Dienstag, 30. April 2024
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Kompetente Pflege versus Akademisierungswahn: Ein Zielkonflikt

Kompetente Pflege versus Akademisierungswahn: Ein Zielkonflikt

Pflege braucht Praxiserfahrung, Empathie und Fürsorge, keine Studienabschlüsse (Symbolbild:Pixabay)

Am Mittwoch fand im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine interessante öffentliche Anhörung zu einem Antrag der CDU zur geplanten Akademisierung der Pflegeberufe statt. Ein Thema, welches immer wieder hochkocht und mich bereits im baden-württembergischen Landtag beschäftigte. In der Anhörung zeigte sich, dass die CDU mit ihrem Antrag an der Realität vorbei schrammt: Denn schnell wurde klar, dass sowohl Geld als auch Ausbilder fehlen und die studierten Kräfte auf dem Markt nicht gebraucht werden, weil sie für die Firmen einfach nicht bezahlbar sind. Zudem gäbe es eine ausbleibende Nachfrage bei den angebotenen Studienplätzen sowie eine hohe Abbruchquote, was der CDU als auch der Bundesregierung zu denken geben sollte. Vielmehr bestätigte die Anhörung zahlreicher Experten die Ansicht der AfD, dass es keines Akademisierungswahns bedarf.

Leider wurde auch in dieser Anhörung wieder nicht klar, wofür man die studierten Kräfte überhaupt benötigen und einsetzen solle, die Rede war von “hochkomplexen Tätigkeitsbereichen”, ohne dass klar wurde, inwiefern universitär ausgebildetes Personal diesen Anforderungen eher gerecht werden könnte als hochqualifiziertes Fachpersonal ohne Studienabschluss. Der Antrag unterstellt diesbezüglich zwar, dass sich akademisch ausgebildete Pflegekräfte positiv auf die Mortalitätsrate oder Vorfälle wie Stürze oder Wundliegen auswirken würden, ohne dies konkret zu belegen. Schlimmer noch: Diese Positionierung ist eine unglaubliche Frechheit und muss als Diskreditierung aller gut ausgebildeten Pflegekräfte gewertet werden, die es Tag für Tag auch ganz ohne Studium schaffen, sich liebevoll, versiert und mit großer Kompetenz und Hingabe um ihre Patienten zu kümmern.

Sich potenzierender Mangel

Norbert Grote vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste ging abschließend ausführlicher auf einen sehr wichtigen Punkt ein: Dem Mangel an Pflegepädagogen. Um nämlich die hochschulische Pflegeausbildung zu stärken, wie es der Antrag verlangt, braucht es Pflegepädagogen, die die Etablierung entsprechender Studiengänge leisten und die Lehrtätigkeit versehen können. Diese fehlen dann aber bei der Ausbildung der weniger qualifizierten Pflegeberufe. Dieser Mangel potenziert sich, weil ein Pflegepädagoge in den weniger qualifizierten Pflegeberufen mehr Pflegekräfte ausbilden kann als im Hochschulbereich. Die Folge wären weniger „normale“, praktische, nichtakademische Pfleger. Dies sei ein Zielkonflikt, den man zur Kenntnis nehmen müsse, betonte Grote.

Der Akademisierungswahn verstärkt somit den bereits bestehenden Pflegenotstand. Ich bleibe deshalb dabei, dass im Mittelpunkt des Pflegeberufes eine praxisorientierte Versorgung der Pflegebedürftigen stehen muß, die etwa durch ein primärqualifizierendes Pflegestudium konterkariert würde – denn ein solches Studium könnte ohne vorherigen Praxiseinsatz absolviert werden und dies kann niemals im Interesse eines effizienten Pflegewesens sein. Was die Pflege benötigt, sind nicht noch mehr Studenten, sondern verbesserte Arbeitsbedingungen, eine leistungsgerechte Bezahlung und entbürokratisierte Arbeitsabläufe, die den Pflegern endlich wieder mehr Zeit mit dem Patienten schenken, statt am Schreibtisch über Vorschriften und Formularen zu versauern.

Dieser Beitrag erschien auch auf beischneider.

