Was die Werbung über die Vergangenheit verrät

Was die Werbung über die Vergangenheit verrät

Donald-Trump-Reklame für McDonald’s in den frühen Neunzigern (Screenshot:Youtube)

Unsere Welt verändert sich. Das allein ist noch keine bahnbrechende Erkenntnis, sondern natürlich jedem bewusst. Meist bemerkt man jedoch nur die einschneidenden Ereignisse, während die kleinen Details auf der Strecke bleiben. Und ebenso wenig dürften die meisten Menschen spüren, dass das Tempo des Wandels umso schneller anzieht. Gerade weil man sich an manche Veränderungen so sehr gewöhnt hat, bemerkt man sie kaum noch, sondern nimmt sie als selbstverständlich hin.

Wohl nur eine Zeitreise kann verdeutlichen, wie gravierend unsere Gesellschaft sich in der – historisch betrachtet – kurzen Zeitspanne seit der Jahrtausendwende verändert hat. Und der beste Ersatz für eine solche Zeitreise ist ausgerechnet ein kurzes, dafür aber sehr amüsantes Youtube-Video (siehe nachfolgend), das einzelne Werbeclips aus den 90er Jahren zusammenschneidet. Ihnen ist gemein, dass sie schlecht gealtert sind – was heißt, dass sie nach heutigem Kenntnisstand unfreiwillig komisch bis tragisch wirken.

Zunächst einmal würden nur die Wenigsten einer solchen Zusammenstellung irgendeine besondere Relevanz zusprechen. Denn wer schaut schon ernsthaft Werbung? Immer dann, wenn damals die Clips über den Bildschirm flimmerten, zappte man entweder zum nächsten Sender weiter oder verließ die Couch, um dem Kühlschrank beziehungsweise der Toilette einen Besuch abzustatten. Wer so denkt, verkennt allerdings, dass Fernsehwerbung auf ihre Art eben auch eine Kunstform darstellt. In nur 15-30 Sekunden eine ganze Geschichte zu erzählen, ist weitaus schwieriger, als man denkt… und jeder muss sie dann auch noch auf Anhieb verstehen. Wohl deshalb ist die Information eines einzelnen Clips viel dichter als zuerst angenommen. Und erst mit zeitlichem Abstand wird erkennbar, dass die Werbung eben nicht nur eine Aussage über das beworbene Produkt enthält, sondern auch über die Zeit, in der sie entstanden ist.

Jeder darf sich dieses Video gern selbst ansehen; doch wer es etwas genauer wissen will, bekommt nachfolgend die einzelnen Clips gesondert erklärt. Denn nicht jeder Deutsche versteht die Details, die für jeden Amerikaner offensichtlich sind.

Nachfolgend die Clips im Einzelnen:

1. Der Entertainer Bill Cosby und ein kleines Mädchen genießen Schokopudding. 2018 wurde Cosby zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, da er über Jahrzehnte hinweg Frauen Betäubungsmittel verabreicht und sexuell missbraucht hatte.

2. Das Buch „Dianetik“ des Bestsellerautors L. Ron Hubbard wird beworben. Es soll Menschen bei der Überwindung psychischer Krisen helfen. Hubbard war der Gründer der Sekte Scientology. Seine Lehre der „Dianetik” gilt als Pseudowissenschaft und soll vor allem labile Menschen in die Fänge der Religionsgemeinschaft treiben.

Teils von der Realität eingeholt

4. Ein Mitarbeiter der Firma Halliburton zählt auf, was er an seinem Unternehmen schätzt. US-Vizepräsident Dick Cheney war vor seiner Amtszeit Vorstandschef von Halliburton. Das Unternehmen erhielt nach den Invasion des Irak millionenschwere Regierungsaufträge

6. Der US-Amerikaner Jared Fogle verlor mit einer Sandwichdiät viele Kilo Gewicht und wurde zum Werbegesicht des Fast-Food-Anbieters Subway. In einer gestellten Senatsanhörung zerstreut er erfolgreich die Zweifel an seinem Diäterfolg und fragt im Anschluss freudig: „Am I free to go?“ („Kann ich jetzt gehen?”). Im wahren Leben ist Fogle übrigens nicht „free to go“, sondern verbüßt eine mehrjährige Haftstrafe wegen Kindesmissbrauchs.

7. In einer Werbung des Elektronikkonzerns Raytheon wird die Lebensrealität der Amish people dargestellt. Raytheon setzt tatsächlich auf moderne Technik – und entwickelt unter anderem Marschflugkörper für das US-Militär.

