Samstag, 14. September 2024
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Wiens letzter Anarchist: In memoriam Richard Lugner

Wiens letzter Anarchist: In memoriam Richard Lugner

Richard “Mörtel” Lugner, 1932-2024 (Foto:Imago)

Gürtelbridge is down. Der Gürtel-Übergang zu seiner Lugner City, auf den Richard Lugner zum Zeitpunkt der Aufnahme des unten abgebildeten Fotos bereits über 10 Jahre wartete, ist längst gebaut. Noch länger wollte die Stadt Wien nicht, dass der Baumeister ihr die Brücke quasi schenkt. Dieser kommentierte, stets lakonisch, irgendwann dürfe er beim überüber- oder überüberübernächsten toten Fußgänger dann eben doch bauen, und irgendeiner Politiker, der immer dagegen war, würde dann das Band durchschneiden. Genauso kam es – wenn auch mit 15 Jahren Verspätung.

(Foto:privat)

Wir schreiben die späten Neunziger. Euer Lametterer war noch immer recht neu in Wien, Lugner aber bereits Bürgermeister der Herzen. Der Vater meiner damaligen Freundin war Schulwart in Wien-Ottakring. An einem Einkaufssamstag begleitete ich ihn in die Lugner City, die irgendwie schon immer mit ihrem unwiderstehlich-abgerockten “shabby chic” zu überzeugen wusste. In der Tiefgarage war Verkehrschaos. Und Richard Lugner persönlich gab den Verkehrspolizisten. Winkend, brüllend, gestikulierend. Doch statt den Knoten aufzulösen, verdichtete er ihn mit jeder Bewegung. Irgendwann sprang ein Autofahrer aus seinem Toyota, lief zum Baumeister, gab ihm eine feste Watschn – und stieg wieder ein. Lugner stand mit roten Backen da – und begann nach einer Schrecksekunde gleich wieder zu fuchteln. Der Vater meiner Freundin meldete sich zu Wort: “Klar ist er ein Vollkoffer“, tönte es in wunderschönem, altem und heute vom Aussterben bedrohtem Ur-Ottakringerisch aus ihm, “aber er ist okay. Er ist einer von uns. Weil er sich für nix zu schad’ ist.

Oszillieren zwischen Strafen und Schmunzeln

Tage später sahen wir den Baumeister wieder. Jacqueline “Jacqui” Lugner war im Kindergartenalter und in der Lugner City war Streichelzoo. Lugner setzte das Kind auf ein Pony und strahlte. Er war jetzt einfach ein Vater, der glücklich war, weil sein Kind lachte. “Das meine ich“, sagte der Vater meiner Freundin, “er ist echt. Leute wie wir werden ständig belogen – aber wir spüren, wenn sich wer verstellt.” Die Politik-Versuche von Lugner, Frank Stronach 15 Jahre später vorwegnehmend, waren linkisch, das Gehabe dilettantisch und die Strategie peinlich. Die Etablierten und Arroganten der Wiener High-Society oszillierten zwischen Abstrafen des Emporkömmlings mit verächtlichen Blicken und Schmunzeln ob der unbeholfenen Konkurrenz. Vor Ort aber sah man einen, der auch bei diesem Unterfangen die Sprache der Straße sprach, der sich “nicht verstellte“.

Dass damals drei von vier Parteien des Wiener Gemeinderats (ratet mal, welche nicht!) immer wieder bei Lugner zwecks Kooperation ob seiner Popularität anklopften, war in Wien ein offenes Geheimnis. Vom “Falter” wurde er einmal gefragt, ob es da keine ideologischen Schranken gäbe. Lugner schlug sich auf die Schenkel und erwiderte unumwunden, ob der Interviewer das ernst meinen würde: “Ideologie“? In welchem Jahrhundert er denn leben würde. Der Redakteur blieb schmähstad zurück.

Was vom Baumeister der Nation bleibt? Mörtel Lugner war ein wenig so wie der Charakterstaat Österreich an und für sich: Immer ein wenig zum Fremdschämen, immer ein wenig peinlich, immer tiptop englisch – aber immer authentisch, stets liebenswert in seiner Skurrilität; eben ein echtes Original, und: “Sich für nix zu schad’!” Wiens letzter Anarchist. Requiescat in space, Richard Lugner.

5 Antworten

  1. Er war ein Original, wie der Autor sagt, echt, unverfälscht, nicht verbogen. Er ist einer der letzten seiner Spezies. Echte Menschen sind rar, Menschendarsteller gibt es in rauen Mengen, sie gehen einem auf die Nerven. Und er sammelte Ehefrauen wie andere Leute Münzen, oder was immer.

