Freitag, 20. September 2024
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“Ahmed, wir müssen unsere Kommunikation überdenken“: Wie viel Schadenfreude ist erlaubt?

“Ahmed, wir müssen unsere Kommunikation überdenken“: Wie viel Schadenfreude ist erlaubt?

Entrüstet israelkritische Hisbollah- und Hamas-Versteher: Netzmeme von vorgestern unter dem sarkastischen Titel “Gestern in Beirut”, in Anspielung auf die “Eierschäden“ der terroristischen Zielpersonen durch die vielfach in ihren Hosentaschen explodierten Pager (Screenshot:Telegram)

Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen”, lautet eine deutsche Redewendung, die sich derzeit trefflich auf die Situation der Hisbollah im Libanon anwenden lässt. Der “Pager-Coup” des Mossad – jedenfalls deutet die Perfektion des Plans sehr auf den israelischen Geheimdienst als Urheber hin – sorgt für eine Flut gehässiger Memes im Netz. Diese stammen allerdings nicht nur von Israelis: Auch iranische Oppositionelle sind mit dem Ausgang der Operation durchaus zufrieden. Dazu muss man wissen, dass der “Oberste Führer“ des Iran, Ali Chamenei, gezielt Hisbollahis auf die iranische Opposition ansetzte, auch und gerade im Ausland. Auch viele Frauen, die sich an den Protesten gegen den Schleierzwang im Iran wehrten, wurden dabei schwer verletzt; vor allem auf die Augen ihrer Opfer hatten es Teherans Terroristen-Schergen abgesehen. Wenn die Hisbollah sich nun als Opfer einer “großangelegten israelischen Terroraktion” inszeniert, kann das bei diesen Iranern nur ein sarkastisches Lachen auslösen. Auch wenn sich die Empörten nun auf das “Völkerrecht” berufen, hat das aufgrund der Vorgeschichte einen schalen Beigeschmack.

Der Vorgang erinnert an jene Diskussionen, welche in Deutschland entstehen, wenn die Polizei einen Messerattentäter mit der Schusswaffe stoppen musste und mehrere Dutzend Integrationsspezialisten zu wissen meinen, man hätte das Problem ja auch mit einem Stuhlkreis angehen können. Bloß liefen im Falle der Hisbollah Aktion und Reaktion in weitaus größerem Maßstab ab: Auch Israel hatte in den letzten Monaten massiven Raketenbeschuss durch die Hisbollah zu erdulden, rund 8.000 Geschosse gingen auf den Norden des Landes nieder, rund zehntausend Israelis mussten evakuiert werden. Dank der direkten Unterstützung aus dem Iran verfügt die Hisbollah mittlerweile sogar über “höherwertige” Raketen als die Hamas, die in ähnlichem Ausmaß auf den Süden des Landes zielt. Während der Beschuss der Hamas hauptsächlich Psychoterror und finanziellen Schaden verursacht – was schlimm genug ist –, geht von dem der Hisbollah eine ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben der israelischen Bürger aus.

Diese Raketen unterscheiden im Übrigen auch nicht, ob die ge- und betroffenen Bürger nun muslimischen oder jüdischen Glaubens sind. Der israelische “Iron Dome” kann zwar einiges von dem abfangen, was auf Israel zielt, aber sein Betrieb kostet Unsummen und bietet zwar einen guten, aber eben keinen perfekten Schutz. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis Israel handeln musste. Dass bei der Pager-Aktion auch das Gerät des iranischen Botschafters im Libanon, Motschtaba Amani, explodierte und diesen am Auge verletzte, bestätigte nicht nur dessen Kontakte zu den Terroristen, sondern erschien vielen Iranern im Netz als berechtigtes “Karma”. Auch wenn es derzeit gern anders dargestellt wird: Tatsächlich wurden die Pager der Firma “Apollo” ausschließlich von den Terroristen und ihren Kontaktleuten genutzt. Deren Führung hatte ausdrücklich dazu geraten, da die Geräte nicht ortbar sind. Von einem “gezielten Angriff auf Zivilisten” kann also nicht die Rede sein; präziser lässt sich im Krieg ein Gegner nicht isoliert angreifen.

