Samstag, 27. Juli 2024
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Die “Tyrannei der Minderheit”

Die “Tyrannei der Minderheit”

GOP versus Democrats, 4 Jahre mehr Trump? Entscheidung in den USA (Grafik:Pixabay/GDJ)

Die beiden Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt wollen die Demokratie retten – pünktlich im Wahljahr 2024, in dem Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden könnte. Sie warnen in ihrem Buch “Tyrannei der Minderheit vor eben einer solchen. Schon ihr Erstlingswerk war einseitig. In „Wie Demokratien sterben“ beleuchten sie die politische Krise in den USA, aber wollen einzig und allein den Republikanern den schwarzen Peter zuschieben. Das ist zwar nicht falsch, aber eben nicht die ganze Wahrheit. Linke beklagen gern, dass die Republikaner die Evolutionslehre ablehnen; doch ihre These, dass es mehr als zwei Geschlechter gäbe, ist der weit größere Angriff auf die Wissenschaft. Auch die Solidarisierung mit gewaltbereiten Afroamerikanern im Zuge der “Black Lives Matter”-Bewegung und die Cancel Culture an den Universitäten gehen nicht auf die Republikaner zurück.

Beide sehen im Wahlmännerkollegium der USA einen Grundfehler der Verfassung. Gewinnt ein Präsidentschaftskandidat einen Bundesstaat nur knapp, erhält er dessen Stimmen komplett. Dadurch kann es zu einer Verzerrung kommen, bei der ein Kandidat weniger Stimmen erhält als sein Gegner und trotzdem ins Weiße Haus einzieht.

Niemanden in seinen Interessen zurücksetzen

Tatsächlich sollte man dieses Manko beheben; doch von einem Fehler zu sprechen, greift zu kurz. Die Gründerväter der USA wollten eine „Tyrannei der Mehrheit“ verhindern, bei der eine Partei sich zu stark auf ein bestimmtes Wählersegment stützt, um zu gewinnen. Gerade weil das Wahlmännerkollegium zum Teil unberechenbare Ergebnisse hervorbringt, war es nötig, eben möglichst viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen anzusprechen, um zu gewinnen. So sollte niemand in seinen Interessen zurückgesetzt werden.

Außerdem lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob jemals der „Verlierer“ ins Weiße Haus einzog. Denn das Wahlmännerkollegium bringt eben einen besonderen Wahlkampf mit sich. In den safe states, die klar zu mehrheitlich demokratisch oder mehrheitlich republikanisch tendieren, finden keine Auftritte statt und die Wahlbeteiligung ist traditionell niedrig. In den swing states, wo sich kein Sieger prognostizieren lässt, werden die Kandidaten umso häufiger zu sehen sein. Würde in den USA also die klassische Mehrheit der Stimmen entscheiden, gingen viel mehr Wähler an die Urne und würden womöglich anders wählen. Man weiß also nicht, ob der Wahlsieg George W. Bushs 2000 oder der von Donald Trump 2016 als illegitim einzustufen sind. Bush gelang es übrigens vier Jahre darauf, tatsächlich eine Mehrheit der Stimmen zu erzielen – und auch Trump könnte es in diesem November schaffen.

Verzerrung des Wählerwillens?

Viel seltener wird übrigens bemängelt, dass vielleicht auch John F. Kennedy ohne Stimmmehrheit zum US-Präsidenten wurde, was sich aufgrund einer intransparenten Wahl in Alabama und Unregelmäßigkeiten etwa in Chicago nicht nachvollziehen lässt. Auch die parteiinternen Vorwahlen der Demokraten 2008 waren von Unregelmäßigkeiten geprägt – was dem Sieger Barack Obama allerdings nicht schadete. Und sogar in Deutschland ist nicht alles Gold, was glänzt: Durch Überhang- und Ausgleichsmandate kann auch hierzulande der Verlierer zum Wahlsieger werden; so geschehen beispielsweise in Schleswig-Holstein 2009, als CDU und FPD die Landesregierung stellten, aber weniger Stimmen als Rot-rot-grün plus SSW erhalten hatten.

Ebenso sorge der US-Senat für eine Verzerrung des Wählerwillens. Denn jeder Bundesstaat stellt zwei Senatoren, unabhängig von seiner Bevölkerungszahl – was besonders im direkten Vergleich zwischen Kalifornien und Wyoming zutage trete. Dies stimmt zwar; aber im Ungleichgewicht etwa von Nordrhein-Westfalen gegenüber Bremen im Bundesrat erblickte hierzulande auch noch niemand eine Bedrohung der bundesrepublikanischen Demokratie.

Die sind weiterhin mehrheitlich weiß und christlich

Eine der wesentlichen Ursachen für die Radikalisierung der Republikaner sehen Ziblatt und Levitsky darin, dass die USA aufhören, ein weißes und christliches Land zu sein. So sei seit Mitte der 70er Jahre der Anteil der weißen Christen von 80 Prozent auf inzwischen nur noch 43 Prozent zurückgegangen. Aber das ist ein Taschenspielertrick – denn er vernachlässigt die nicht-christlichen Weißen und die nicht-weißen Christen. Dann sieht dieser Rückgang weit weniger stark aus. Die Weißen gingen im genannten Zeitraum von etwa 85 Prozent auf 60 Prozent zurück (sogar nur auf 70 Prozent, wenn man weiße Hispanics wie beispielsweise Kubaner berücksichtigt), während die Zahl der Christen von 90 auf 63 Prozent  sank. Die USA sind also nach wie vor mehrheitlich weiß und christlich.