 

11 Antworten

  1. Wohin die ‘Akademisierung’ führt, sieht man auch bei manchen Politikern. Studium abgebrochen und vollkommen unfähig.

  2. Akademisierung der Pflege ist vollkommener Schwchsinn, völlig unnötig und v.a. Kontraproduktiv. Die Akademisierung würde zwar eine Lobby bilden, der Nachteil, es sitzen am Ende von der Praxis entfernte Professoren mit Medizinern auf Augenhöhe an einem Tisch und schachern miteinander. Was dabei rauskommt, sieht man in anderen Bereichen. Korruption und theoretischer Sumpf kommt dabei raus, welcher nicht in die Praxis übertragen werden kann und alles noch viel mehr verkompliziert und bürokratisiert. Auch die Digitalisierung erleichtert die Pflege nicht, im Gegenteil sie stiehlt Zeit, die dem Patienten/Bewohner am Ende abgezwackt wird. Also am Menschen vorbeigepflegt wird, oder gar nicht mehr, Hauptsache es ist etwas dokumentiert. Akdemisierung und auch die generalisierte Ausbildung wird vor allem der Altenpflege das Genick brechen. Akademisierun erniedrigt bisher konventionell ausgebildete Kräfte indem es sie zu Hilfskräften degradiert und deren Löhne drückt, die werden dann durch billige neu hereingeholte Fachkräfte ersetzt, die sich mit niedrigeren Löhnen zufrieden geben. So kann man auch reformieren, so wird alles billiger, wenn auch den Menschen nicht mehr geholfen ist…

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  3. Das Grundübel ist ein anderes. Ein Pflegeberuft setzt voraus, dies aus BERUFUNG und nicht als Job zu machen. Da ist auch die falsche Gewichtung zwischen den echten PFLEGEKRÄFTEN und der Verwaltung, welche ohne am Patienten zu arbeiten das große Geld einstreicht. Auserdem ist ein Rückbau in der Verantwortung des Pflegepersonals erkennbar es wurde in den letzten Jahrzehnten vieles an die Ärzte übertragen, das zuvor auch qualifizierte Pflegekräfte machen durfte. In der Schweiz, in England u. den USA z.B. hat eine ausgebildete Pflegekraft mehr Befugnisse als in D. Aber bei uns wird die Entscheidung wie meist von Leuten getroffen, die nie am Patienten gearbeitet haben, den Schreibtischtätern.

    1. Zu Ihrem letzten Satz: Das ist in vielen Bereichen so. Ich kenne mehrere Menschen, die die Anweisungen ihrer Vorgesetzten nicht sklavisch befolgen, damit die Sache gut läuft. Mit anderen Worten: Verantwortungsvolle Mitarbeiter tun alles, um manche schwachsinnigen Vorgaben “von oben” durch eigenes Handeln zum Wohle aller (auch der Firma) abzuschwächen.

    2. AKADEMISIERUNG- Damit die Alles besser auswendig lernen und fern der Wirklichkeit agieren. Wie bei den meißten Ärzten. Auswendig gelerntes und Vorurteile ist die Voraussetzung für eine Diagnose. Weiterbildung nur durch Bigpharma. Wenn was schief geht ist der Patient schuld weil der was falsch geschildert hat.
      Bei der Reha muss man jeden Tag 1,5 l Wasser saufen unabhängig von der Körpergröße und Gewicht. Das ist das Erste wo die darauf achten, wenn man dann mal öfter pinkeln muss verpassen die einem ein Katheder, Infektionsgefahr so die Ärzte. Alles nach Schema F ohne Rücksicht auf die zu Pflegenden! Man muss sich seine Persönlichkeit erst mühsam zurück erobern. Das macht dann wieder Stress.

