Sprachliche Phänomene humorvoll aufs Korn genommen

Sprachliche Phänomene humorvoll aufs Korn genommen

Deutsche Alltagssprache: Ein Fundus an Kuriositäten (Symbolbild:Pixabay)

Krieg liegt in der Luft, die Waffen brüllen. Redet endlich vernünftig miteinander – klar, deutlich und respektvoll! Lasst die Waffen schweigen. Nur durch offene und klare Kommunikation können wir Missverständnisse vermeiden und zu einem besseren Miteinander finden.
Gelegentlich stoßen Sprachgewandte und literarische „Wort-Jongleure“ auf die kuriosen Eigenheiten der deutschen Sprache. Einige dieser Kuriositäten wollen wir hier mit einem Augenzwinkern beleuchten.

Zusammengesetzte Substantive, diese aufgeblähten „Wort-Gewölle“, feiern vor allem in der weitschweifigen, steifen Kanzleisprache ihre Premiere – sei es in den Rechtsvorschriften, Urkunden oder Akten. Ein Paradebeispiel: das Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, ein Wortungeheuer mit 63 Buchstaben. Oder wie wäre es mit der Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung, dem mit 67 Buchstaben längsten deutschen Wort-Monster? Dagegen wirkt die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine medizinische Diagnose, fast bescheiden. Und der isländische Vulkan Eyjafjallajökull? Nur ein kurzweiliger Zungenbrecher im Vergleich. Einige Begriffe sind mit allen drei Artikeln in aller Munde, wie bei Joghurt, Keks, Bonbon; aber auch der, die oder das Dschungel. Vielleicht gibt es nur ein einziges Wort, das alle Artikel besitzt und dabei unterschiedliche Bedeutungen hat: der Band (männlich, etwa ein Buchband), die Band (weiblich, etwa eine Musikgruppe), das Band (sächlich, etwa ein Band zum Binden).

Wortanhängsel: Die Kunst der Affixe

Manche Anhängsel, nämlich die Affixe der Wortstämme, verleihen einem Begriff seinen Wesenskern – so scheint es auf den ersten Blick. Der Blicke gibt es viele, ob Sie mit scharfem Adlerauge danach suchen oder sich nur einen Augenblick gönnen: Mit Kennerblick bemerken Sie, dass Suffixe (Wortanhängsel) auch am Wortanfang im Blickpunkt stehen, dann heißen sie Präfixe. Rücken wir die Affixe ins Blickfeld. Ob Hammer-, Gehirn-, Glocken-, Hitze-, Strom- oder Totschlag, meist steht diese Nachsilbe als Synonym für ein plötzlich eintretendes Ereignis. Etwas irritiert sucht man beim Taubenschlag nach dieser Vehemenz. Merkwürdig, gerade das Schlagwetter ist eine Fundgrube der Schläge. Da verursachen Donner- und Blitzschlag ganze Kahlschläge. Ein noch so plötzlich hereinbrechender Regen ist kein Regenschlag, sondern ein Regenfall. In unseren Breiten ist das weder ein Modell-, Glücks- noch ein Zufall. Im Ernstfall wären Kniefall und Tobsuchtsanfall deutliche Ausnahmefälle. In einer Fallstudie könnte man eher zeigen, dass Fallobst auch ohne Fallwind aus einer gewissen Fallhöhe nach dem Durchfallen einer Fallstrecke vielerorts als Abfall auf dem Komposthaufen landet. Vielleicht spricht dieser Tatbestand für unseren Wohlstand.

Irgendwie hat der …stand auch etwas Bilanzierendes, ja Festgeschriebenens an sich. Denken wir etwa an den Wissensstand oder den Notstand, nicht zuletzt auch an den Ehestand. Gelegentlich ist unser Geldbestand teilweise durch „Blüten“-stand vergällt. Ein glücklicher Umstand, wenn wache Bürger mit Anstand die Fälscher aufdecken. Sie geben diesen Tatbestand zu Protokoll und begeben sich womöglich in den Zeugenstand. Trotz richterlicher Standpauke hat der Ganove nur ein kurzes Standbein, nämlich das des Lügens.

