Deutsche Außenpolitik, verbaerbockt

Deutsche Außenpolitik, verbaerbockt

Die Zeichen stehen global auf Eskalation – zwischen dem Westen und dem Rest der Welt (Symbolbild:Pixabay)

Am 26. September 2024 hat der Verfasser hier auf Ansage! die Themen Frieden, Corona-Aufarbeitung, Klimawandel, Meinungsfreiheit, Parteienfilz und LGBTQXYZ-Verirrungen als Themen identifiziert, bei denen die Kräfte der Fundamentalopposition den Mainstream-Positionen eine pointierte Gegenposition entgegenstellen müssen. Zum LGBTQXYZ-Thema hatte er bereits am 1. Oktober 2024 etwas beigetragen. Zum Thema „Frieden“ hat Jens Woitas am 8. Oktober 2024 ebenfalls hier einige düstre Visionen vorgetragen. Auch in „Das Lied von der kommenden Dolchstoßlegende“ von Leo Ensel, erschienen am 7. Oktober 2024 hier und am 8. Oktober 2024 hier, wurden interessante Gedanken geäußert. Beide Autoren haben das Totalversagen der deutschen Außenpolitik festgestellt.

Aus dem Woitas-Text kann man zusammenfassen, dass die Friedens-Frage über die Ukraine hinausgeht: Die erste Aufgabe der Außenpolitik ist die Erhaltung des Friedens. Die zweite Aufgabe ist die Förderung nationaler, besonders wirtschaftlicher Interessen. Moral und Werte rangieren unter ferner liefen! Die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine liegt im Interesse der aktuellen US-Regierung, der Frieden vor der eigenen Haustür liegt dagegen im deutschen Interesse, und das hat die deutsche Außenpolitik zu verfolgen.

Frieden liegt im deutschen Interesse

Grundsätzlich gibt es für die Beendigung eines Krieges fünf Möglichkeiten: Totale Niederlage der einen oder anderen Seite, ehrenvolle Niederlage der einen oder anderen Seite oder eine Verhandlungslösung ohne Sieger. Eine totale Niederlage der Ukraine wäre möglich, wenn die Front zusammenbricht. Das könnte auch unblutig erfolgen, wenn viele Frontkommandeure sich weigern, ihre Leute in einen sinnlosen Tod zu schicken und sich dabei vielleicht mehrere Frontabschnitte absprechen. Eine ehrenvolle Niederlage der Ukraine könnte – nach dem Vorbild des 20. Juli 1944 – nach einem Militärputsch möglich sein, wenn die neue Regierung die durchaus annehmbaren russischen Bedingungen akzeptieren würde. Auf der Gegenseite ist zu berücksichtigen, dass Russland eine Atommacht ist und dass es versuchen wird, eine totale Niederlage mit dem Einsatz von Atomwaffen abzuwenden. Das kann weder im deutschen, noch im europäischen Interesse sein. Dabei wäre es dann unwichtig, ob Russland einen Atomkrieg gewinnen oder verlieren würde; Mitteleuropa wäre eine verstrahlte Wüste. Eine ehrenhafte Niederlage Russlands ist nicht in Sicht. Die Bedingungen des Westens wären für Russland eine totale Niederlage und die für Russland schmerzhaften, aber noch akzeptablen Friedensbedingungen wären nach der westlichen Propaganda ein russischer Sieg.

Ob es einen Verhandlungsfrieden geben kann, dürfte aktuell wohl nur in einer Geheimdiplomatie abgeklärt werden. Vor knapp zwei Jahren beschwerte sich Kiew, dass die USA eine „Koreanische Lösung“ prüfen würden. Aus Moskau kam die veröffentlichte Frage, wo der 38. Breitengrad in der Ukraine verlaufe, – aber keine Ablehnung. Der Verfasser hatte diesen Vorgang seinerzeit in diesem Beitrag thematisiert. Sollte hierzu ein ausverhandelter Vorschlag existieren, der von Putin akzeptiert und von Biden verworfen wurde, könnte der der Hintergrund für die Trump-Aussage sein, er könne den Krieg in 48 Stunden beenden. Ob sie im deutschen oder europäischen Interesse läge, kann noch nicht einmal spekulativ beantwortet werden. Es wäre deshalb umso wichtiger, dass eine deutsche Diplomatie solche Lösungsansätze entwickelt und in die Diskussion bringt, die im deutschen Interesse sind.

