Die Diagnose Staat

Die Diagnose Staat

Finis Germaniae: Das politische Kartell leistet ganze Arbeit (Foto:Shutterstock)

Motorenbauer AEM pleite. Ryan Air streicht sein Angebot zusammen. Von Dresden, Leipzig und Dortmund aus wird nun nicht mehr, von woanders kaum noch geflogen. Trockene Begründung: Die deutschen Steuern und Abgaben sind zu hoch. Zwei von Dutzenden inhaltsgleichen Alltagsmeldungen diese Woche. Wer die Nachrichtenlage verfolgt hat, weiß: Die Schlüsselindustrien haben längst abgeschlossen und lassen das Licht lediglich noch brennen, um den Eindruck zu erwecken, da sei noch jemand zuhause. Man weiß schon… Verunsicherung, Diskretion und so. Die chemische, verarbeitende und Automobilindustrie haben so kurzentschlossen wie geräuschlos ihre Investitionen ins Ausland verlagert. Die Hälfte aller noch in Deutschland ansässigen Unternehmen plant, es ihnen gleichzutun. Dabei dürfte es sich um fast einhundert Prozent der Firmen handeln, bei denen eine solche Verlagerung überhaupt möglich ist. Über den Zustand der Unternehmen wiederum, die an den Standort Deutschland gebunden sind, gibt dann eine andere Zahl Auskunft: 40.000 Unternehmenspleiten in den beiden letzten Jahren. Konkurse von Einzelhändlern verachtfacht. Siebzig Firmen pro Tag (!) melden derzeit Insolvenz an. Ein Rekordhoch jagt das nächste.

Mit Siemens verfügt Deutschland jetzt über gerade noch ein Unternehmen am unteren Ende der Top 100 der Welt; vor einigen Jahren waren in der Oberliga der Ökonomie noch zwanzig vertreten. Das ist nur folgerichtig. In einem Land zu produzieren, dass gar kein Land, sondern ein Testgelände für Höchststeuern, Planwirtschaft und Kulturexperimente sein will, macht einfach keinen Sinn mehr. Die wenigen noch profitablen Unternehmen landeten schon vor geraumer Zeit auf dem Wühltisch und gehören nach dem Ausverkauf jetzt ausländischen Investoren.

Der kurze Deutschland-Test

Die Zahlen sind eindeutig. Wirtschaftsanalysten sehen Deutschland derzeit ökonomisch gerade noch auf dem Niveau von 2005; allerdings befanden sich damals Brücken, Straßen, Eisenbahntrassen, Wirtschaftswachstum und Konjunkturaussichten in einem halbwegs akzeptablen Zustand. Diese Grundsubstanz ist nun aufgebraucht. Man kann das ökonomische Lagebild ohne weiteres extrapolieren. Jeder möge kurz den großen Deutschland-Test machen und innerlich irgendein gesellschaftlich relevantes Thema aufrufen: Investitionen, Verkehr, Renten, Pflege, Bildung, Energie, Wachstum, Digitalisierung, Militär, Demographie und Zuwanderung, Sicherheit, Kaufkraft, Zuversicht… Man wird kein einziges finden, von dem man behaupten könnte, da entwickle sich irgendetwas nicht geradewegs in Richtung Desaster. Das zweite deutsche Wirtschaftswunder wird gern mit dem Begriff “Deindustriealisierung” beschrieben, hat aber nicht nur die Ökonomie, sondern mit Kultur und Sozialstaat auch die beiden anderen Säulen der Wirtschaft erfasst. Wäre Deutschland eine Brücke in die Zukunft, dann bliebe nur zu warten, bis die Konstruktion in der Nacht mit einem lauten Knall in sich zusammenbricht. Alle werden hinterher sofort eine schlüssige Theorie parat haben, wie das geschehen konnte und wer die Schuld trägt.

Während Wirtschaftsverbände und Unternehmer – spät, aber immerhin – für die ökonomische Implosion sehr deutlich die spezifisch deutschen “Standortfaktoren” Steuern, Bürokratie, Fachkräftemangel – also ganz unmissverständlich das deutsche Politikversagen – verantwortlich machen, spricht die Regierung gern von ihrem schweren Schicksal. Von rauhen Winden. Von internationalen Krisen. Von den kaufunwilligen Chinesen. Vom russischen Angriffskrieg im Osten. Vom leider irgendwie befreundeten Investitionsstaubsauger USA im Westen. Allesamt natürlich externe Faktoren, die man in Berlin beim besten Willen nicht beeinflussen kann, die sich seltsamerweise aber in keiner Volkswirtschaft der westlichen Welt so auswirken wie im CDU-geduldeten Ampel-Protektorat.

