Donnerstag, 2. Mai 2024
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Deutschland, Deine Denkmäler

Deutschland, Deine Denkmäler

Baustelle des Berliner Einheitsdenkmals: Sinnbild des Landes (Foto:Imago)

In Deutschland mangelt es ja keineswegs an gleichnishaften schildaesken Vorgängen. Neben den inzwischen schier atemberaubenden Führungsfiguren an sich betrifft dies vor allem die unter deren Anleitung versuchten baulichen Leuchtturmprojekte. In den Charts des Absurden rangiert unangefochten der Versuch ganz oben, der Hauptstadt einen funktionierenden Flughafen beizufügen. Man erinnert sich an das Vergraben des Stuttgarter Bahnhofs, an das gescheiterte Vorhaben, in die Hamburger Elbphilharmonie einen akustisch überzeugenden Konzertsaal einzufügen, oder an das seit Jahrzehnten misslingende Bemühen, den Wohnungsmangel auch nur annähernd zu beseitigen. Sich verzehnfachende Kosten und Bauzeiten sind an der Tagesordnung. Entgegen landläufiger Vorstellungen sind hier aber weder inkompetente Bauunternehmen noch Planer verantwortlich, sondern eine öffentliche Hand, deren Verantwortliche sich je nach politischer Fasson und in Gestalt von Bund, Land, Kommunen über Ziele, Aufgabenstellung, Kompetenzen, Abläufe und Finanzierung regelmäßig streiten und mit Auflagen und Forderungen förmlich überbieten… so lange, bis der Arzt oder der Insolvenzverwalter kommt.

Neuestes Kapitel in dieser Sammlung von Absurditäten ist ein vergleichsweise kleines Vorhaben – das Einheitsdenkmal vor dem Berliner Stadtschloss. Lassen wir Revue passieren. Bitte anschnallen: 2007 beschließt der Bundestag feierlich und voller Stolz, die sogenannte friedliche Revolution in einem Monument zu versinnbildlichen. Die Kosten werden mit zehn Millionen Euro veranschlagt. Zwei Jahre später lobte die Bundesregierung in der ihr eigenen Bescheidenheit für das Zeichen nationaler Einheit keinen deutschen sondern einen offenen, internationalen Wettbewerb aus. Ein Saal zur Ausstellung der Arbeiten wird mit erheblichen Kosten vorbereitet, eine riesige, neunzehnköpfige Jury berufen. Es treffen 532 Vorschläge ein. Für jeden, der nach viermonatiger Arbeit eingereichten Entwürfe haben die beurteilenden Experten genau 30 Sekunden Zeit. Am Ende kommt es wie es kommen muss. Es gibt keine Entscheidung. Das Verfahren wird abgebrochen.

Getöse statt Realisierung

Vier Monate später ist dann entschieden, einen neuen Wettbwerb mit veränderter Aufgabenstellung durchzuführen. Das ursprünglich vorgesehene Informationszentrum entfällt. In der Neuauflage reichten 386 wiederum internationale Bewerber eine Art Vorentwurf ein, von denen 28 zur weiteren Bearbeitung ausgewählt werden. Die Jury ist erneut nicht in der Lage zu tun, wofür sie bezahlt wird, nämlich eine Entscheidung herbeizuführen. Sie verleiht drei gleichrangige Preise und zwei Anerkennungen, verbunden mit der Empfehlung die Entwürfe nachzubessern. Es ist 2011, vier Jahre nach dem Regierungsbeschluss, als schließlich die Skulptur des Büros Milla und Partner mit der Choreografin Sasha Waltz zur Realisierung empfohlen wird. Vorgesehen ist eine 50 Meter lange Metallschale als begehbares kinetisches Objekt, das sich je nach Verteilung der Besucher, zur einen oder anderen Seite neigt. Eine durchaus intelligente, zeichenhaft-skulpturale Übersetzung der balancierenden „Kraft des Volkes.“

Statt der zügigen Realisierung beginnt nun ein öffentliches Getöse von allen, die sonst noch gehört werden und lautstark mitreden wollen. Beim Eifern der Institutionen, Verbände, Experten und Medien geht es um alles und nichts. Um Sinn und Unsinn der gesamten Maßnahme, den Standort, die Form. Eigene Vorschläge werden ungebeten in die Debatte geworfen. Darunter allerlei rekonstruierte historische Versatzstücke früherer Denkmäler, die mit der eigentlichen Intuition nichts mehr zu tun haben. Schlussendlich finden sich sogar Befürworter für die Auffassung, mit dem Brandenburger Tor stünde ja bereits ein Symbol “friedlich fröhlicher Einigung” zur Verfügung, es bestünde also gar kein Bedarf. 2015 schließlich wird die Baugenehmigung für die begehbare Stahlkonstruktion doch erteilt. Es sind acht Jahre vergangen.

