Montag, 6. Mai 2024
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Einst wurden Verkehrsprojekte in wenigen Jahren verwirklicht – heute braucht es Generationen

Einst wurden Verkehrsprojekte in wenigen Jahren verwirklicht – heute braucht es Generationen

Endlos-Baustelle Rheintalstrecke (hier zwischen Karlsruhe und Basel bei Riegel) (Foto:Imago)

Es geschah um das Jahr 73 n. Chr. in meiner geliebten südbadischen Heimat, damals unter der Vorherrschaft der Römer: Vor nunmehr 1950 Jahren bauten sie in ihrer Provinz Germania Superior eine Militärstraße von Straßburg über den Schwarzwald nach Rottweil. So steht es in den Annalen. Stimmt natürlich nicht; gebaut haben sie die Einheimischen – die Römer bestimmten, wie und wo es lang geht. Die Römerstraße führte über Offenburg und dem Kinzigtal ins heutige Schwaben. Die Römer wollten mit dem Bau die Strecke vom Rhein nach Augsburg verkürzen, damit die Legionäre nicht um den ganzen Schwarzwald herum nach Obergermanien marschieren mussten, um dort für Ordnung in ihrem Sinne zu sorgen.

Die Trasse war topographisch nicht schlecht gewählt, denn ungefähr auf ihr wurden auch in der Neuzeit Verkehrswege gebaut – einschließlich eines für „Dampfrosse“. Vor 150 Jahren, am 10. November 1873, begab es sich also, dass die Schwarzwaldbahn nach nur zehn Jahren Bauzeit (!) in Betrieb genommen wurde. Sie war und ist ein Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst mit vielen Tunnels, darunter drei Kehrtunnels – die Blaupause für die Schweiz. Die Schwarzwaldbahn führt von der badischen Revoluzzer-Stadt Offenburg auf der Römerstraße Kinzigtal über den Schwarzwald nach Singen und dann nach Konstanz am Bodensee. Wie der Bau der Rheintalbahn, diente auch der Bau der Schwarzwaldbahn einst vorwiegend militärischen Zwecken.

Verstaubte Pläne aus der Schublade geholt

Heutzutage ist der Bahnbau ein Generationenprojekt – wohlgemerkt: nicht nur einer einzigen Generation. Aus dem persönlichen Erfahrungsbereich möchte ich folgendes berichten: Ende der der Achtziger Jahre kamen Pläne auf den Tisch, die Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel als letztes Teilstück der international bedeutsamen Strecke von Rotterdam – Genua auszubauen; gedacht als eine Industrieachse und als Hafenverbindung für die Anlieferung aus China zur Weiterverteilung im Mittelmeerraum. Es ging um eine prognostizierte Vervielfachung des Güterverkehrs. Den Anwohnern wurde das Vorhaben jedoch so verkauft, dass man mehr öffentlichen Nahverkehr auf die Schiene bringen wolle. Als die Pläne soweit fertig waren und der Bau hätte beginnen können, kam die Deutsche Einheit „dazwischen“ – und das Geld des Bundes floss in die „neuen Länder“. Und in einen noch neueren Bundestag in Berlin mit dem Kanzleramt als größtem und teuersten Regierungssitz der westlichen Welt.

Zur Jahrtausendwende wurden die verstaubten Pläne wieder aus der Schublade geholt. Sie sahen parallel zu den jetzigen Gleisen zwei weitere vor, auf denen tags und besonders nachts hunderte Güterzüge mitten durch die Ortschaften rattern sollten – insgesamt über 600 Züge täglich. Südbaden wehrte sich gegen den Ausbau „durch die Schlafzimmer“. Meine Region verhinderte schließlich die menschenverachtende Planung und setzte den Bau – auf den gleichen Gemarkungen – entlang des Fernverkehrsweges der Autobahn durch. „Asche zu Asche, Staub zu Staub, Fernverkehr zu Fernverkehr“: So wurde die Fehlplanung im Dezember 2016 beerdigt.