Systemisches Problem

Laternenhalter und Hobbyökonom Habeck verschiebt nun also das Wachstum ein weiteres Jahr in die frohe Zukunft; natürlich nicht, ohne nebenbei in seiner unnachahmlichen Wehleidigkeit zu monieren, man hätte ihm als Visionär einfach zu viele Knüppel in den Weg geworfen. Anders gesagt: Der Pöbel und mit ihm sämtliche deutsche Unternehmen haben seine Genialität noch immer nicht erkannt. Eine riesige feuchtschlüpfrige Medienentourage springt ihm bei und paukt ihn aus jeder neuen verzapften Bredouille heraus – und das, obwohl sich nun wirklich ausnahmslos jedes Projekt, das dieser Spinner angefasst hat, als kapitales Fehlkonstrukt erwiesen hat: Energiewende, Klimageld, Industriestrompreis, Lieferkettengesetz, Heizungsgesetz, Wachstumschancengesetz. Sogar das pendelnde Hof-Orakel Marcel Fratzscher mag den dürftigen Zweckoptimismus nun nicht mehr teilen und begibt sich schon mal vorsichtshalber an Deck der löchrigen Berliner Arche.

Habeck steht aber nur stellvertretend für ein systemisches Problem. Wenn man die immer wieder genannten Haupthindernisse, Fachkräftemangel, erstickende Steuerlasten und die nahezu schildaeske Bürokratie minimieren will, dann kann man dies mitnichten von einer maximal wirtschaftsfernen Staatsmaschinerie erwarten, deren natürlicher Daseinszweck ja eben darin besteht, rekordverdächtige Steuern zu erheben, Missstände zu behaupten, und waggonweise Vorschriften zu erlassen, um diese dann mit maximalem Aufwand an materieller und personeller Infrastruktur völlig unabhängig vom eintretenden Erfolg zu verwalten. Der Staat ist ein unkontrollierbar gewordenes Geschäft des institutionalisierten Dilletantismus. Natürlich wird ein solches Bürokratiemonster niemals etwas gegen Bürokratie unternehmen. Wozu auch? Der deutsche Staat ist weit und breit die einzig verbliebene Branche mit automatisiert wachsenden Einkünften. Wenn im Deutschland dieser Tage etwas gebaut wird, dann sind es klimatisierte Verwaltungstempel. Wenn für nichts mehr Geld da ist, für Leib-Stylisten, denunziatorische Meldeportale, den Wassergraben um den Reichstag und den stetigen behördlichen Aufwuchs auf der ohnehin weltgrößten Staatsapparatur reicht’s allemal.

Unnützer, weil unfähiger Wasserkopf

Sechs Millionen Bundesbürger (!) arbeiten inzwischen im öffentlichen Dienst. Noch viel mehr sind mehr oder weniger direkt abhängig vom Papiertiger Staat. Nirgendwo auf der Welt schleppen so wenige Wertschöpfende nicht nur einen gigantisch aufgeblähten Sozialstaat voller Leistungsempfänger, sondern auch noch einen schmarotzenden, in weiten Teilen völlig unnützen, weil unfähigen Wasserkopf mit sich herum. Was der deutsche Staat – dank mühsam aufgehübschter Bildungsbiographien und dem stets kategorischen Willen zur Klärung von Zuständigkeiten – tatsächlich vom Wirtschaften versteht, kann man sehr einfach an einer Miniaturwelt zeigen, quasi an einer Modelleisenbahn: Am Staatskonzern Deutsche Bahn nämlich. Dienstwagenfahrende, ahnungslose aber bonusgepamperte Manager mit ihren Phantasien von Zerschlagung und Versilberung sämtlicher Einzelteile an der Börse. Dazu Zigtausende, vor sich hinverwaltende Bürohengste. Marode Infrastruktur. Kaputte Züge. Faxgeräte in den Büros. Händisch gestellte Weichen in der Landschaft. Verlassene Stellwerke. Tiefschlaf allerorten. Bahnhöfe als jämmerlich verkeimte Drogenverteilzentren und Kriminalitätshotspots. Ein mittelalterliches Eisenbahnmuseum wie eine Halloween-Installation. Ein düsteres Bild, in das Millionen ohnmächtig vor sich hin maulende Reisendende auf den Überraschungsbahnsteigen und in den versandenden Zügen ins Nirgendwo vorzüglich hineinpassen. Ein Sinnbild unter vielen.

Dein unlösbares Problem, liebes Deutschland, heißt Staat.

4 Antworten

  1. Hier die Antwort eines typischen deutschen Michels.
    Ich fliege nicht und habe auch kein Auto, also interessiert es mich nicht! Bei Anbruch der Dunkelheit bin ich auch zu Hause und deshalb bekomme ich auch nichts von der Kriminalität mit! Mein Aldi und mein Arzt ist um die Ecke, Also bin ich zufrieden!

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