Keine Freundschaft und keine Moral

Es ist in Mode gekommen, Wladimir Putin mit Adolf Hitler zu vergleichen, obwohl in jedem anderen Zusammenhang solche Vergleiche stets empört zurückgewiesen werden. Hitler hat seine Pläne in seinem Buch „Mein Kampf“ (Band 1925, Band 2 1926) veröffentlicht. Putin hat seine Vorstellungen am 25. September 2001 in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag ausgebreitet. Der Verfasser kann beim besten Willen keine Ähnlichkeiten zwischen den beiden Ansätzen erkennen. Ähnlichkeiten zu den 30er Jahren ergeben sich aber aus einer anderen Perspektive. Zunächst erschien ein aggressives Deutschland, das einen Krieg gegen die Sowjetunion plante, erschien den konservativen britischen Premierministern Baldwin und Chamberlain anscheinend interessant. Man wollte die beiden Feinde gegeneinander hetzen, um quasi der lachende Dritte zu sein. Das gleiche Interesse hatte auch Stalin bei seinem Nichtangriffspakt mit Hitler. Und ein weiterer „Nazi-Vergleich“ ist möglich: Die militärische Lage der Ukraine ist mit der deutschen nach Stalingrad vergleichbar. Sie hat den Krieg noch nicht verloren, ihre Niederlage erscheint aber absehbar. Die Militärputsch-Variante wäre eine vernünftige Lösung. Russland kann aber kein Interesse daran haben, in einer Verhandlungslösung wesentlich hinter dem Ergebnis auf dem Schlachtfeld zurückzugehen.

Die Friedens-Frage geht aber weit über die Ukraine hinaus. Das Spiel mit den Stellvertreterkriegen setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg im West-Ost-Konflikt unter anderen Überschriften fort. Nach dem Sieg der Kommunisten in China sollte nach dem Willen der USA der weitere Vormarsch „der Roten“ um jeden Preis gestoppt werden. Die Sowjetunion präsentierte sich international als natürlicher Verbündeter aller jungen Nationen und unterdrückter Völker, die sich von der Kolonial- oder Feudalherrschaft befreien wollten. Sie konzentrierte sich zunächst auf Asien. Hier gab es mit China einen geeigneten Stellvertreter. Die USA verlangte von ihren internationalen Bündnispartnern Antikommunismus, und war ansonsten nicht wählerisch. Nach der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation am 1. Juli 1991 sahen sich die USA als einzige Supermacht mit dem Anspruch einer internationalen Ordnungsmacht, was aber außerhalb des Westens keinen ungeteilten Jubel auslöste. Nach dem 11. September 2001 setzten die USA jedem Land die Pistole auf die Brust und fragten, ob sie im Krieg gegen den Terror für oder gegen sie seien. Man kann aus westlicher Sicht fragen, ob der Zwanzigjährige Krieg der NATO in Afghanistan oder die Regime-Change-Operationen der USA in Libyen, Syrien oder im Irak sinnvoll waren; aus südlicher Sicht handelte es sich um Überfälle auf souveräne Staaten. Hier spielt auch die Rolle der USA im Nahost-Konflikt eine Rolle, den an dieser Stelle zu analysieren jedoch den Rahmen sprengen würde.