Überhaupt ist die Konzentration der Linksliberalen auf das Christentum übertrieben: Auch viele amerikanische Kirchen werden – ganz ähnlich wie in Deutschland – immer grüner. Und selbst unter den besonders frommen Evangelikalen sind woke Überzeugungen häufiger geworden, auch wenn sie dort noch eine Minderheitenposition sind.

Zweifel an den eigenen Beteuerungen

Auch sei der Verlust der weißen Machtposition ein entscheidender Faktor. In den ersten 200 Jahren amerikanischer Geschichte waren praktisch alle wichtigen Posten in weißer Hand. Erst langsam wende sich das Blatt. Der Verlust des Monopols werde als Kränkung empfunden, selbst wenn er nicht mit echter Diskriminierung einhergehe. Ob das stimmt, bleibt fraglich und in einer Meritokratie muss jeder eine Chance auf Spitzenposten haben, solange er eben qualifiziert genug ist. Auch Schwarze, Hispanics und Asiaten haben ein Recht darauf, in Politik, Wirtschaft und Militär in die Chefetagen aufzurücken.

Jedoch findet sich bei Ziblatt und Levitsky kein Verweis darauf, dass es eben nicht ganz so wie beschrieben abläuft: Zum Teil werden Ämter eben nicht nach Leistung und nach Quote besetzt. Und sehr wohl gibt es eine Diskriminierung, wenn der weiße, heterosexuelle Mann von links immer als Feindbild gezeichnet wird. Ganz ähnlich wie auch schon Yascha Mounk scheinen Ziblatt und Levitsky ihren eigenen Beteuerungen selbst am wenigsten zu glauben, wenn sie einerseits meinen, dass Zuwanderung „Gesellschaften reicher und potenziell auch stärker“ mache, dann aber zugeben müssen, dass es „kein Land gibt, in dem eine dominante ethnische Gruppe ihren Mehrheitsstatus verloren und die Demokratie trotzdem überlebt hat.“

10 Responses

  1. “Die Gründerväter der USA wollten eine „Tyrannei der Mehrheit“ verhindern, bei der eine Partei sich zu stark auf ein bestimmtes Wählersegment stützt, um zu gewinnen.”

    Aber genau das ist doch das Wesen jeder Demokratie. Die Mehrheit tyrannisiert die Minderheit. Das ist ja die Krux der Diktaturen. Es erheben sich Menschen über andere und zwingen ihnen ihren Willen auf.
    Damit ist der Untergang einer Demokratie schon in ihrem Wesen enthalten.

    Die Anarchie kennt so etwas nicht. Deshalb haben Politiker und Untertanen so eine Angst davor, denn dort stellt sich niemand über einen anderen. Politiker sind überflüssig. Ja sogar schädlich.
    Jeder Mensch lebt selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Er ist frei. Das gilt solange, wie er niemand anderen auf den Sack geht oder gar schadet, dann wird auch dort derjenige zur Verantwortung gezogen. Die Anarchie ist kein rechtsfreier Raum.

    In einer Demokratie oder einer anderen Diktatur gibt es keine freien Menschen. Es gibt keine Menschenrechte. Politiker setzen das GG außer Kraft mit Nachfolgegesetzen, die das Grundgesetz abschaffen. Diesen Gesetzen darf man nicht folgen. Der Politiker hat nicht über das Volk zu bestimmen, sondern das Volk über den Politiker. Aber auch das wäre/ist eine Diktatur.

    Demokratie? Bleib mir mit dieser Scheiße einfach weit, weit weg. Sie führt immer in den Untergang und das Chaos.
    Schaut vor die Tür. Das Chaos ist gelebte Demokratie.

  2. Von einem grundlegenden Manko durch das Wahlmännerkollegium zu sprechen, ist meines Erachtens etwas voreilig. Das amerikanische Wahlrecht wurde bewußt so gestaltet, dass nicht die Mehrheit der Wähler entscheidet. Damit sollte ein Ausgleich geschaffen werden zwischen den Interessen von bevölkerungsreichen und bevölkerungsarmen Bundesstaaten.

  3. Ohne mehr als die ersten 2 Absätze gelesen zu haben, ich wette die 2 linken Knilche, die dieses “Buch” (Machwerk) schreiben, “vergessen” die Nicht-Wähler, also die Stärkste Fraktion aller Wähler. Ob wohl dadurch, daß man deren “Nein, ich lehne das Gesamtangebot ab” völlig ignoriert, es nicht zu einer viel größeren “Verzerrung” kommt, als durch die Wahlmänner, wird gar nicht gefragt. Wahl 2020, 66,4 Wahlbeteiligung (und dies inklusive “Wähler” Bidens, die aus: Toten, Haustieren, vielfachem wählen und erfundenen Wählern bestanden.