Unvermittelt neue Begehrlichkeiten

Der kalkulierte Festpreis, (kalkulierte Festpreise sind angesichts deutscher Realisierungszeiträume eine Groteske für sich), beträgt inzwischen 17 Millionen Euro. 2016 gerät der Planungsprozess erneut ins Stocken. Zwei von Investoren, Brücken- und Städtebauern gefürchtete, nahezu unüberwindliche Gegner sind aufgetaucht: Der Denkmalschutz – und die Fledermaus. Nach zehn Jahren Planung, selbstverständlich unter protokollarischer Beteiligung der halben Welt, stehen alle Mühlen still. Dann Erstaunliches: Der Haushaltsausschuss stellt im November 2016 Mittel bereit. 18,5 Millionen Euro. Allerdings nicht für das aufwändig geplante Denkmal, sondern für den Wiederaufbau der Kolonnaden des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals. Nicht dem deutschen Ostvolke gebührt jetzt plötzlich ein Denkmal sondern dem gesamtdeutschen Kaiser.

Zwei Jahre später hat man sich erneut zusammengerauft und die Errichtung sogar im Koalitionsvertrag der Groko verankert. Hilft nicht viel, es tauchen unvermittelt neue Begehrlichkeiten auf. Grundstücks- und Kostenfragen. Das chronisch klamme Berlin hat festgestellt, das „exklusive Grundstück“ zu billig an den Bund übertragen zu haben. Es geht einige Zeit hin und her. Schließlich stellt man fest, dass ein Kaufvertrag ein Kaufvertrag ist. Wir schreiben 2018, die Grundstücksdebatte ist eingehegt, die Fledermäuse in den Plänterwald “umgesiedelt”, da fällt dem Denkmalamt ein, dass die für die Gründung in den sumpfigen Untergrund getriebenen Bohrpfähle zwingend zur Aufhebung der verlängerten Baugenehmigung führen müssten. Außerdem sei das Schicksal vor Ort vorhandener Bodenmosaiken nicht geklärt.

Die Fledermäuse sind zurück

Der Regisseur Christoph Lauenstein fasst sich ein Herz und meldet sich zu Wort. Er hat entdeckt, dass der Denkmalentwurf einen seiner Kurzfilme plagiiere. Den hat er 1989 gemacht. Zu allem Unglück sind einige der abgeschobenen Fledermäuse zurück. Dem Vernehmen nach planen sie im unterirdischen Teil der Bausubstanz zu überwintern. Die Umweltsenat zu Berlin erteilt daraufhin strenge Natur- und Artenschutzauflagen, die das Projekt um mehrere Millionen Euro verteuern. 2019 erhebt auch der Berliner Landesverband des Naturschutzbundes Klage. Das Vorhaben kommt erneut zum Stillstand.

2020, es sind dreizehn Jahre nach dem Baubeschluss vergangen, beginnt ein beauftragter Metallbaubetrieb im nordrhein-westfälischen Stemwede dann doch endlich mit der Fertigung der Stahlkonstruktion für die „Wippe“. Die Teile werden nach Berlin zur Endmontage gebracht. 2021 ist endlich auch der Sockel fertiggestellt. Das Bundesamt für Bauwesen avisiert erleichtert 2022 die Fertigstellung für 2023. Im Oktober 2023 wird aber nichts fertiggestellt sondern Kostensteigerungen sind angemeldet. Erhebliche Kostensteigerungen. Stahl ist bekanntermaßen eines der Produkte, die im Land viel kostbare grüne Energie verbrauchen und deshalb lieber woanders hergestellt werden. Kolportiert werden jetzt Kosten von weit über 20 Millionen, und von der Einweihung des Denkmals ist keine Rede mehr. Im Februar 2024 meldet das beauftragte Stahlbauunternehmen Insolvenz an. Das ist, wie die Expertise des Wirtschaftsministers besagt, wenn man „aufhört zu arbeiten“. Vermutlich kein größeres Problem, denn in Kürze wird wohl auch der Grund zur feierlichen Errichtung des „Denkmals der Deutschen Einheit“ auf beiden Seiten vergessen sein.

5 Antworten

  1. @vor allem die unter deren Anleitung versuchten baulichen Leuchtturmprojekte.
    sind sie sicher, das es nicht einfach darum geht, Steuergelder möglichst unsinnig zu verbrennen, damit es nicht sinnvoll eingesetzt wird ?
    Stellen sie sich mal vor, sie hätten nicht die Qualitätspolitiker, sondern Fachleute ans Werk gelassen und dann das überschüssige Geld anderswo sinnvoll eingesetzt – Schulen instand halten, Verkehrsnetz und Brücken instand halten und vieles mehr.

  2. Famos, einfach nur famos *bauchhaltvorlachen…..
    ich bin dafür, das wir unsere Regierung und Bürokratie als Unesco-Welterbe schützen lassen. Sie ist definitiv einmalig auf der Welt und stirbt mit unserem Volke aus :))