Umplanung unter keinem guten Stern

Doch die stattdessen gewählte Umplanung stand ebenfalls unter keinem guten Stern. Parallel ging es um Stuttgart 21, den Tiefbahnhof und die Schnellstrecke Stuttgart – Ulm (damit man ein paar Minuten früher in Bratislava sein kann – wo alle schon einmal hinwollten?). Das Projekt wurde zu einem Milliardengrab und seither leiden Bahnplanungen generell unter einem Imageproblem – auch, weil sich durch die langen Planungen die Prämissen geändert hatten. Internationale Arbeitsteilung mit dem entsprechenden Warenverkehr wird inzwischen halbwegs geächtet. Und die Chinesen stiegen in den Ausbau der Mittelmeerhäfen ein, weshalb der Güterverkehr auf der Rheintalbahn wohl nicht mehr wie früher prognostiziert explodieren wird. Jetzt steht eher der Personenverkehr im Fokus, der mit einem „Klima-Rums“ verdoppelt werden soll. Die Bahn setzt im Personenfernverkehr aber auf Hochgeschwindigkeit (um mit dem Flugzeug konkurrieren zu können?).

So ist es nicht eben einfach, die Gleisinfrastruktur dem unterschiedlich schnellen Bahnverkehr anzupassen; aus den geplanten vier Gleisen werden deshalb streckenweise sechs bis acht Gleise. Doch trotz der Vervielfachung der jetzigen Gleise ist kaum eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs möglich. Drei Züge in der Stunde gingen vielleicht noch – aber keine vier, die im Berufsverkehr dringend nötig wären. Schon jetzt sind die Züge dermaßen überlastet, dass sie wegen blockierter Türen teilweise nicht losfahren können. Wegen der Baumaßnahmen der für 250 Stundenkilometer Geschwindigkeit ausgelegten ICE-Strecke müsste die Strecke über viele Jahre Bauzeit hinweg gesperrt werden. Und ein funktionierender Schienenersatzverkehr auf den überfüllten Straßen und der nur zweistreifigen Autobahn ist illusorisch.

“Mehrwert für die Region”?

Wie soll man nun der Region Südbaden „verkaufen“, worin für sie da ein Vorteil läge? In solchen Dingen sind Planer einfallsreich: Sie präsentierten der staunenden Öffentlichkeit zwar keine zukunftsweisende Verkehrsinfrastruktur, sondern wohlklingende Verheißungen, die von der Lokalpresse unkritisch übernommen werden. Der Bericht ist in etwa von der Präsentation der Bahn abgeschrieben – so macht man zwar nichts verkehrt, aber ist das noch Journalismus? Der behauptete „Mehrwert für die Region“ soll – in der Bauphase – bei 6 Millionen Euro Gewerbesteuern-Mehreinnahmen für die Kommunen liegen; insgesamt sei mit 300 Millionen Euro Wertschöpfung (bei Projektkosten von 5,9 Milliarden Euro) und rund 3.000 Arbeitsplätzen zu rechnen. Der volkswirtschaftliche Nutzen wird für später einmal auf 333 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt. Stimmt das auch alles?

Zu einigen Punkten folgende Anmerkungen: Ein vernünftiger Ausbau würden ebenfalls Wertschöpfung und Arbeitsplätze generieren – und zwar im gleichen Verhältnis. Beides ist kein Selbstzweck und die Frage sei erlaubt, ob angesichts der europaweiten Ausschreibung südbadische Unternehmen überhaupt zum Zug kommen. Das ist unwahrscheinlich, weshalb die Kommunen auch keine Gewerbesteuer einnehmen werden. Und stehen ausländischen Unternehmen tatsächlich mehr Arbeitskräfte zur Verfügung als bei uns?

Denken in Epochen

Und was den Zeitgewinn von 25 Minuten für die ICEs zwischen Karlsruhe und Basel betrifft: Was nützt die kürzere Fahrzeit, wenn die Anschlüsse mit dem künftigen “Deutschlandtakt” (?) nicht kompatibel sind? Und wieviel länger werden die rund 130.000 ICEs wohl brauchen, die während der sechsjährigen Umbauzeit durchfahren, wenn sie wegen einer schikanös engen Kurve auf 80 Kilometer abbremsen müssen? Und emittiert die dann anschließende energieintensive Wiederbeschleunigung auf die Regelgeschwindigkeit – die dem Stromverbrauch einer Kleinstadt entspricht – kein CO2? Warum wurde der propagierte Zeitgewinn nicht mit den Zugausfällen verrechnet? 60 Nahverkehrszüge pro Tag mal 365 Tage mal 6 Jahre Umbauzeit mal 30 min durchschnittliche Fahrzeit ergeben 65.700 Zugausfall-Stunden! Das bedeutet deutlich mehr Zeitverlust als der Zeitgewinn von 25 Minuten je ICE. Die Amortisation des Zeitverbrauchs stellt sich – angesichts der frühestens für 2042 veranschlagten Inbetriebnahme der ICE-Neubaustrecke – erst um das Jahr 2050 ein. Unsere Verkehrsplaner – oder die Politik – denken anscheinend in Epochen.

