Es ist ein wenig beschämend, das zugeben zu müssen, aber ich habe offenbar das größte kulturelle Ereignis des Fernsehjahres 2023 verpasst. Meine weiblichen Hormone hatten mich verleitet, einen anderen Sender einzuschalten, wo ein Spielfilm mit Aaron Eckart lief. Der spielte darin zwar den Schurken, aber das zog ich dann doch einer Spielshow ganz ohne Aaron Eckart vor. Nun sind die sozialen Medien angefüllt mit Diskussionen über Thomas Gottschalk und seine offenbar legendäre Abschiedsrede bei „Wetten, dass…?“ – und ich kann nicht mitreden. Sogar Anabel Schunke entsagte der Welt ihrer mondänen Clubs, um Twitter nun mit philosophischen Gedanken über den letzten Auftritt der TV-Ikone anzufüllen.
Jan Böhmermann hatte schon vorab sein royales Magazin der „Cancel Culture“ gewidmet – auch das sah ich nur durch Zufall, weil vorher „Der Schwarm“ lief. Natürlich durften ein paar Giftpfeile gegen Gottschalk, den Veteranen aus dem eigenen Sender nicht fehlen, der es aber im Gegensatz zu unserem „Staatscomedian“ immerhin jahrelang geschafft hat, zur besten Sendezeit auf dem Bildschirm zu erscheinen. Im Rest des Magazins erklärte Böhmermann dem geneigten Publikum schließlich, dass Cancel Culture ein „rechtes” Phänomen sei, mit dem die Pressefreiheit eingeschränkt werden solle. Ist Thomas Gottschalk nun ein „Rechter„, weil er es wagte, ein paar kritische Worte zu Sprachverboten zu äußern? Hat er gar schon einen Aufnahmeantrag bei der AfD gestellt oder ist in den USA mit Donald Trump gesichtet worden?
In der Zeit der Fernseh-Spätantike galt „Wetten, dass…?“ natürlich als Pflichtprogramm. Viel Auswahl hätte man zu jener Zeit bei lediglich drei verfügbaren Sendern nicht, mit einer Mischung aus Neid und Verachtung blickte man in die USA, wo es deren mindestens fünfzig gab. Das galt als Zeichen des kulturellen Niedergangs – auch wenn man sich heimlich auch ein wenig mehr Auswahl wünschte. Mitte der Achtziger besaßen einige privilegierte Mitschüler bereits Satelliten-TV – manchmal konnten wir unsere Chemielehrerin erweichen, eine Folge „Airwolf“ auf VHS während des Unterrichts schauen zu dürfen. Das änderte aber nichts an dem Reiz, den „Wetten, dass…?“ auf die Zuschauer ausübte. Denn dort gelang es Baggerfahrern, ihr Gefährt auf rohen Eiern abzustellen; sowas hatten selbst die Piloten des „Airwolf” nicht drauf.
Starke Männer bliesen Wärmflaschen auf wie unsereins Luftballons. Biologen erkannten Tiere an deren Häufchen. Und die Saalwette erst! Da bangte man doch mit, ob es dem ZDF gelingen würde, fünfhundert Bäcker mit dem Namen „Bäcker“ aufzutreiben, welche das Senderlogo als frisches Brot mitbrachten. In einer der späteren Sendungen kletterte ein Junge blitzschnell zwischen Mülltonnen hin und her, als Wettpatin stand Ursula von der Leyen – damals noch Familienministerin – zur Verfügung. Sie selbst stieg dann ebenfalls in eine gelbe Tonne und wurde galant von Hugh Jackman aus dieser errettet. Noch Jahre danach musste ich daran denken, was der charmante Schauspieler Deutschland damit angetan hat. Natürlich ist es nicht politisch korrekt, so etwas auszusprechen… aber die Zensurschere in meinem Kopf ist manchmal außer Betrieb.