  4. @Radikalisierung der Republikaner
    könnte es sein, das die meinungsmachenden Medien fest in der Hand der Demokraten sind ?

    “Es gibt zwei Klassen von Menschen, die Gerechten und die Ungerechten. Die Einteilung wird von den Gerechten vorgenommen.”
    Oscar Wilde
    aber auch :
    „Von Lord Acton stammt der bekannte Ausspruch ‚Macht korrumpiert‘. Weniger bewusst ist uns, dass die Macht häufig auch dumm macht und Torheit erzeugt; dass die Macht, Befehle zu erteilen, häufig dazu führt, das Denken einzustellen; dass die Verantwortlichkeit der Macht in dem Maße schwindet, wie ihr Handlungsspielraum wächst.“

    und nicht zuletzt :
    “Viele Menschen würden lieber sterben als denken. Und in der Tat: sie tun es.“
    Bertrand Russell, englischer Mathematiker, Philosoph und Nobelpreisträger

    Aber überlegenswert finde ich auch Bernhard Shaw :
    Propaganda ist nicht darauf ausgelegt aus Menschen Idioten zu machen.
    Sie ist von Anfang an auf Idioten ausgelegt.

    “Wahlkampf” zähle ich dazu !

  5. Merkwürdig, daß hüben und drüben des großen Teichs die Demokratie permanent gerettet werden muß!

    Wenn die Demokratie tatsächlich etwas taugte, müßte sie nicht dauernd gerettet werden, sondern hätte durch sich selbst Bestand.

    Darwins Evolutionstheorie ist eine Theorie, mehr nicht. Noch nie ist aus dem Ei eines Krokodils etwas anderes geschlüpft als ein weiteres Krokodil. Und noch nie hat eine Stute einen Esel zur Welt gebracht.

    Mir scheint jedoch, daß viele Menschenfrauen jede Menge Esel gebären, die alles glauben, was man ihnen schwarz auf weiß vorsetzt! 😂

    Da in den USA der de facto regierende Präsident nicht direkt, sondern nur mittelbar über die Wahlmänner gewählt wird, ist auch dort die Demokratie nur Schlafsand, den man den Bürgern in die Augen streut.

    In den letzten 50 Jahren habe ich etliche Länder bereist und mich dort umgesehen. Es ist zwar in jedem Land etwas anders aber nicht wirklich besser als bei uns.
    Überall herrscht anstatt dem Volk eine sekbstherrliche Clique, die sich anmaßt, gegen den Willen des Volkes zu regieren.
    Wirkliche Freiheit habe ich nirgendwo gesehen. Überall leben die Menschen unter einem Joch, die einen mehr, die anderen weniger. Es läuft in den Gesellschaften stets darauf hinaus, entweder zu unterdrücken oder unterdrückt zu werden.

    Wenige haben es geschafft, sich aus dem jeweiligen System herauszulösen und in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu leben.
    Mit Verzicht auf Luxus und teuren Statussymbolen beginnt der lange, individuelle Weg in die Freiheit. Auch wenn man Jahrzehnte benötigt, um das Ziel zu erreichen, was wäre das Leben ohne Freiheit denn wert? (rhetorische Frage)
    Materialisten erreichen dieses Ziel übrigens nie, denn sie sind Sklaven ihrer Habe, von der sie nicht genug bekommen können. Gell? 😁

  6. (Noch)Minderheiten, in Amerika, wie in Europa, geben jetzt schon den Ton an. Durch ihre “Fruchtbarkeit” wird sich das Kräfteverhältnis in den nächsten Jahren verschieden und die bisher tonangebende “Mehrheit/Rasse” verschwinden.

  7. @Die “Tyrannei der Minderheit”

    “Die sind weiterhin mehrheitlich weiß und christlich”

    In den obersten Machtzirkeln der USA hat das Christentum aber nie eine große Rolle gespielt.
    https://freimaurer-wiki.de/index.php/Vereinigte_Staaten_von_Amerika_(USA)

    https://freimaurer-wiki.de/index.php/USA:_Bis_2018_waren_14_Pr%C3%A4sidenten_Freimaurer

    https://www.freiewelt.net/blog/geheimbund-skull-bones-1-die-bushs-das-geheimnis-von-zimmer-322-10089266/

    Übrigens Winston Churchill war auch Freimaurer.
    https://www.freimaurer-wiki.de/index.php/Winston_Churchill

  8. Die Tyrannei zahlt sich jedenfalls aus MSN “Die gegen Rechtsextremismus gerichtete Initiative „Omas gegen Rechts“ soll in diesem Jahr den Aachener Friedenspreis erhalten. Wie die Preisverleiher am Mittwoch bekannt gaben, sollen mit dem Preis die Arbeit der „Omas gegen Rechts“ unterstützt und der Dialog der Generationen gefördert werden. Als weiterer Preisträger soll eine auf dem Balkan aktive Jugendinitiative ausgezeichnet werden. Verliehen wird der Preis am 1. September, dem Antikriegstag.” So kreiert man Faschingsorden. https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/aachener-friedenspreis-2024-100.html