Kollektiva mit Understatement

Die …heit’s und …keit’s sind in Wahrheit die Großmacher des Wortes, denn sie substantivieren das Verb. Wie steht es aber mit dem Charakter der …voll’s und …los’? Daran kann man nicht sang- und klanglos vorübergehen. Wer aber meint, die Palette reiche von Null bis Hundert, von wertlos bis wertvoll, sieht sich getäuscht. Wortpaaren wie tatenvoll und tatenlos oder gnadenvoll und gnadenlos wirken vertraut. Doch wie verhält es sich mit qualvoll und „quallos“? Einem kummervollen Gesichtsausdruck steht ein kummerloser vis-à-vis entgegen. Warum soll sich nicht ein wolkenloser Himmel bewölken und wolkenvoll über baumloser Steppe hängen? Er erleichtert sich nicht über baumvollem Urwald.
Dann die …gut’s: Sammelbegriffe, so genannte Kollektiva, täuschen vielfach Bedeutsames vor. So ist und bleibt das Leergut ganz einfach leer. Auch nicht jedem Erbgut entstammen charaktervolle Intelligenzbestien, nicht jedes Kulturgut oder Gedankengut (immerhin besser als die „Denke“) verdient dieses Prädikat, selbst ein Weingut nicht. Zum Glück gibt es ein anderes Kollektiva mit Understatement, wie das …stück. Dabei gehört dieses zum Wort-Hochadel; Kunststück, denn wenn ein Meisterstück als Erbstück zu Bruch geht, werden aus dem Glanzstück lauter Bruchstücke. Verständlich, dass das Frühstück so heißt, weil es die erste Essteilmenge des Tages repräsentiert. Es ist aber durchaus denkbar, jene erste Gaumenfreude des Tages später zu genießen, nur müsste sie dann aus logischen Gründen Spätstück heißen, oder vornehmer Spätgut. Den Spagat zwischen dem Gut und dem Stück schafft nur das Stückgut. Das ergibt folgende Zwischenbilanz der Affixe: Wer volltrunken mit Schlagseite bei Vollmond mit Silberblick ziellos auf Streugut einen Unfall baut, vollbringt kein Husarenstück, vielmehr verliert er seinen Vollkaskorabatt.

Wenden wir uns nun moderat wirkenden Suffixen zu, den …sam’s. Ist es nicht seltsam? Jemand kann behutsam, duldsam, folgsam, fügsam oder auch handsam sein. Doch Sesam öffne dich: Nicht gerade Balsam für die Menschheit ist ein grausamer Zeitgenosse. Gelegentlich stehen die ...sam’s mit den vergleichbaren haft’s in Konkurrenz. Erinnert sei an hünenhaft, roboterhaft, chamäleonhaft, riesenhaft und mumienhaft. Es wäre boshaft, wenn man verböte, herzhaft, ja, geradezu naschhaft in eine nahrhafte Speise zu beißen.

Bedeutungswandel und Täuschungen eines Wortes

Früher war höchstens das Getreide reif oder, wenn es hochkam, „geil“. Heute kann fast alles „geil“ sein. In der Jugendsprache gibt es sogar die Steigerung hammergeil, während wir Älteren noch von der „Wucht in Tüten“ oder gehoben von „süperb“ sprachen. Auch das Wort “Metze” hat im Laufe der Zeit mehrere Bedeutungen angenommen. Im Mittel- und Norddeutschen wurde „Metze“ als ein Getreide-Hohlmaß verwendet. Ursprünglich war Metze ein Kosename für den weiblichen Vornamen Mathilde. Später wurde „Metze“ auch als abwertender Begriff für eine Liebesdienerin verwendet. Selbst in Goethes Faust tauch das Wort auf: Mephistopheles spricht dort von einer “alten Metze”, was in diesem Kontext eine abwertende Bezeichnung für eine alte Frau oder Hexe ist.