Und was denken sich eigentlich Zeitungsmacher, wenn ihnen von Planern und Experten für Öffentlichkeitsarbeit viele, viele Zahlen in bunten Präsentationen vorgestellt werden? Juristen sagt man nach, dass sie nicht rechnen können (oder wollen?) – iudex non calculat. Journalisten tun sich anscheinend schwer damit, Fragen zu stellen – weil die Überprüfung der Schlüssigkeit der Antwort Arbeit machen würde? Aber vielleicht war der halbseitige Artikel des früheren Redakteurs der “Badischen Zeitung” ja auch nur der Vorspann für eine eigene Recherche? Die Hoffnung stirbt zuletzt.


Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite des Autors.

11 Antworten

  1. Das erinnert mich daran, das 2021 mal irgendein Rot Grüner Kommunisten Dummdödel erzählte, das Autobahn voll Nazi ist. Alle Rot – Grünen Drecksäcke aus der Kommunistenszene haben gejubelt und fühlten sich bestätigt.
    Das aber die Argumente kamen, das A.H. das gar nicht erfunden hat, ist dann alles geräuschlos ohne Kommentar abgegangen. Jetzt rächt man sich ebend so und zerstört unser Land. Ich hasse alle Kommunisten!!!

  2. Ein rein polemischer Artikel.
    “…Güterzüge rattern…” Ja, vor 30 Jahren noch. Heutzutage wird so viel in die Verrringerung der Lärmemissionen investiert (z.B LSW, SSW, Gabionen, Schienendämpfer sowie fahrzeugseitig “Flüsterbremsen” etc.), da kann man den vorliegenden Bericht auch gleich zu den Akten legen.
    “…menschenverachtende Planung…” Gehts nicht noch ein Spur krasser? Wollen Sie nicht gleich von zukünftigen Zwangsarbeitern reden, die zum Bau einer der Ansicht der Anwohner nach unnötigen Eisenbahntrasse gezwungen werden?
    Absolute Zeitverschwendung, diesen Text noch bis zum Ende zu lesen. Geistig am Rande der Grundschule. Vorhandene Informationen im fehlenden Kontext, aufgestellte Milchmädchenrechnungen und leere Behauptungen! Da kann man sich ja sogar bei den öffentlich-rechtlichen Medien besser informieren.

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  3. Viele Probleme der Bahn sind auch hausgemacht. Die gesamte Verwaltung ist ein Moloch. Es gibt 1000e von Vorschriften, teilweise ziemlich kleinlich und jede Abweichung setzt einen Verwaltungsakt ohne Gleichen in Gang, mit Anträgen, Begründungen u.ä. Es dauert natürlich, bis alles genehmigt ist.
    Ich habe in einer Firma für Oberleitungsbau gearbeitet und daher mitbekommen, was so im Ablauf bei der Bahn läuft. Neue Mitarbeiter im Rotationssystem, teilweise unerfahren, daher auch wenig bereit Entscheidungen zu treffen und vor allem Verantwortung zu übernehmen.

  4. Aber, aber. Die Römer haben ihr Militärstraße ja auch nicht geprüft. Auf Lärm, Umweltverträglichkeit, Wasserschutz, ob die Wachholderschnapsdrossel beim Brüten sich gestört fühlt oder ob Claudius Winfridus Kretschmarix sich durch den Anblick in seiner persönlichen Freiheit beeinträchtig sieht, während er seinen Teil von Germanien verwaltet. Da sind wir heute halt viel weiter und dies dauert dann halt.

  5. Immer wieder: Stümpereien bis in Detail – aber kein vernetztes Denken!

    Als Jurist erfreute ich mich früher an der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der zumindest in Rechtsfragen sachliche Gesichtspunkte in den Mittelpunkt rückte:

    Maßnahme (überhaupt) erforderlich? (siehe auch „Corona-Maßnahmen“!)
    Maßnahme für den Zweck geeignet? (siehe dort „Maskenpflicht/ Ausgangsverbot/Schulschließungen“)
    Maßnahme verhältnismäßig i.e.S. – z.B. Aufwand und Kosten; Zeitersparnis; welche Beeinträchtigungen?