Von Chebli bis Scholz: Die übliche Mischpoke

Kann man Israelis und oppositionellen Iranern deshalb eine gewisse Schadenfreude verübeln, wie es deutsche “Israelkritiker” à la Sawsan Chebli, Lamya Kaddor und Ruprecht Polenz derzeit empört tun? Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen spricht sogar davon, Israel würde eine “weitere Eskalationsstufe” im Nahost-Konflikt provozieren; Annalena Baerbock stößt – wenn auch etwas verhaltener – ins selbe Horn. Mit einer Verteidigung der israelischen Strategie macht man sich in Deutschland keine Freunde – und dabei ist es vollkommen gleichgültig, mit welchem politischen Lager man es zu tun hat. Auch von manchem Rechten kommt der Ruf nach einer politischen Neutralität Deutschlands im Nahost-Konflikt. Dabei richtet sich der Blick aber meist auf die Unterstützung für Israel und lässt die angebliche “Entwicklungshilfe” für die Palästinenser vollkommen außen vor;

Deutschlands Außenpolitik spielt spätestens seit der Amtszeit Angela Merkels und ihres SPD-Außenministers Heiko Maas in dieser Beziehung ein gefährliches Doppelspiel, da man es sich mit keiner der beiden Konfliktparteien verderben will. Der Gordische Knoten der unterschiedlichen Interessen hinter dieser Politik ist kaum noch zu entwirren: Die Wirtschaftsbeziehungen zu den umliegenden arabischen Staaten und zum Iran sollen einerseits nicht gefährdet werden, andererseits ist viel von “Deutschlands historischer Verantwortung” die Rede. Auch letztere kann sich – nach Bedarf – sowohl zugunsten Israels auswirken, aber auch zu dessen Nachteil, wenn etwa Annalena Baerbock den Israelis Belehrungen erteilt, wie mit solcher Verantwortung umzugehen sei. Darüber lässt sich sowohl aus dem deutschen Außenministerium als auch vom sicheren Sofa aus trefflich philosophieren. Israel als “weißes Kolonieprojekt des Westens” ist, passend zur allgemeinen postkolonialen Debatte, in aller Munde. Das passt zwar nicht zur tatsächlichen Zusammensetzung der israelischen Bevölkerung, die sich aus Juden und Arabern aller Herren Länder zusammensetzt, klingt aber nach wissenschaftlicher Analyse und stößt daher gerade bei Linken auf viel Sympathie.

Herabprasselnde moralische Empörung

Die Kulturwissenschaftlerin Susanne Schröter schreibt in ihrem Buch “Der neue Kulturkampf” über den erleichternden Effekt, den die sogenannte “Israelkritik” in allen ihren Facetten auf junge Deutsche ausübt, die mit dem Gedanken an eine deutsche “Kollektivschuld” aufgewachsen sind. Das ist eine neue Variante des Ausrufs “Die sind auch nicht besser als wir!”, die auch in vorherigen Generationen gang und gäbe war. Hannah Arendt hatte bereits nach dem Krieg davor gewarnt, den Deutschen dieses Päckchen aufzubinden und stattdessen eine juristisch orientierte Aufarbeitung der Shoah gefordert. Doch die etablierte Gedenkkultur ist inzwischen für viele gesellschaftliche Gruppen eine zu beliebte Moralkeule geworden, als dass man sie überdenken würde. Die queere Bewegung, Muslime und Kämpfer “gegen Rechts” biegen sie sich längst nach Belieben für ihre Zwecke zurecht. Wenn auch viele es anders sehen mögen: Juden und Israel stehen dabei nicht auf der Gewinnerseite – auch wenn das gern behauptet wird.