  4. “Akademisierungswahn” ist m.M. nach der falsche Ausdruck, denn von “akademisch” ist in Hochschulen nicht mehr viel übrig in den Nicht-MINT-Fächern und selbst in letzteren …
    Es scheint mir eher, als solle das deutsche Ausbildungswesen langsam in den akademischen Bildungsanstalten aufgehen, im Sinne von: verschwinden. Man sollte bedenken, dass die ganze Mischpoke, die unseren Politdarstellern vorschreibt, was zu tun ist, an Unis ausgebildet ist, daher das duale Ausbildungssystem nicht kennt und sieht, dass es auch ohne duale Ausbildung geht, wie z.B. in den angelsächsischen Ländern. Ich vermute, dass selbst denkende Handwerker, die einfach aufgrund ihrer Kompetenz und der daraus folgenden Autarkie über eine gewisse Unabhängigkeit verfügen, der WEF-Elite ein Dorn im Auge sind.
    Beispiel gefällig?
    Wir haben beim Hausbau vor x Jahren eine Telefonanlage einbauen lassen.
    Jetzt gibt es Probleme damit und der junge Techniker der Telekom hat das Ding nur angesehen und gesagt, er habe keine Ahnung davon und sie würden dazu auch nicht (mehr) ausgebildet ;-P
    Reparieren, überbrücken oder sonstwas konnte er auch nicht machen.
    Derjenige, der das Ding damals eingebaut hatte, hatte denselben Job wie der wirklich nette junge Techniker. Wir müssten jemanden finden, der das noch könne ;-P
    Anscheinend soll alle Kommunikation in Zukunft über den Router laufen, ist vermutlich leichter zu überwachen ;-D

  5. Akademisierungswahn?
    Das erinnert mich an einen alten Spielfilm der 1970er, in dem Woody Allen in die Zukunft reiste, dort eine Studentin traf und sie fragte, was sie denn studiere.
    Antwort: “Kosmetik und Oraler Sex!”

  6. Es gibt außer der Pflege immer mehr Tätigkeiten wo die Nullen mit einem Abschluss in “irgendwas mit Medien” oder Gender (200 Lehrstühle) eingesetzt werden und die echten Fachkräfte auch noch deren Gehalt miterarbeiten müssen. Ich habe das am Ende meines Arbeitslebens noch in den Anfängen erleben dürfen. Gestern noch ein Gespräch mit einem Jüngeren geführt der von sich aus darauf kam wie es jetzt mittlerweile in den Verwaltungen so aussieht. Die Überschrift müßte also entsprechend ergänzt werden, oder anders formuliert, vereinfacht “Kompetenz statt Akademisierungswahn” lauten.

  7. Aehnlich ist es im Kindergarten- und Hortbereich.
    Der Beruf war frueher in einer 3-4jaehrigen Ausbildung gelernt und Praxis/praktisch orientiert.
    Dann wrde die Kindergaernerinnen zu Erziehern und die Ausbildung auf 5 Jahre heraufgesetzt. Zusaetzlich wurde der Sozialpaedagogenberuf erfunden.
    Die Koepfe wurden mit Theorie und Phrasen vollgestopft, aber praktische Umsetzung nicht mehr oder unzureichend gelernt. Auf Praktikums z.B. wurde kaum noch Wert gelegt z.B. Sozpaeds 3 Monate berufsbegleitend.
    Gerade die Leute, die es kaum einen Tag mit einer Kindergruppe aiushielten, keinerlei bzw. geschweige , sich mit den Kindern beschaeftigten oder eine Beziehung aufbauen konnten studierten weiter. So lernten sie umso besser schwafeln um dann ihre voellig irren Theorien an gestanden langjaehrige Kindergaertnerinnen weiterzugeben bzw. diese von Amts wegen auf zuzwingen zu koennen.
    S

    1. Dem kann ich nur beipflichten, nach meiner Krankenpflegeausbildung war ich bei der Polizei Jugendsachbearbeiter. Die Ausbildung dazu wurde von einer gelernten “Kindergärtnerin”, ohne Kinder und einem ledigen kinderlosen Psychologen geleitet. Wir Pol.Beamte (fast alles Familienväter u. mit Kindern) und diese Theoretiker hielten uns unhaltbare Vorträge über Kindererziehung. Das war vor 35 Jahren und heute sieht man das Ergebnis dieser Theoretiker in allen Bereichen, vor allem in der Politik. Von nichts eine Ahnung aber eine große Klappe.

  8. Die akademische Ausbildung zum Pflegeberuf würde dann ja im Grunde genommen auch ein Abitur voraussetzen. Damit sind dann alle noch länger in der Schule und würden erst spät anfangen zu arbeiten. Außerdem wären sie noch länger in den Fängen von dem Bildungssystem welches eher von Grund auf geändert werden muss.