Statt West-Ost-Konflikt heute ein West-Rest-Konflikt

Große Länder, die sich nicht herumkommandieren lassen wollten, organisierten sich und bildeten Bündnisse wie etwa die BRICS+ und die SOZ. Aus dem West-Ost-Konflikt wird jetzt langsam ein West-Rest-Konflikt: Der Westen gegen den Rest der Welt. Dabei vertritt der Westen 15 Prozent der Weltbevölkerung, der Rest 85 Prozent. Unter Obama haben die USA Russland als wichtigste Bedrohung für die Alleinherrschaft der USA ausgemacht, unter Trump China. Biden hat es mit beiden zu tun. Und in der islamischen Welt ist Bushs „Kreuzzug“ noch nicht vergessen. Ohne die USA hätte es den islamistischen Terrorismus nicht gegeben. Osama Bin Laden wurde von der CIA aufgebaut. Und es gibt z.B. in Lateinamerika die Stimmung, dass man es den Gringos einmal so richtig heimzahlen müsse. Was wäre, wenn dann ein beliebiger Geheimdienst aus solchen Stimmungen eine Art RAF aufbaut, die dann Anschläge in den USA ausführt? Die Auswüchse eines eskalierenden West-Rest-Konflikts können den USA leicht über den Kopf wachsen.

2022 hatte China vielleicht die Hoffnung, dass die USA die Hauptlast des Krieges gegen Russland tragen würden und man selbst bei dieser Gelegenheit in der Taiwan-Frage Fakten schaffen könne. Die USA haben dagegen die EU gegen Russlands ins Feld geschickt, und haben dabei einen wirtschaftlichen und einen politischen Rivalen geschwächt. Man kann aus diesen Beispielen lernen, dass es in der Außenpolitik keine Freundschaft und keine Moral gibt, nur Interessen. Diese Erkenntnis fehlt Annalena, die die deutsche Außenpolitik restlos verbaerbockt hat.

Das sinkende Schiff verlassen?

Ist es also wirklich im Interesse Deutschlands und Europas, zur Gefolgschaft eines Landes zu gehören, das sich mit der ganzen Welt anlegt? Inzwischen wird die Bundesmarine im Interesse der USA eingesetzt, um China zu provozieren (siehe hier) und ein Experte der Bundesluftwaffe für den Einsatz von Marschflugkörpern reiste auf einen US-Stützpunkt in Mittelamerika (siehe hier und hier). Was wollte er dort? Und zu allem Überfluss könnte Deutschland noch an der Seite der USA und Israels in den Nahostkonflikt hineingezogen werden. Es stellt sich die Frage, ob Deutschland weltweit Hilfstruppen für die überforderten USA stellen will, oder ob es nicht besser rechtzeitig das sinkende Schiff verlassen sollte. Das Gegenmodell zur US-Dominanz ist die Multipolare Weltordnung. Nach diesem Konzept wäre die Welt in etwa 10 Regionen einzuteilen, die ethnisch, religiös und kulturell definiert wären. Es soll nicht versucht werden, sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Hier soll das Prinzip der Nichteinmischung gelten. Keine Region sollte eine andere dominieren oder ihr seine Vorstellungen aufzwingen wollen. Innerhalb dieser Regionen würde es auch Führungsmächte und möglicherweise Konflikte geben. Ein Zusammenstoß der Kulturen würde aber vermieden.

Auch zwischen Europa und Nordamerika gibt es kulturelle Unterschiede, der nicht nur in der stärkeren Religiosität Amerikas besteht. Die Mentalität der USA und seiner Bürger wurde vom Wilden Westen geprägt. Washington war weit weg und es galt das Faustrecht. In den Western-Filmen kämpften die guten Revolverhelden gegen die bösen. Die Helden auch in anderen US-Filmen sind Individualisten, die sich nicht auf die Staatsorgane verlassen.

Grundvertrauen in staatliche Fürsorglichkeit

Europa hat sich dagegen Ende der 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von der Herrschaft der Fürsten befreit, die Bürger haben einen funktionierenden Staat übernommen und ihn an ihre Bedürfnisse angepasst. Daraus hat sich ein Grundvertrauen in die Fürsorglichkeit des Staates entwickelt. Der Normalbürger kann sich nicht vorstellen, dass eine korrupte Funktionärsschicht von Lobbyisten gekauft wurde, die die Bürger manipuliert. Dieses Grundvertrauen hat die Corona-Maßnahmen erst ermöglicht. Im Gegensatz dazu geht der US-Normalbürger davon aus, dass die Politiker korrupt sind; im Einzelkämpfertum der USA gibt es aber keine Veranlagung, sich gemeinsam gegen diese Fremdbestimmung zu wehren.