8. Ein Funktionär des Energiekonzern Enron äußert sich zu seinem Unternehmen. 2001 ging Enron nach langer Misswirtschaft und Bilanzfälschung pleite. Die Insolvenz verursachte eine Wirtschaftskrise, die auch andere Unternehmen betraf.

9. Ein Mann nimmt Tic-Tacs zu sich, um seinen Atem aufzufrischen und küsst ungefragt eine Frau. In der heutigen von „#metoo” geprägten Debatte wäre so etwas kaum denkbar. Der Spot wirkt umso seltsamer, da der Frau förmlich anzusehen ist, wie unangenehm ihr die Situation ist.

10. In einem Werbeclip für den Schokoriegel Snickers erleidet ein Footballspieler während eines Matches eine Gehirnerschütterung und hält sich fortan für die Comicfigur Batman. Seit einigen Jahren debattiert die US-Gesellschaft über Studien, die zeigen, dass viele Footballspieler auch noch lange nach Karriereende an den Folgen ihrer Gehirnerschütterungen leiden.

Veränderte Wahrnehmungen und Sensibilität

11. Der aus vielen Tierdokumentationen als „Crocodile Hunter“ bekannte Steve Irwin hält eine Giftschlange in die Kamera und wird gebissen. Er verstirbt kurz darauf, weil das Gegengift nicht von FedEx, sondern einem Konkurrenzunternehmen zu spät geliefert wird. Irwin verstarb tatsächlich 2006, weil er von einem giftigen Mantarochen gestochen wurde.

12. Ein Mann rät seiner Nachbarin dazu, sich einen Ford zu kaufen, um ihre Depressionen zu überwinden – bei ihm habe das schließlich auch gewirkt. Mittlerweile ist die Gesellschaft gegenüber psychischen Erkrankungen sensibilisiert.

13. Donald Trump bewirbt die Produkte der Fast-Food-Kette McDonalds. An das Maskottchen des Burgerbraters gewandt, sagt er vor der Kulisse von New York : „Zusammen kann uns diese Stadt gehören“. Ob dieser Werbespot schlecht gealtert ist, hängt einzig und allein davon ab, ob man Donald Trump für einen guten oder einen schlechten US-Präsidenten hält.

14. In einem Werbespot wird erklärt, wie gut das Monsanto-Produkt Round-Up Unkraut vernichtet. Das heute zum Bayer-Konzern gehörende Unternehmen ist mittlerweile in die Kritik geraten, weil es auf die Chemikalie Glyphosat setzt, die angeblich krebserregend ist. Dies beweist allerdings nicht, dass der Clip schlecht gealtert ist, sondern nur, dass die Gesellschaft hysterischer reagiert. Tatsächlich sind die Vorwürfe gegen Glyphosat haltlos.

15. In einem Spot für den Sportartikelhersteller Nike erklärt Radrennfahrer Lance Armstrong, dass er mit seinem Körper anstellen kann, was er will. Armstrong musste 2013 eingestehen, während seiner Karriere gedopt zu haben. Sämtliche Titel wurden ihm rückwirkend aberkannt.

16. McDonalds bewirbt seine extra großen „Supersize“-Menüs. In den USA wird über die steigende Anzahl der Übergewichtigen diskutiert. Es gab Bemühungen der Politik, den Fast-Food-Unternehmen Menüs mit 1-Liter-Softdrinks zu verbieten. Eine Dokumentation unter dem Titel „Super Size Me“ beleuchtete die dramatischen Auswirkungen des übermäßigen Burger-Konsums; die Macher stehen allerdings in der Kritik, dabei nicht sauber gearbeitet zu haben.

Der Anschlag auf das World Trade Center

Dem aufmerksamen Leser ist vielleicht aufgefallen, dass die Punkte 3. und 5. in der Auflistung fehlen. Das hat einen Grund – nämlich den, dass sie gesonderte Aufmerksamkeit verdienen. Denn nach den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 erscheinen sie in ganz neuem Licht. Dies haben sie mit einigen weiteren Werbeclips gemein, die nicht im obigen Youtube-Video auftauchen. So wurde zum Beispiel in den 80er Jahren ein Bildbearbeitungsprogramm beworben, mit dem sich das World Trade Center aus der Skyline von New York entfernen lässt. In mehreren Werbespots rasen Flugzeuge nur knapp an Wolkenkratzern vorbei; so zum Beispiel bei UPS oder auch beim Fernsehhersteller Phillips, der auf die Leidenschaft seiner Kunden für Actionfilme setzt und einen Kampfjet nach New York schickt. Besonders ein Clip von American Airlines wirkt diesbezüglich tragisch – denn genau diese Luftlinie wurde zum Ziel der Entführer.