    Stuttgart 21 oder auch „Corona“ sind Musterbeispiel für gescheitertes Denken, für geglaubtes Wissen, für unbelehrbare „Besserwisserei“.
    Die Beispiele zeigen mit welch rudimentären Denkvermögen heutige Partei-Führer samt Gefolge unterwegs sind (Abschalten der Atomkraft ohne ausreichenden Ersatz). Sie zeigen sogar, wie man locker dreifach scheitern kann, obwohl schon ein negatives Kriterium ausreichen würde, um einen Irrsinn zu verhindern. Dazu kommt dann immer noch eine ideologische Verlogenheit (z.B. Kapazitäten), die letztlich niemandem dient und allenfalls kurzzeitig das Ansehen der „Planer“ erhöht“! Kurzzeitig – denn mit der Zeit werden immer mehr Menschen diese Egomanen für ihre dümmliche Selbstgefälligkeit verfluchen – und hoffentlich dort, wo gewählt werden kann, nicht mehr wählen!

  6. Einst dienten Verkehrsprojekte auch dem Verkehr und nicht nur Immobilienhaien und den von ihnen geschmierten Politikern wie bei Stuttgart 21.

  7. China hat in den letzten 20 Jahren 37.000 km Hochgeschwindigkeitsnetz gebaut.Deutschland hat insgesamt gerade mal ca. 2.000. Noch Fragen?

  8. Die Güterzüge rattern heutzutage auch noch. Und wie. Ich habe jedesmal das zweifelhafte Vergnügen, das zu hören, wenn ich am Bahnhof auf meine Frau warte. Ihnen empfehle ich dringend einen Termin beim HNO-Arzt. Und menschenverachtend, ja geradezu asozial, sind die Pläne der Grünen für ihre rein ideologischen Motive zur Vernichtung der Wirtschaft allemal.

  9. @HEUTE BRAUCHT ES GENERATIONEN
    Da sind sie aber ein Optimist !
    In meinen Augen als Pack aus Dunkeldeutschland und gefallener Engel aus der Hölle ist das Land tot – politisch, wirtschaftlich und sozial – und geht biologisch seinem Ende zu !
    Selbst die Ansprüche, die das Regime noch stellt, sinken ständig und gehen so langsam unter Null !
    Hier ist nichts mehr zu retten !
    Das einzige “Projekt”, das hier noch mit Erfolg umgesetzt wird, ist die Vernichtung der Nation und des Staates Deutschland – Schwaab “1930 werden sie nichts besitzen” wird noch übertroffen werden – sie werden nicht einmal mehr existieren!

  10. Noch viel zu optimistisch. Ich lade Autor und Leser ein, mal die Autobahnen um Bolschewiki City (vormals Duisburg) für eine Rundreise zu befahren.
    Aber: Zeit mitbringen, Urlaub nehmen, ausreichend Wegzehrung und womöglich auch eine Camping Toilette nicht vergessen!
    Bolschewiki City, oder die Kunst, Autobahnbaustellen über Jahrzehnte zu strecken, von einer Sperrorgie in die andere zu fallen und das alles gleichzeitig und nicht nur auf den Autobahnen, sondern auch den anderen Hauptadern.
    Nichts geht, außer Stau von 6-20 Uhr und das in allen Richtungen und an allen Stellen.
    Hier geht gar nichts mehr! Und das seit ewigen Zeiten! Die Baustellen, die hier 8 Jahre und länger dauern, sind in zivilisierten Ländern in 8 Monaten abgewickelt.
    Großprojekte im Irrenladen Deutschland? Fehlanzeige, siehe Transrapid. Als ich einem Kollegen etwa um 2005, als ein Clement mit einer Utopie wie “Metrorapid” bis WM 2006 faselte, erklärte, nicht einmal in 10 Jahren, höchstens lande er dann im Eisenbahnmuseum, rügte der mich, eine Unke zu sein.
    Letztlich war ich noch zu optimistisch, der Transrapid fuhr nichtmals ins Museum, sondern wurde 2006 kleingebrannt und an Altmetallhändler verscherbelt.
    Die Patente wurden abgegeben für Appel und Ei, an China, wo die Dinger heute in weiterentwickelter Form bereits lange etabliert sind!
    So geht das hier mit allen Großprojekten.
    Endzeit Dekadenz, Vollkaskomentalität und ausufernde Belehrigkeit bringen letztlich alles zu Fall.