Auch zwischen Russland und Westeuropa gibt es Unterschiede in der Mentalität. Der Zarismus und die Sowjetunion haben ihre Spuren hinterlassen. Aber nicht nur die geografische Entfernung zwischen Berlin und Moskau ist mit 1.600 km Luftlinie deutlich geringer als die zwischen Berlin und Washington mit 6.700 Kilometern; auch die Menschen sind sich näher. Wer ein sinkendes Schiff verlassen will, geht zunächst in ein Rettungsboot. In einem zweiten Schritt sucht er nach einem rettenden Ufer, oder er wird von einem anderes Schiff aufgenommen. Das ist dann aber die zweite Entscheidung. Kein vernünftiger Seemann wird auf dem sinkenden Schiff bleiben, nur weil das rettende Ufer oder das nächste Schiff zu weit entfernt sind. Jens Woitas hat den drohenden Untergang des Schiffs beschrieben. Der Verfasser sucht nach dem Rettungsboot.

2 Antworten

  1. Danke Herr Müller! Sie haben einen deutlich klareren Blick als der Kollege Woitas gestern. Dafür habe ich ihn auch kritisiert, da er die transatlantische Brille immer noch aufhat. Und gut auch, dass Sie sich auf ein Thema konzentrieren. Das Sie die Rolle Ungebildeten im Auswärtigen Amt dabei nicht zu sehr beleuchten, ist nur konsequent, denn da ist nichts als Leere.
    Die fünf Formen der Niederlage. Da gibt es jetzt nicht mehr zu viel Auswahl. Der Krieg ist für die Russen schon seit längerem gewonnen. Und jedes herauszögern kostet die Ukraine absolut unnötige Todesopfer an Soldaten und Verlust an Gebieten. In den nächsten zwei Wochen werden die Russen ziemlich zügig durchmarschieren und die letzten dünnen Verteidigungslinien der Ukros wegpusten. Sie sind ihnen in allen Belangen überlegen. Da kann der Westen noch soviel Waffen liefern. Es ist bereits zu spät. Außerdem haben die Ukros gar keine Soldaten mehr zum bedienen. Abgesehen von der nicht vorhandenen Moral. Die Russen testen nebenbei all ihre militärischen Neuentwicklungen im praktischen Einsatz. Die Thermobomben sind echt beeindruckend, militärisch gesehen. Also über was soll der Russe verhandeln? Keine NATO, keine westlichen Raketen auf ukrainischem Gebiet plus Neutralität. Das ist alles. Hätten die Ukrainer schon vor zwei Jahren haben können. GB und die anderen bekannten Kriegstreiber wollten aber noch etwas Geld verdienen. Außerdem hat ja der Wolodomir S. ins Gesetz schreiben lassen, dass es keine Verhandlungen mit den Russen geben darf! Wie will dieses Genie nach der Niederlage das denn anstellen? Und dann haben die Russen auch klargestellt, solange Ukrainer noch auf russischem Boden wüten und nicht vertrieben sind, oder zurückgezogen, gibt es gar keinen Kontakt. Zusammengefasst, die Russen haben Zeit, müssen erst die Ukros aus dem Kursker Gebiet rausschmeißen, am besten gleich Durchmarsch bis Sumy. Ich denke auch dass sie den S. garnicht mehr akzeptieren werden als Verhandlungspartner. Der Westen wird jemanden neues schicken müssen. Und dann kann Russland die Bedingungen diktieren, die nicht einmal zu hart sein werden. Danach ist die Ukraine auf Bewährung frei für zehn Jahre.

    1. Artikel, verbaerbockt.
      Oder mit Karl Valentin: “Es ist schon alles gesagt – nur noch nicht von Jedem.”

      Etwas weniger verworren als Jens Woitas, dafür alles, worüber hier im Blog Einigkeit besteht, besser wiedergekäut.

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