Wenn also nun wieder moralische Empörung auf Israel herabprasselt – und die Schadenfreude (die teils recht subversiv-abseitige Formen annimmt, siehe untenstehendes Netzmeme) angesichts der Pager-Aktion als “barbarisch” gebrandmarkt wird –, kommt mir das vor, als wolle man einem Schiffbrüchigen Vorschriften machen, wie er sich gegen die Haie verteidigen dürfe, die sein Boot umkreisen. Wenn er nicht in deren Mäulern landen will, wird er sich notgedrungen mit seinem Paddel verteidigen müssen und das letzte, was er in diesem Moment gebrauchen könnte, wäre eine Belehrung von “Greenpeace” über die Empfindungsfähigkeit von Raubfischen. Auf Hilfe von außen wird er ebenfalls vergeblich warten. Israel befindet sich in einer ganz ähnlichen Situation, wenn es nicht von allen Seiten überrannt werden will, muss es alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, seine Existenz zu verteidigen; da können Sawsan Chebli und Ruprecht Polenz noch so ihre Nasen darüber rümpfen.

(Screenshot:Netzfund)

Im Übrigen könnte eine gewisse Dosis eben des Selbstverteidigungs- und Überlebenswillens Israels auch der deutschen Politik nicht schaden, die sich mehr darum sorgt, wie es um ihr Image in der Welt bestellt ist als um die eigenen Bürger. Deshalb ist auch Kritik an Israel gerne aus dem freiheitlich, islamkritischen und “patriotischen“ Lager oft nicht nachvollziehbar: Steht dort etwa die Aversion gegen den jüdischen Staat etwa über dem Interesse, sich eine Scheibe vom Vorbild Israels beim Kampf um die eigene Identität abzuschneiden? Dann kann man in beiderseitigem Interesse nur davon raten, sich von einer scheinheiligen Gedenkpolitik nicht länger blenden zu lassen.

Bis es so weit ist, darf dann darüber spekuliert werden, wie der Mossad – wenn er es denn war – die Aktion mit den Pagern hinbekommen hat. Schon rein logistisch muss es eine Mammutaufgabe gewesen sein, die zudem zügig über die Bühne gehen musste, schon um keine Informationen nach außen gelangen zu lassen. Vor meinem inneren Auge stellte ich mir dutzende von Mossad-Mitarbeitern vor, die in Heimarbeit und Nachtschichten die kleinen Geräte auseinanderschraubten und präparierten. Die Geschichte hat das Zeug, zur Grundlage einer rabenschwarzen britischen Filmkomödie zu werden. Auch wenn das nicht politisch korrekt ist. Aber das sind die Terrorakte von Hamas und Hisbollah ebenfalls nicht, daher hält sich mein schlechtes Gewissen in Grenzen. Die israelische Bevölkerung kann sich seit Jahren im eigenen Land nicht mehr sicher fühlen; wenn es der Hisbollah nun genauso ergeht, kann man das auch als ausgleichende Gerechtigkeit betrachten. Ist das eiskalt? Vielleicht. Aber auch der Schiffbrüchige freut sich, wenn er die Haie erfolgreich vertrieben hat. Das Völkerrecht ist auch Haien nämlich vollkommen unbekannt.

2 Antworten

  1. Der Artikel ist nicht nur inhaltlich sehr interessant, sondern beweist als Negativabgrenzung, wer absolut nicht (in absolut keinster Weise) beteiligt gewesen sein kann: Die Bundesregierung
    „. . . jedenfalls deutet die Perfektion des Plans . . . „ in Kombination mit dem Wort Bundesregierung ist absolut unmöglich. Bundesregierung und „Perfektion“ kann nicht miteinander in Zusammenhang gebracht werden.

  2. Zitat: < die “Eierschäden“ der terroristischen Zielpersonen durch die vielfach in ihren Hosentaschen explodierten Pager >
    Testosteron wird schnell ein stark nachgefragtes Produkt der pharmazeutischen Industrie werden und nicht nur die Zahl der Dickpics drastisch abnehmen. Das wird auch die Bullen der Hitzbulla etwas weniger hitzig machen.

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