraten

Die knallharten Analysen der Demokraten

“Unsere Demokratie” unterm Mikroskop der Superdemokraten (Symbolbild:Imago)

Nach Quellen ihrer Erkenntnisse befragt, hört man von Politikern der imaginierten Mitte häufig die Sentenz, man spräche ja „mit den Menschen draußen im Land“. Und bekäme E-Mails. Und zwar – die papierlose Mail ist hierzulande erst noch im Werden  – wäschekorbweise! Spitzenpolitiker erhalten ja ausnahmslos nützliche E-Mails: Entweder sind es Morddrohungen, die sie als bedrohte und besonders schützenswerte Art ausweisen, oder es trifft, mindestens hundertfach, aufmunternder Zuspruch ein. Was ungefähr auf dasselbe hinausläuft. Als Zuhörer spürt man jedenfalls immer und sofort, da ist einer schutzlos in die Wildnis aufgebrochen und ist dort auf bisher ungeahnte Erklärungen für das gemeinhin Unerklärliche gestoßen. Termine für solche Graswurzelexkursionen finden sich alle fünf Jahre. Die Parteikämmerer bearbeiten dann wieder die untrüglichen Belege für den validen Volkskontakt an der Basis. Kugelschreiber. Lutscher. Schürzen. Bratwurstzangen. Nach fünf Jahren zieht man sich dann die nächste Grillschürze über und versucht sich zu erinnern, worüber das letzte Mal so gesprochen wurde.

Wie auch immer – die jeweils hernach kolportierten Erkenntnisse aus den Begegnung mit der Dritten Art hauen einen regelmässig aus den Socken. Seit mindestens zehn Jahren wird in den Polit-Büros ausführlich besprochen, was der universell gültigen Wahrheit inzwischen so alles für Gefahren von rechts, von oben und von unten drohen. Gleichbleibender Tenor: Kaum ein Schwein draußen im Land begreift, wie gut es ihm geht. Und wie schwierig deshalb das Schicksal des “Demokraten” in politischer Verantwortung ist, der ja nichts anderes machen kann, als „Unsere Demokratie“ für uns alle zu beschützen und zu erklären! Dazu, nützt ja nix, muss er draußen regelmäßig todesmutig in die Büchse der Pandora blicken. Und was hat er da nicht schon alles gesehen!? Den Demokratieverächter, den Wutbüger, den Querdenker, den Schwurbler, den Reichsbürger, den Populisten, den Orban-Befürworter, den Putinisten, den Fakenews-Verbreiter, den Trump-Unterstützer, den ungelernten Twitter-User. Sie alle sind, das erkennt der wiederum stets bestens geschulte Politikexperte sofort, zwar rein äußerlich eine Art Mensch, aber auf geheimnisvolle Weise allesamt „den Rattenfängern auf den Leim“ gegangen. Sie sind turboradikalisiert. Als listige Unterwanderer führen sie allzeit Schlechtes im Schilde und sind deshalb wahlweise nicht mehr, oder doch, aber dann nur mit vereinten Kräften in die Reihen der Demokratie „zurückzuholen“. Wer wider Erwarten beim Bewährungshelfer Abbitte leistet und seinerseits mit Hurra in den Kampf gegen das Böse zieht – und das sind doch einige Einsichtige –, der kann unter Umständen mit der Wiederaufnahme in die Herde rechnen.

Gefallene Engel aus der Hölle

Die meisten der immer zahlreicher werdenden “Gefallenen Engel aus der Hölle” dagegen kann man natürlich nicht, wie es weiland der schlagkräftige transatlantische ARD-Gebührenkorrespondent Nils Dampz empfahl, einfach „in ihre Rattenlöcher zurückprügeln“. Auch kann man die abtrünnigen Ländereien im Osten nicht wieder mit dem eigentlich rattenscharfen Elektrozaun samt Sprengfallen einhausen, denn dann hätten die Ossis ja erreicht, was sie wollen. Sie würden gar keine Ausländer mehr kennenlernen, auf die man sich freuen kann! Der journalistische Schießbefehl allerdings, für den Fall, dass irgendwo ein Fahnenflüchtiger, also etwa in Form eines schutzsuchenden Sachsen mit Deutschlandfahne in der Hand, ins gleißende Scheinwerferlicht des öffentlich-rechtlichen Kontrollstreifens gerät: Also dieser Schießbefehl bleibt bis auf Weiteres die Universalwaffe an der Ostfront. Der hat „unserer Demokratie“ bisher den Arsch gerettet. Zweifellos. Ob Tatort-Fan, “Monitor”-Konsument oder Abonnent des Süddoitschen Beobachters: Dass die gebannt beobachtende Seniorenschaft felsenfest an der Seite des Schwarzen Blocks steht, ist allein dem Deutungsgewerbe zu verdanken. Daher gilt es nun, die politische Bildung einerseits und die Meldezentralen für Desinformation andererseits zu Bastionen der Korrektheit auszubauen.