Und nur wenige Wochen vor den Anschlägen erschien ein Filmtrailer, in dem Spiderman ein riesiges Netz zwischen den Twin Towers spinnt, um einen Hubschrauber voller Ganoven zu stoppen. Im Werbespot des Unternehmens AT&T nimmt ein Stabhochspringer viel Anlauf – und überspringt die Latte, die zwischen beiden Wolkenkratzern hängt, um danach in Zeitlupe am World Trade Center entlang zu Boden zu stürzen. AT&T war damals Sponsor der Olympischen Spiele in Atlanta 1996, auf die ebenfalls ein Terroranschlag verübt wurde. Damals allerdings war der Täter noch kein Islamist.

7 Antworten

  1. Zum letzten Teil bezüglich 9/11:
    Das beste Buch, dass ich zu diesem Thema gelesen habe, war „Impossible Mission 9/11“ von Oliver Janich.
    Warum? – Weil er ganz ohne Flugzeuge auskommt! Donnerwetter!
    (Wer’s handwerklicher mag: Gerhard Wischnewski: „Operation 9/11“; Andreas von Bülow: „CIA und der 11.September“; Mathias Bröckers(Chr. Walther: „11.9. Zehn Jahre danach – Der Einsturz eines Lügengebäudes“; Paul Schreyer: „Faktencheck 9/11 – Eine andere Perspektive 12 Jahre danach“ – oder eben zig andere, die die Lügen offenlegten und alle zum inhaltlich immer wieder gleichen Ergebnis kommen!
    Janichs Protokollierung und personale Einbindungen klingen verdammt schlüssig, dass vor allem ein Dick Cheney das Ganze gesteuert hat. Und in der Tat war das allergrößte Problem, dass keine (!!) Flugzeuge, gar der eigenen Abwehr, mehr in Sichtweite der Tower sein durften (man schickte sie erstmalig allesamt an diesem Tag weit auf den Atlantik hinaus!), da ansonsten der „flugzeugfreie Zusammensturz“ der Gebäude „ersichtlich“ gewesen wäre. Aufgrund der Geschwindigkeit der Flugzeuge hat auch niemand tatsächlich Flugzeuge am Himmel gesehen – nur daran geglaubt, weil die Fernseh-Bilder dies ja eindeutig zeigten. Das nenne ich mal eine „saubere Verschwörungstheorie“ – die spannende Lektüre liefert!

    Ansonsten zur Werbung: Sehen wir uns mal „heute“ an: Bei allen möglichen Produkten (die ich nicht nennen will, es wird jeder merken!) tauchen überwiegend Schwarze oder Braune auf.
    (Falls die Begrifflichkeiten anders gewokt werden, bitte ich um entsprechende Einarbeitung.)
    Offenbar geraten die Weißen schon hier endgültig aufs absatzmassige Abstellgleis! Einfach sehenswert – und für mich folgerichtig kulturkonstant alles in allem eher wenig kaufenswert!

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  2. Manches wäre heute undenkbar, nicht ganz zu unrecht. Manches wirkt irgendwie unfreiwillig komisch, aber nicht unbedingt unangenehm. Subtilität und eine gewisse Sensibilität sind durchaus angebracht, aber bitte dann gilt das für alle und nicht, so wie überall und generell praktiziert, eindimensional, und man kann es auch übertreiben.

  3. „Tatsächlich sind die Vorwürfe gegen Glyphosat haltlos.“

    den übrigen Text beiseite schiebend, würde ich diese These doch näher erklärt bekommen.

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    1. Ich weiß nicht, ob der andere Kommentar nutzbar ist. Ich habe da einen Link zu YT eingestellt.

      Hier noch einmal mit einem Leerzeichen zwischen tt.

      ht tps://www.youtube.com/watch?v=GAgqDzqRJpk

      Ich weiß nicht, wie ich es sonst einstellen kann.

  4. Das Werbung ungeheuer wirksam ist, bei denen die es sehen konnten im Osten, sieht man ja daran das es in der DDR eine Konsumrevolution war.
    Heute, das Prinzip der Massenverdummung findet auf der gleichen geistigen Ebene statt. Mit Werbemethoden in den Untergang. Schöne neue Welt mit der rosa roten Brille. Der Aufschlag wird genauso hart sein wie für die Ossis damals.

  5. Zitat:
    „AT&T war damals Sponsor der Olympischen Spiele in Atlanta 1996, auf die ebenfalls ein Terroranschlag verübt wurde. Damals allerdings war der Täter noch kein Islamist.“

    2001 bei 9/11 auch nicht.

    Auch ansonsten ist der Artikel derart politisch korrekt, er könnte glatt von Spiegel/Zeit/Bild oder ähnlichen fallenden Blättern stammen.