Die Show hatte etwas Unschuldiges
Man könnte meinen, jede Sendung habe sich irgendwann überlebt, weil ihr die Ideen ausgehen. Als Duisburger waren wir damals so stolz, als Michael Jackson in unserer „Rhein-Ruhr-Halle” auftrat! Und während der Sänger im Radio weiterlebt, gammelt die Halle im Grenzbereich zwischen Hamborn und Marxloh vor sich hin. „Wetten, dass…?“ hatte etwas Unschuldiges, das heutigen Shows des öffentlich-rechtlichen Rundfunks meist fehlt. Zwar gab es auch dort manchmal Aufrufe zu Spenden für humanitäre Zwecke, aber man blieb von moralinsauren politischen Belehrungen – etwa zum Klimawandel – weitestgehend verschont. Es wurde respektiert, dass Menschen sich manchmal einfach nur unterhalten lassen wollen, ohne ihre tägliche Dosis medialer Beeinflussung mitnehmen zu müssen. Selbst die einzige, eher heitere Quizshow „Wer weiß denn sowas XXL„, die ich mir wegen des unnützen Wissens gern anschaue, kommt nicht ohne aus: Da erscheint dann ein flauschiges Tierchen im Studio, dessen Überleben durch den Klimawandel bedroht sei. Und wer will schon so ein flauschiges Tierchen auf dem Gewissen haben?
Man gönnt Thomas Gottschalk den Ruhestand. Der eigentliche Aufreger ist doch, dass ein paar harmlose Äußerungen zur heutigen Gesprächskultur so einen medialen Wind erzeugen. Gottschalk hat sich selbstironisch als „alten weißen Mann“ bezeichnet. Wenn schon das der Sprachpolizei sauer aufstößt, dann sollte das fürwahr ein Warnsignal sein. Jan Böhmermann sieht auch schon ein bisschen grau auf dem Kopf aus; wahrscheinlich wird er bald selbst zu der Personengruppe gezählt, die er so verachtet. Karma is a bitch!
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5 Antworten
Der eigentliche Aufreger ist doch, dass ein paar harmlose Äußerungen zur heutigen Gesprächskultur so einen medialen Wind erzeugen.
Genau!
Die paar Wattebäuschchen in Richtung Klartext, die heute bereits ausreichen um Shitstorm und Empörungsrallye auszulösen, sind wahrlich keinen Aufreger wert, wohl aber der Umstand, daß sich heute jeder Lobotomierte als Doppelmoralapostel aufspielen kann, wenn er nur die letzten Details aktuellster Sprachregelungen kennt, und Beachtung erfährt anstatt ausgelacht zu werden.
Ich lese gerade wieder in Orwells 1984 und es gruselt mich, wie genau er das vor über 40 Jahren vorhergesagt hat! Einschließlich der Sprachregelungen und des Krieges gegen
EurasienOzeanien, weil wir bekanntlich mitOzeanienEurasien im Frieden sind.An die Sendung mit vdL in der Mülltonne kann ich mich noch erinnern und dachte mir damals schon, Sie ist genau da wo sie hingehört, macht einfach nur noch den Deckel zu.
Da hatte diese jämmerliche Tante sich noch nicht einmal durch diverse deutsche Ministerien dilettiert und ich lag vom Bauchgefühl her vollkommen richtig.
Ich denke heute noch an die Sendung sobald ich diese schreckliche Gestalt mit der betonierten Haarpracht zu sehen bekomme, nur schwebt mir heute eher die Müllpresse vor.
Ich habe auch „das größte kulturelle Ereignis des Fernsehjahres 2023 verpasst“, aber nicht etwa, weil ich einen anderen Sender eingeschaltet hatte, sondern weil ich gar keinen Sender eingeschaltet hatte. Denn TV verblödet, egal welcher Sender.
Bin mir bei Gottschalk auch nicht sicher, ob er nicht nur spielt, aber zumindest ist es mal eine Ansage, von ihm, die vielleicht seine alten Fans und die die noch erwachen müssen, das Hirn zum laufen bringen!
Die alten weißen Männer treten mit Würde ab. Was kommt sind Hofschranzen, Speichelecker und Volldeppen.
Auch zu beobachten immer mehr mit Migrationshintergrund und gerne dunkelhäutig als TV Moderator/innen. Das deutsche TV ist genauso fertig wie der Rest der kaputten Republik. Deutschland steht politisch links stramm und der Tommy hat halt keinen Bock mehr auf die Sprachpolizei. Abtreten mit Würde, bevor man von den linken Nazis abgetreten wird.