Railway to hell..

Railway to hell..

Design hui, Verlässlichkeit pfui: Deutsche Züge (Symbolbild:Pixabay)

Die Bahnsteige des Frankfurter Bahnhofs beginnen gefühlt gleich hinter Palermo, winden sich dann von Italien aus über die Schweizer Alpen über Basel nach Stuttgart, um dann endlich im beschaulichen Hessen anzulanden. Von dort aus sind es dann nur noch ein paar Kilometer bis zum Hauptgebäude. Zwischendrin gibt es ein paar Bänke, auf denen man sein Basislager aufschlagen kann, so sie denn nicht von anderen Erschöpften schon besetzt sind. Und die obligatorischen Raucherkäfige mit gelber Umrandung, die es einem ermöglichen, per Rauchzeichen ein Signal abzusetzen, dass man zwischen Palermo (Abschnitt F) und Hauptgebäude noch nicht das Schicksal von Ötzi erlitten hat. Falls jemand dort ein Skelett mit einer Einhorn-Kette um den Hals findet: Bestellt bitte Streuselkuchen zu meiner Beerdigung.

Als im Home-Office Tätige freue ich mich immer ungemein auf die zwei Dienstreisen pro Jahr zur Fraktionsklausur in Thüringen. Während ich anfänglich noch quer durch die Republik reiste, um hin- und herzupendeln, bin ich jetzt ein Gefangene des Frankfurter Bahnhofsuniversums. Er ist meine persönliche Nemesis, dieser Bahnhof ist geplant worden, um unschuldige Reisende in den Vorhof der Hölle zu versetzen und den dicken unter ihnen – also mir – ein unfreiwilliges Laufprogramm aufzunötigen. Man sitzt zum Beispiel in froher Erwartung im Abschnitt F und bewundert die Pinienbäume Palermos, da es von dort aus gemäß Fahrplan in fünf Minuten nach Düsseldorf weitergehen soll.

Verweilen auf Gleisen wie gesättigte Riesenpythons

Doch ach! Man bekommt schon eine drohende Vorahnung seines unglücklichen Schicksals, denn der dort abgestellte Vorgänger-ICE verweilt auf dem Gleis wie eine gesättigte Riesenpython und wird noch emsig mit Getränken beladen. Nun ist der deutsche ICE kein Shinkansen und niemand würde von den Bahnmanagern verlangen, bei einer Verspätung von fünf Minuten öffentlich Selbstmord zu begehen, um die Schande zu tilgen. Was in Japan eine Staatskrise auslöst, geht in Deutschland heute noch als pünktlich durch. Zum Glück muss Kaiser Wilhelm das nicht mehr erleben.

Doch nun wird in Palermo – also Abschnitt F – per Lautsprecher verkündet, dass der gewünschte ICE in fünf Minuten von einem anderen Gleis abfahren werde. Man ahnt: Die Platzreservierung ist futsch, der Zug wahrscheinlich obendrein. Der innere Schweinehund flüstert einem ein, man würde das ohnehin nicht schaffen, könne also ruhig sitzen bleiben, bis der nächste Zug einrollt. Der andere innere Schweinehund will allerdings dringend aufs heimische Sofa. Es braucht jetzt einen heroischen Anstoß. Am Tag vorher war ich im Hotelaufzug des bandagierten Knies meines obersten Chefs ansichtig geworden, der tapfer dennoch zum Joggen aufbrach. Nebenbei gesagt ist so eine Bandage ein guter Vorwand, einem Mann auf die nackten Beine zu schauen, schließlich könnte ein medizinischer Notfall eintreten, da will man gerüstet sein.

Schwierigkeiten eines Gleiswechsels

Wecke den Björn in dir”, sage ich mir angesichts dieser Tapferkeit – nun sieht das bei mir keineswegs so leichtfüßig aus wie bei meinem um die Ecke sprintenden Chef. Sondern eher wie Antje, das verblichene Walross, das zur Fütterung eilt. Andere Fahrgäste verzichteten allerdings aus Pietät darauf, mir auf meinem Weg rohen Fisch zuzuwerfen. Doch – oh Wunder! – es gelang mir noch, den Zug zu erwischen, auch wenn ich nach dem Ergattern des letzten freien Sitzplatzes erst einmal wiederbelebt werden musste. Eine Maske hatte ich natürlich auch noch nicht auf, aber niemand beschwerte sich – schließlich hätte ich darunter kollabieren können. Früher auf mein Sofa kam ich deshalb trotzdem nicht: Ein Schaden an der Beleuchtung ließ nämlich den Zug erst einmal stranden.