    1. Anarchist? Wohl eher Kapitalist und Clown. Nix gegen ihn, aber vergöttern braucht man ihn auch nicht. Ich glaube nicht das ein Opernball eine anarchische Veranstaltung ist, die gegen die Weltelite kämpft…Also bei aller Liebe…

  2. Und so sterben die Originale einer nach dem anderen weg.
    Übrig bleiben Allerweltsgesichter, farblos und austauschbar.
    R.I.P. “Mörtel”

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  3. Ruhe in Frieden als einer der in seinem Leben die jungen Frauen liebte !

    Etwas anderes und wichtiges vom Staatsrechtler Rupert Scholz!

    https://deutschlandkurier.de/2024/08/dk-interview-mit-staatsrechtler-rupert-scholz-ampel-minister-wollen-buerger-mit-strafanzeigen-einschuechtern/

    August 2024

    „DK-Interview mit Staatsrechtler Rupert Scholz: „Ampel-Minister wollen Bürger mit Strafanzeigen einschüchtern!““

    „Selbstverständlich hat jeder Politiker, jeder Minister und jede Ministerin das Recht, sich strafrechtlich zur Wehr zu setzen, wenn eine Straftat vorliegt. Paragraf 188 des Strafgesetzbuches (StGB) soll ja explizit Personen des politischen Lebens vor Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung schützen. Wie jeder andere Bürger haben natürlich auch Regierungsmitglieder das Recht, Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 StGB zur Anzeige zu bringen. Mein Eindruck ist allerdings, dass, abgesehen von im Einzelfall berechtigten Anzeigen, die Gefahr einer Überstrapazierung des Strafrechts besteht. In jedem Fall ist abzuwägen mit dem Recht der Bürger auf Schutz ihrer Meinungsfreiheit.“
    So wie zuvor u.a. der Staatsrechtler Rupert Scholz.

    Allerdings sind für mich immer noch nur noch politisch werkelnde Staatsanwaltschaften, die den jeweiligen politischen Justizministerien unterstellt sind und zusätzliche “Gesinnungsrichter” i.S.d. Regierung nicht neutral.

    Dagegen kann jeder Bürger jeden Politiker wegen was auch immer bei der Polizei, Staatsanwaltschaft für Taten anzeigen.
    Aber was passiert denn danach, im Regelfall nichts, weil Staatsanwaltschaften fast immer keinen Anfangsverdacht als Voraussetzung für Ermittlungen sehen und wenn doch muss das Parlament zuvor zur Ermittlung seine Zustimmung geben
    (Aufhebung der Immunität).
    Somit gibt es eine Zweiklassen-Justiz und auch diesbezüglich haben die Väter des Grundgesetzes tief geschlafen !!!

    Zwar steht im GG, vor dem Gesetz sind alle gleich zumindest a.d. Blatt Papier theoretisch. Eine Gleichung in der Tat gibt es für Politiker absolut nicht !!!
    Auch hier haben die Grundgesetz-Väter tief geschlafen !!!

    Mit anderen Worten, für Meinungsfreiheiten und wenn nicht, für Kleinigkeiten werden Bürger dafür angeklagt und bestraft !

    Für Hetze/Ausgrenzung/Freiheitsberaubung, Berufsverbote, u.v.a. mehr, wie u.a. zu “C-Märchen-Zeiten”, Hass, Taten, Züchtigungen, etc. ./. das eigene Volk dürfen sich Politiker weiter in ihrer ihnen bestens bekannten Narrenfreiheiten ungestraft suhlen ???

    Das soll noch Gewaltenteilung, Demokratie, Grundrechteschutz im Sinne des GG sein?

  4. https://youtu.be/WGQK__wfCPs

    13.08.2024

    „Eskalation💥Ärztechef schlägt Alarm💥Einer krank-Sechs kommen mit! Wir wissen doch Alle, wer es ist!“

    Gäste führen sich auf wie Barbaren.
    Sie meinen nur in der Gruppe wäre Durchsetzung von ihren kriminellen Interessen durch vielfach körperliche Gewalt möglich.
    Es wird noch anders kommen, wo dieser gewalttätige Abschaum ihre Meister finden werden.
    Und was macht die Politik, nichts oder macht doch etwas zu viel davon, sie lassen immer mehr von Sozialabschöpfern rein !
    Das ist widerlichster Vorsatz gegen das eigene Volk !

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