Der Begriff der „Diäten“ (lateinisch diaeta, ursprünglich “Tageslohn”) täuscht ebenfalls. Statt der sattsamen Bezüge von 11.227,20 Euro eines darbenden Abgeordneten, das dieser seit dem 1. Juli 2024 monatlich bezieht, suggeriert der Begriff eher ein abgemagertes Gehalt. Und dann die …linge! Wortfindlinge erfreuen sich in Schreiberlingskreisen wachsender Beliebtheit. Während neumodische Wortlieblinge allerorts wie Pilze aus den Federn schießen – man denke nur an den Miesling oder Naivling –, wandern ganze Nachtschattengewächse in den Kochtopf, etwa Pfifferling, Täubling, Becherling oder der schmackhafte Brätling. Weniger bekömmlich ist dagegen ein giftiges Kräutergebräu, nämlich der Schierling, dem bereits Sokrates sein vorzeitiges Erkalten verdankte.

(Screenshot:Twitter/Netzfund)

Kurioserweise sind auch Findlinge unter diesen im Wachstum Begriffenen gar nicht so selten: Das Repertoire reicht von Säugling, Sprössling bis zum Jüngling. Unter diesen Halbstarken würde sich ein Greisling als seniler Sonderling ausnehmen. Dagegen zählen der Däumling, Würmeling und Winzling zu den “Liliputlings”. Der verwegene Neuling im Reiche der Ling-Orthografie meint fälschlich, den Zwillingsbrüdern Feigling und Ängstling stünde ein “Mutling” entgegen oder das Pendant des argen Fieslings wäre der liebenswürdige Nettling, so wie der Kontrahent des Schädlings der Nützling. Doch aus dem derben Rohling wird schließlich kein ausgekochter Garling.

Kein Zweifel, das jahreszeitliche Ling-Schlaraffenland ist der Frühling: Da erschnäbelt sich der Nestling einen fetten Engerling, der vogelmütterlicherseits unter einem Sämling herausgepickt wird. Ein verspäteter Frischling (dieser Flurschädling!) verspeist grunzend lauter frische Setzlinge. Durch die klare Luft schwimmen farbenprächtige Schmetterlinge, genauer gesagt Kohlweißlinge. In weiser Voraussicht vermeidet die Natur ein Sprachchinesisch und lässt den Winterling nicht erst im Mai blühen – gottlob! Das Gesträuch hieße sonst Frühling-ling.

Wortredundanzen

Überflüssige Wortkörper zieren oft die Reden schicker Manager. Sie sind gespickt mit entwicklungsorientierten und leistungsspezifischen Eckdaten. Neulich las ich: „Der Euro sackte diametral entgegengesetzt zum US-Dollar auf die Unterstützung bei 1,10 US-Dollar ab“. Das Adjektiv „diametral“ bedeutet bereits „entgegengesetzt” oder „gegensätzlich“. Das ist ein klassischer Pleonasmus. Oft hört man auch in den Klamauk-TV-Sendungen das Wort „optimalst“ oder „optimaler“ – obwohl es keine Steigerung von optimal gibt. Die Qualität dieser Sendungen ist eben optimal miserabel, Punkt. Doch vielen reicht der Begriff der Intensität nicht aus; sie verstärken ihn, indem sie ihn mit dem Suffix “-ivität“ zur Intensivität erweitern; ähnlich eben wie bei den Wörtern „Kreativität“ oder „Produktivität“.

Schließlich müssen zukunftsorientierte, dampfplauderspezifische Fakten das Geschwafel der Politiker untermauern, während sich der kleine Mann gehaltsmäßig, zumindest in Sachen Arbeitsplatz, in die Ecke gedrängt fühlt. Blassgrüne Reden eines Politikers – eines Dampfplauderers – verbreiten nichtssagende Leere; das charakterisiert das Gespräch zwischen zwei Volksvertretern: Der eine fragt „Herr Kollege, was sagten Sie doch neulich in ihrer großartigen Rede über die Einwanderungsdurchsetzungsproblematik?“ – „Ich? Nichts.“ – „Das ist mir schon klar. Ich wollte nur wissen, wie Sie es formuliert hatten…


Dieser Beitrag erschien zuerst auf Anderweltonline.

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