Doch einmal im Ernst: Ist es wirklich so schwierig, einen Gleiswechsel rechtzeitig anzukündigen, wenn er mal vonnöten ist? Da gibt es all diese netten Apps, die einem jede Kleinigkeit des Fahrtablaufs vermelden – aber in Sachen Gleiswechsel versagen sie regelmäßig. Es wird so viel von Inklusion gesprochen, da wäre es doch ein netter Anfang, den auf welche Weise auch immer beim Gehen behinderten Fahrgästen eine Chance zu lassen. Ich verlange schließlich nicht gleich eine Express-Rikscha, obwohl das eine feine Sache wäre. Oder ein Sessellift am Bahnsteig. Sondern nur ein bisschen Zeit, das muss doch möglich sein, oder?

8 Antworten

  1. Ja, die richtige Kommunikation ist nicht die Stärke der Deutschen Bahn. Da wird lieber im Fünfminutentakt die Verspätung nach oben korrigiert, so dass die S-Bahn auf deNachbargleis ganz sicher schon losgefahren ist oder man holt sich wegen der angekündigten Verspätung noch einen Kaffee und der Zug fährt einem vor der Nase weg.
    Man kann nur hoffen, dass die Bahn besser Beccheid weiß, wo sich ihre Züge befinden, als das Bahnsteigpersonal oder wie diese Leute heutzutage heißen…

  2. Wieso App? Es gibt in Bahnhöfen auch Lautsprecher! Ich habe überhaupt kein Smartphone und deshalb auch keine App. Sollte ich dann sitzen bleiben und bis zum jüngsten Tag auf den Zug warten? Die Bahn könnte außerdem ihrem Personal beibringen, wie man ordentlich spricht, so dass man auch über einen Lautsprecher verständlich die Leute ansprechen kann. Okay, wir sind kein Shinkansen, kein südkoreanischer KTX, keine chinesische Bahn und kein türkischer Schnellzug. Wir haben halt eine heruntergewirtschaftete Deutsche Bahn, die oft noch schlechter ist als die DDR Reichsbahn.

  3. Kann ich nachfühlen, aber heute ist es wahrscheinlich noch viel schlimmer als damals und da war es schon schlimm. Morgens ging es noch, aber abends war es die Hölle, jeden Arbeitstag, jahrelang. Aber die Idee mit dem Seppuko der Bahnmanager bei 5 Minuten Verspätung wäre gar nicht mal so übel 🙂

  4. Bravo! Ob Selbstironie oder nicht – es ist einfach eine schöne humorvolle Ansage, bitte mehr davon, es gibt neben der Bahn viele viele weitere potenzielle Opfer in unserem Land! DANKE!!

  5. Na ja, die mußten erst mal gucken, ob überhaupt ein Zug fahrbereit ist. Als sie endlich einen gefunden haben, haben sie’s gleich durch gegeben :-))

  6. Ich kann Euch sagen, woran das mit den Verspätungen liegt: vor etlichen Jahren hat man die Fahrpläne gestrafft!
    Vorher waren überall kleine Pufferzeiten drin, aber irgendein Manager (wahrscheinlich so ein BWL-Typ) ist auf die Idee gekommen, diese zu eliminieren, damit die Bahn (aus Marketingründen) damit werben kann, dass die Fahrt von A nach B nur noch 30 Minuten dauert anstatt bsp. 40.
    Oder von B nach C jetzt unter 4 Stunden.

    Die SBB (Schweizer Bahn) bsp. hat dieser Pufferzeiten noch…

    1. Es ist geradezu lächerlich, wie kurz die Haltezeiten sind (also die Differenz zwischen Ankunft- und Abfahrtszeiten). Ich bin oft von Stuttgart aus Bahn gefahren und NIE, auch nicht in verkehrsarmen Zeiten, hat die Haltezeit ausgereicht, die Leute ein- und aussteigen zu lassen. So ist jeder Zug schon mit Verspätung abgefahren, die der Lokführer dann aufholen sollte bis zum nächsten Bahnhof – und dann weiter mit Verspätung. Und mir als Bahnkunden ist Pünktlichkeit und genügend Zeit zum Umsteigen, ohne mit dem Koffer rennen zu müssen, wichtiger als die Reisezeit auf dem Papier. Ich stimme Ihnen, Martin1, zu 100% zu!

  7. Ich lese zwar viel von Mängeln bei der DB, aber hatte zuletzt mehrfach keine Probleme bei Reisen von Ffm. nach Wetzlar oder Limburg und zurück. Dasselbe gilt für die S-Bahnen in Frankfurt-Stadt, wo ich allerdings auch immer zuhause war, wenn Störungen gemeldet wurden.