Die AfD konnte das alles freilich nicht verhindern. Also… das alles konnte… die AfD nicht verhindern! Verbieten konnte man die Aussätzigen auch nicht, obwohl doch eine Regierungsbehörde täglich feststellt, dass da in den Unterständen der Aufständigen ohne jeden Zweifel eine – Achtung, Zauberwort! – „aggressiv kämpferische Haltung“ gegen Regierende an den Tag gelegt wird. Eine regelrecht ernst gemeinte Opposition! Wann hat es solche Zustände zuletzt gegeben? Die „Rechten“ haben zwar mit ihren Prognosen irgendwie richtig gelegen und haben ein Programm aufgelegt, dessen Eckpunkte man durchaus problemlos übernehmen kann: Sie stellen in den Ausschüssen Anträge, die man (nach erfolgreicher Ablehnung natürlich) umformulieren und später selbst einbringen kann. Sie stellen auch die richtigen Fragen und wollen das einführen, was in Europa schon überall sichtbare Erfolge zeitigt. Sie arbeiten auch in unzähligen Kommunen bereits ebenso effektiv wie geräuschlos. Aber sie haben natürlich, äh… das dürfte allen klar sein… “keinerlei Lösungen anzubieten”. Logisch! Sie sind ja nicht dabei und niemand will mit Ihnen regieren. Wie will man da Lösungen haben? Ungeachtet ihrer somit erwiesenen Inkompetenz – q.e.d. – scheint jetzt im undankbaren, weil abgehängten Osten die irrige Vorstellung zu herrschen, das volkspädagogische, auf alle Zeit vereinbarte parteipolitische Wechselmodell mit den “Kandidaten der nationalen Front“ könne so mir nichts – dir nichts durch einen Aufstand des Pöbels beendet werden. Einen Klassenfeind also, der die – Achtung, Zauberwort! – entstandene „Grundordnung“ hinterfragt. Schon wieder! Da muss man nochmal sehr laut über ein Verbot nachdenken!

Schon wieder reisen Deutsche in Massen nach Ungarn aus!

Denn mit Schaudern erinnert man sich in den demokratischen Partei- und Sendezentralen an das Schicksal des Genossen Honecker, diesen aufrechten, ganz anders als Höcke latent sympathischen Vertreter aus den Reihen der „Progressiven“. Dem kleinen, irgendwie putzigen Dachdecker war ja trotz der durch den Verfassungsschutz der DDR vorgenommenen Einstufung der November-Revoluzzer als „feindlich negativ“ und „gesichert wohlstandsorientiert“ die deutschrepublikanische Demokratie aus den Händen gerissen worden. Einfach so! Über Nacht! Kurz vor dem Sieg des Sozialismus! Noch heute schüttelt er irgendwo verständnislos das Haupt. Der Erich. Und viele im enttäuschten Westen schütteln in alter Verbundenheit mit. Der Zusammenbruch der DDR war einfach ein Schlag ins Kontor des heimlich angestrebten, bedingungslosen Maximaleinkommens in einem vereinigten Deutsch-Großwandlitz. Eine Verheißung auf die Vereinigten Staaten von Europa. Da hat man nun fast vierzig Jahre lang daran gearbeitet, dieses so unglücklich gescheiterte Geschäftsmodell wieder auf Kurs zu bringen… und nun geht alles von vorne los? Schon wieder reisen Deutsche in Massen nach Ungarn aus!

Wie verdammt, konnte es soweit kommen? Wie nur? Diese Frage zieht sich wie ein grünroter Faden seit zehn Jahren durch die Parteivorstände, Gremien, Talkshows und Redaktionskonferenzen. Es ist nicht zu übersehen. Irgendwo da draußen, in Dunkeldeutschland, wächst er heran, der unsichtbare Feind. Ein Gespenst geht um in Europa. Was hat man nicht alles versucht. Ganze Kolonnen des Guten wurden mit brauner Sprühfarbe losgeschickt. Alles aber auch alles Verdächtige wurde markiert. Reihenweise wurden den gebrandmarkten Undemokraten am Rand der Gesellschaft die Jobs gekündigt, Mietverträge. Konten, Freundschaften, reservierte Kneipentische. Unablässig wurden sie an den Pranger gestellt und mit Hakenkreuzchen und Hitlerbärten beworfen. 64 Stunden am Tag. Gewarnt wurde vor Massendeportation integrierter Nachbarn. Homophobie, Antisemitismus. Klar: Entzug von Grundrechten, identitätspolitische Dauerdiskriminierung und offener Antisemitismus gehören ja nun mal eher in Köpfe, die sich seit jeher damit auskennen. Also in muslimische und in linksgrün-kulturmarxistische Charakterschädel.

Ein Kommunikationsproblem

In den Bastionen der Demokratie fühlt man sich immer noch nicht wertgeschätzt. Findet man doch, die eigenen politischen Erfolge seien nun wirklich kaum noch zu übersehen. Man hätte ja doch geliefert. Verstanden. Eingeleitet. Korrigiert. Sei “auf dem richtigen Weg”! Richtung Klimaneutralität, Autofreiheit und allumfassender Bedürfnislosigkeit. Natürlich. Der “Neue Mensch” ante portas. Nach Angela, “der Besten” (Peter Altmaier wollte sie ja wie das Schaf Dolly klonen und jedem Deutschen wie einen Haushaltsroboter in die Buchte stellen), sprang Olaf, “der Glückliche“, wie Kai aus der Wahlurne. Auch er wurde nun jetzt schon wieder rückblickend zum „besten Kanzler aller Zeiten“, wie Kollege Lauterbach als neutraler Beobachter im abendlichen Sachstandsbericht der ARD zu berichten weiß. Und mit ihm kam ja noch eine ganze Staffel missionarischer Überflieger: Habeck, Baerbock. Faeser. Lemke. Paus. Man weiß sich als Deutscher vor Glück kaum zu lassen. Sollte man meinen. Was den Stolz der Führer ins Morgenlicht allerdings trübt: Ihre Leistungen werden zwar immer noch fürstlich bezahlt, aber immer noch nicht gebührend gewürdigt. Ganz im Gegenteil: Ganze 3 Prozent der Bevölkerung finden die Ampelmenschen noch geil. Es dürfte sich hierbei höchstwahrscheinlich um die Ampel selbst und ihre Entourage aus Jubelpersern handeln. Was es nicht besser macht.

Aber schon sind auch hierfür messerscharfe Gründe ausgemacht. Die Fehler liegen ja auch bei den Protagonisten selbst. Die im Grunde hervorragende Arbeit wird einfach immer noch „zu schlecht erklärt.“ Man „streitet sich zu oft“. Wenn Deutschland in den Rankings die Ziele ausnahmsweise mal nicht erreicht, sondern ein ums andere Mal die knallroten Laternen erobert, dann kann es ja keinesfalls an falschen Weichenstellungen im Berliner Hauptbahnhof liegen! Der Grund ist, neben Putin natürlich, dass man den begriffsstutzigen Reisenden noch nicht hinreichend nahebringen konnte, wo die alternativlose Reise hingeht. Sie begreifen die ungeheure Leichtigkeit ihrer Verarmung noch nicht. Das Wohlgefühl der Leistungsverweigerung. Den Unterhaltungswert, den Berufskriminelle tagtäglich in den Städten bieten. Und die ausgleichende, latent sedierende Wirkung der totalen Gleichheit der Massen. Dass das noch so wenigen klar ist, liegt –Trommelwirbel! – an der suboptimalen „Kommunikation“. Die, soviel Fundamentalkritik darf sein, muss eben einfach „noch besser“ (als ohnehin schon) werden! Man dürfe zudem „den Standort Deutschland nicht schlechtreden!“, woraus sich im Logikschluss zwingend ergibt, dass man angesichts der kaum zu missdeutenden Daten am besten die Klappe hält. Man müsse auch nicht immer “zurückblicken”, sondern müsse jetzt „nach vorn schauen“. Und falls einem selbst dabei wieder schwindlig wird, kann man ja immer noch die Augen schließen und sich die Ohren zuhalten.

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